Warum abwarten – es gibt doch längst Erfahrung mit ABM, Bürgergeld, Kommunal-Kombi, Ein-Euro-Jobs ... Brauchen wir wieder mehr solche Stellen?

Es gibt einen Kern von 100 000 oder 200 000 Menschen in Deutschland, die sehr weit weg vom ersten Arbeitsmarkt sind. Die Politik wird sicher irgendwann diskutieren, ob aus sozialpolitischen Gründen ein zweiter Arbeitsmarkt mit staatlich finanzierten Stellen für sie hilfreich sein kann oder nicht.

Wie viele Arbeitslose verschwinden nur deshalb aus der Statistik, weil sie in Rente gehen?

Das wird so von uns statistisch nicht erfasst. Voriges Jahr haben sich in Sachsen rund 453 000 Menschen arbeitslos gemeldet, manche mehrfach. 468 000 Menschen haben sich voriges Jahr abgemeldet – davon 171 000 in Nichterwerbstätigkeit. Das sind aber nicht nur Rentner, auch zeitweilige Krankheit fällt darunter. Wir wissen aber, dass es in zehn Jahren rund 400 000 Sachsen weniger als heute im erwerbsfähigen Alter geben wird. Fachkräfte zu sichern, wird also ein großes Thema.

Es wird Fachkräftemangel und Langzeitarbeitslosigkeit zugleich geben?

Es wird leider immer langzeitarbeitslose Menschen geben. Aber das Risiko der Arbeitslosigkeit wird geringer. Wir müssen eine Doppelstrategie fahren: das vorhandene Potenzial im Inland stärker ausschöpfen und zugleich auf Zuwanderung setzen.

Mehr Altenpfleger müssten sich doch in Deutschland finden, wenn sie besser bezahlt würden. Wäre das nicht besser, als billige aus dem Ausland anzuwerben?

Es fehlen examinierte Altenpfleger, obwohl allein die Bundesagentur für Arbeit jedes Jahr 7 000 ausbildet oder umschult. Es stimmt, das Gehalt ist nicht besonders attraktiv; aber insbesondere auch die Arbeitsbedingungen müssten sich in Teilen der Branche verbessern. Wer mehr zahlt, bekommt die bessere Fachkraft. Aber Krankenpflege und Rente sind schwer zu finanzieren. Und bei Ingenieuren und Ärzten liegt es nicht am Gehalt, dass welche fehlen. Wir können den Bedarf insbesondere auch über Zuwanderung decken.

Geht es bei der Anwerbung um Gastarbeiter für ein paar Jahre?

Nein, es geht um dauerhafte Zuwanderung – und damit um ganzheitliche Integrationsnotwendigkeit. Wir Deutschen werden weniger, Deutschland wird bunter. Wir werben beispielsweise um Altenpfleger aus Bosnien-Herzegowina und von den Philippinen – aber sie müssen Deutsch sprechen in diesem Beruf. Wir finanzieren für junge Spanier Deutschkurse in ihrer Heimat, bevor sie nach Deutschland kommen. Die deutsche Sprache ist allerdings für viele ein echtes Hindernis.

Liegt es nur an der Sprache, dass bisher nicht viele Fachkräfte kommen?

Ich war in Indonesien und Vietnam. Dort denkt man noch, die Deutschen wollten keine Zuwanderung. Es gab eine Anwerbestopp-Ausnahmeverordnung. Schon solche Begriffe schreckten ab. Doch wir haben jetzt ein modernes, liberales Zuwanderungsrecht. Es weiß nur kaum jemand.

Die Wirtschaftskrise in Südeuropa bringt mehr Spanier zu uns …

Aber das wird nicht von Dauer sein. Ich erwarte, dass Länder wie Spanien, Portugal und Griechenland gesunden – dann brauchen sie wieder ihre Arbeitskräfte. Bisher kommen nur ein Prozent der Zuwanderer mit der „Blue Card“, also mit Einreiseerlaubnis für akademische Fachkräfte von außerhalb der EU. Wir brauchen solche Zuwanderer, da ist Pegida kontraproduktiv.

Ist Pegida im Ausland so bekannt?

Ja, das spricht sich herum und ist Thema in den Medien. Ich war im Dezember in Spanien bei der Eröffnung eines deutschen Welcome Centers – dort waren die Dresdner Demonstrationen ein Thema. Einerseits bieten wir Programme für Zuwanderer und finanzieren Sprachkurse, andererseits macht Pegida das zarte Pflänzchen Weltoffenheit ein Stück weit kaputt.

Welche Chancen haben Asylbewerber? Lange Zeit durften sie nicht arbeiten.

Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung steht, dass die Wartefrist von neun auf drei Monate verkürzt werden soll – dann soll Arbeit erlaubt werden. Wir haben Modellprojekte in neun Städten, darunter Dresden, um Asylbewerber sehr früh in Arbeit zu bringen. In Dresden kümmern wir uns vor allem um Menschen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit bleiben dürfen: aus dem Iran, Eritrea und Afghanistan. In den Arbeitsmarkt kommen sollen auch Asylbewerber, die schon sechs, sieben Jahre hier geduldet sind. Viele werden hier bleiben. Ein großes Problem ist aber, das Geld für die Sprachkurse zu bekommen.

Wenn es um Geld geht: Weshalb leistet sich die Bundesagentur Neubauten, obwohl die Arbeitslosigkeit schrumpft?

Für den neuen Landkreis Mittelsachsen haben wir eine Agentur in Freiberg eingerichtet – aber im Bau eines privaten Investors, mit einem Mietvertrag über zehn Jahre. Auch im Dresdner Neubau werden wir nur Mieter sein, das bisherige Gebäude hatte Defizite. Die privaten Investoren bauen in der Regel etwa 20 Prozent billiger als der Staat. Da sparen wir dauerhaft Millionen.

 

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