Frieden von Brest-Litowsk 

am 3. März 1918 

 

von Sowjetrussland und den Mittelmächten unterzeichnet.

 

Vorgeschichte: Anfang Dezember 1917 einigten sich deutsche, österreichische und russische Unterhändler in Brest-Litowsk am Bug darauf, vom 7. Dezember an zehn Tage lang die Kämpfe an der Ostfront einzustellen. Am 15. Dezember wurde der Waffenstillstand verlängert, damit über einen Friedensvertrag verhandelt werden konnte.

Trotzki hatte von Lenin den ausdrücklichen Auftrag erhalten, in Brest-Litowsk zu unterzeichnen. Statt dessen forderte Trotzki das europäische Proletariat mit flammenden Worten auf, sich zu erheben und seine Regierungen zu stürzen. Er sagte, die russische Armee werde weiter demobilisieren, aber er lehnte es ab, den Friedensvertrag zu unterzeichnen. Am 10. Februar 1918 verließ die russische Delegation Brest-Litowsk. Mitte Februar lief der vereinbarte Waffenstillstand aus, und am 18. Februar stießen die Mittelmächte weiter nach Osten vor. Mit der neu-gebildeten ukrainischen Regierung hatten die Mittelmächte bereits am 9. Februar 1918 einen Friedensvertrag geschlossen. Rote Garden, die am 20. Februar Kiew besetzten, wurden am 1. März von deutschen Truppen vertrieben. Schließlich unterzeichneten am 3. März 1918 die Beauftragten aus Berlin, Wien und Petrograd in Brest-Litowsk den Friedensvertrag.

Hauptbedingungen: Der Friedensvertrag umfasste insgesamt nur 14 Artikel [der Versailler Diktatfrieden vom 28. Juni 1919 dagegen 440]. Am wichtigsten waren:

 

Artikel III.
Die Gebiete, die westlich der zwischen den vertragschließenden Teilen vereinbarten Linie liegen und zu Russland gehört haben, werden der russischen Staatshoheit nicht mehr unterstehen; die vereinbarte Linie ergibt sich aus der diesem Friedensvertrag als wesentlicher Bestandteil beigefügten Karte (Anlage l). [Das bedeutete die Unabhängigkeit von Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Polen und der Ukraine]

 

 

Artikel VIII.
Die beiderseitigen Kriegsgefangenen werden in ihre Heimat entlassen. Die Regelung der hiermit zusammenhängenden Fragen erfolgt durch die im Artikel XII vorgesehenen Einzelverträge.

Artikel IX.
Die vertragschließenden Teile verzichten gegenseitig auf den Ersatz ihrer Kriegskosten, das heißt der staatlichen Aufwendungen für die Kriegführung, sowie auf den Ersatz der Kriegsschäden, d. h. derjenigen Schäden, die ihnen und ihren Angehörigen in den Kriegsgebieten durch militärische Maßnahmen mit Einschluss aller in Feindesland vorgenommenen Requisitionen entstanden sind.
  

Weitere Infos:    

Friedensvertrag zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn, Bulgarien und der Türkei einerseits und Rußland andererseits

3. März 1918

Da Deutschland, Österreich-Ungarn, Bulgarien und die Türkei einerseits und Rußland andererseits übereingekommen sind, den Kriegszustand zu beenden und die Friedensverhandlungen möglichst rasch zum Ziele zu führen, wurden zu Bevollmächtigten ernannt:

von der Kaiserlichen Deutschen Regierung;
der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Kaiserlicher Wirklicher Geheimer Rat Herr Richard von Kühlmann,
der Kaiserliche Gesandte und bevollmächtigte Minister, Herr Dr. von Rosenberg,
der Königlich Preußische Generalmajor Hoffmann, Chef des Generalstabs des Oberbefehlshabers Ost,
der Kapitän zur See Horn,

von der k. u. k. gemeinsamen österreichisch-ungarischen Regierung:
der Minister des Kais. und Kön. Hauses und des Äußern, Seiner k. u. k. Apostolischen Majestät Geheimer Rat, Ottokar Graf Czernin von und zu Chudenitz,
der Außerordentliche und Bevollmächtigte Botschafter, Seiner k. u. k. Apostolischen Majestät Geheimer Rat, Herr Kajetan Mérey von Kapos-Mére,
der General der Infanterie, Seiner k. u. k. Apostolischen Majestät Geheimer Rat, Herr Maximilian Csicserics von Bacsany,

von der Königlich Bulgarischen Regierung:
der Königliche Außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister in Wien, Andrea Toscheff,
der Oberst im Generalstabe, Königlich Bulgarischer Militärbevollmächtigter bei Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser und Flügeladjutant Seiner Majestät des Königs der Bulgaren, Peter Gantschew,
der Königlich Bulgarische Erste Legationssekretär, Dr. Theodor Anastassoff,

von der Kaiserlich Osmanischen Regierung:
Seine Hoheit Ibrahim Hakki Pascha, ehemaliger Großwesir, Mitglied des Ottomanischen Senats, bevollmächtigter Botschafter Seiner Majestät des Sultans in Berlin,
Seine Exzellenz, General der Kavallerie, Generaladjutant Seiner Majestät des Sultans und Militärbevollmächtigter Seiner Majestät des Sultans bei Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser, Zeki Pascha,

von der Russischen Föderativen Sowjets-Republik:
Grigorij Jakowlewitsch Sokolnikow, Mitglied des Zentralexekutivausschusses der Räte der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten,
Lew Michailowitsch Karachan, Mitglied des Zentralexekutivausschusses der Räte der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten,
Grigorij Wassiliewitsch Tschitscherin, Gehilfe des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten,
Grigorij Iwanowitsch Petrowskij, Volkskommissar für innere Angelegenheiten.

Die Bevollmächtigten sind in Brest-Litowsk zu den Friedensverhandlungen zusammengetreten und haben sich nach Vorlegung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten über folgende Bestimmungen geeinigt:

Artikel I.
Deutschland, Österreich-Ungarn, Bulgarien und die Türkei einerseits und Rußland andererseits erklären, daß der Kriegszustand zwischen ihnen beendet ist. Sie sind entschlossen, fortan in Frieden und Freundschaft miteinander zu leben.

Artikel II.
Die vertragschließenden Teile werden jede Agitation oder Propaganda gegen die Regierung oder die Staats- und Heereseinrichtungen des anderen Teiles unterlassen. Die Verpflichtung gilt, soweit sie Rußland obliegt, auch für die von den Mächten des Vierbundes besetzten Gebiete.

Artikel III.
Die Gebiete, die westlich der zwischen den vertragschließenden Teilen vereinbarten Linie liegen und zu Rußland gehört haben, werden der russischen Staatshoheit nicht mehr unterstehen; die vereinbarte Linie ergibt sich aus der diesem Friedensvertrag als wesentlicher Bestandteil beigefügten Karte (Anlage l). Die genaue Festlegung der Linie wird durch eine deutsch-russische Kommission erfolgen. Den in Rede stehenden Gebieten werden aus der ehemaligen Zugehörigkeit zu Rußland keinerlei Verpflichtungen gegenüber Rußland erwachsen.
Rußland verzichtet auf jede Einmischung in die inneren Verhältnisse dieser Gebiete. Deutschland und Österreich-Ungarn beabsichtigen, das künftige Schicksal dieser Gebiete im Benehmen mit deren Bevölkerung zu bestimmen.

Artikel IV.
Deutschland ist bereit, sobald der allgemeine Friede geschlossen und die russische Demobilmachung vollkommen durchgeführt ist, das Gebiet östlich der im Artikel III Absatz l bezeichneten Linie zu räumen, soweit nicht Artikel VI anders bestimmt.
Rußland wird alles in seinen Kräften stehende tun, um die alsbaldige Räumung der ostanatolischen Provinzen und ihre ordnungsmäßige Rückgabe an die Türkei sicher zu stellen.
Die Bezirke Erdehan, Kars und Batum werden gleichfalls ohne Verzug von den russischen Truppen geräumt. Rußland wird sich in die Neuordnung der staatsrechtlichen und völkerrechtlichen Verhältnisse dieser Bezirke nicht einmischen, sondern überläßt es der Bevölkerung dieser Bezirke, die Neuordnung im Einvernehmen mit den Nachbarstaaten, namentlich der Türkei, durchzuführen.

Artikel V.
Rußland wird die völlige Demobilmachung seines Heeres einschließlich der von der jetzigen Regierung neugebildeten Heeresteile unverzüglich durchführen.
Ferner wird Rußland seine Kriegsschiffe entweder in russische Häfen überführen und dort bis zum allgemeinen Friedensschluß belassen oder sofort desarmieren. Kriegsschiffe der mit den Mächten des Vierbundes im Kriegszustand verbleibenden Staaten werden, soweit sie sich im russischen Machtbereich befinden, wie russische Kriegsschiffe behandelt werden.
Das Sperrgebiet im Eismeer bleibt bis zum allgemeinen Friedensschluß bestehen. In der Ostsee und, soweit die russische Macht reicht, im Schwarzen Meere wird sofort mit der Wegräumung der Minen begonnen. Die Handelsschiffahrt in diesen Seegebieten ist frei und wird sofort wieder aufgenommen. Zur Festlegung der näheren Bestimmungen, namentlich zur Bekanntgabe der gefahrlosen Wege für die Handelsschiffe, werden gemischte Kommissionen eingesetzt. Die Schiffahrtswege sind dauernd von treibenden Minen freizuhalten.

Artikel VI.
Rußland verpflichtet sich, sofort Frieden mit der Ukrainischen Volksrepublik zu schließen und den Friedensvertrag zwischen diesem Staate und den Mächten des Vierbundes anzuerkennen. Das ukrainische Gebiet wird unverzüglich von den russischen Truppen und der russischen Roten Garde geräumt. Rußland stellt jede Agitation oder Propaganda gegen die Regierung oder die öffentlichen Einrichtungen der Ukrainischen Volksrepublik ein.
Estland und Livland werden gleichfalls ohne Verzug von den russischen Truppen und der russischen Roten Garde geräumt. Die Ostgrenze von Estland läuft im allgemeinen dem Narwa-Fluß entlang. Die Ostgrenze von Livland verläuft im allgemeinen durch den Peipus-See und Pskowschen See bis zu dessen Südwestecke, dann über den Lubanschen See in Richtung Liwenhof an der Düna. Estland und Livland werden von einer deutschen Polizeimacht besetzt, bis dort die Sicherheit durch eigene Landeseinrichtungen gewährleistet und die staatliche Ordnung hergestellt ist. Rußland wird alle verhafteten oder verschleppten Bewohner Estlands und Livlands sofort freilassen und gewährleistet die sichere Rücksendung aller verschleppten Estländer und Livländer.
Auch Finnland und die Aalandsinseln werden alsbald von den russischen Truppen und der russischen Roten Garde, die finnischen Häfen von der russischen Flotte und den russischen Seestreitkräften geräumt. Solange das Eis die Überführung der Kriegsschiffe in russische Häfen ausschließt, werden auf den Kriegsschiffen nur schwache Kommandos zurückbleiben. Rußland stellt jede Agitation oder Propaganda gegen die Regierung oder die öffentlichen Einrichtungen Finnlands ein.
Die auf den Aalandsinseln angelegten Befestigungen sind sobald als möglich zu entfernen. Über die dauernde Nichtbefestigung dieser Inseln sowie über ihre sonstige Behandlung in militärischer und schiffahrtstechnischer Hinsicht ist ein besonderes Abkommen zwischen Deutschland, Finnland, Rußland und Schweden zu treffen; es besteht Einverständnis darüber, daß hierzu auf Wunsch Deutschlands auch andere Anliegerstaaten der Ostsee hinzuzuziehen sein würden.

Artikel VII.
Von der Tatsache ausgehend, daß Persien und Afghanistan freie und unabhängige Staaten sind, verpflichten sich die vertragschließenden Teile, die politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit und die territoriale Unversehrtheit dieser Staaten zu achten.

Artikel VIII.
Die beiderseitigen Kriegsgefangenen werden in ihre Heimat entlassen. Die Regelung der hiermit zusammenhängenden Fragen erfolgt durch die im Artikel XII vorgesehenen Einzelverträge.

Artikel IX.
Die vertragschließenden Teile verzichten gegenseitig auf den Ersatz ihrer Kriegskosten, das heißt der staatlichen Aufwendungen für die Kriegführung, sowie auf den Ersatz der Kriegsschäden, d. h. derjenigen Schäden, die ihnen und ihren Angehörigen in den Kriegsgebieten durch militärische Maßnahmen mit Einschluß aller in Feindesland vorgenommenen Requisitionen entstanden sind.

Artikel X.
Die diplomatischen und konsularischen Beziehungen zwischen den vertragschließenden Teilen werden sofort nach der Ratifikation des Friedensvertrages wiederaufgenommen. Wegen Zulassung der beiderseitigen Konsuln bleiben besondere Vereinbarungen vorbehalten.

Artikel XI.
Für die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Mächten des Vierbundes und Rußland sind die in den Anlagen 2 bis 5 enthaltenen Bestimmungen maßgebend, und zwar Anlage 2 für die deutsch-russischen, Anlage 3 für die österreichisch-ungarischen-russischen, Anlage 4 für die bulgarisch-russischen, Anlage 5 für die türkisch-russischen Beziehungen.

Artikel XII.
Die Herstellung der öffentlichen und privaten Rechtsbeziehungen, der Austausch der Kriegsgefangenen und der Zivilinternierten, die Amnestiefrage sowie die Frage der Behandlung der in die Gewalt des Gegners geratenen Handelsschiffe werden in Einzelvertragen mit Rußland geregelt, welche einen wesentlichen Bestandteil des gegenwärtigen Friedensvertrages bilden und, soweit tunlich, gleichzeitig mit diesem in Kraft treten.

Artikel XIII.
Bei der Auslegung dieses Vertrages sind für die Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland der deutsche und der russische Text, für die Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Rußland der deutsche, der ungarische und der russische Text, für die Beziehungen zwischen Bulgarien und Rußland der bulgarische und der russische Text und für die Beziehungen zwischen der Türkei und Rußland der türkische und der russische Text maßgebend.

Artikel XIV.
Der gegenwärtige Friedensvertrag wird ratifiziert werden. Die Ratifikationsurkunden sollen tunlichst bald in Berlin ausgetauscht werden. Die russische Regierung verpflichtet sich, den Austausch der Ratifikationsurkunden auf Wunsch einer der Mächte des Vierbundes innerhalb von zwei Wochen vorzunehmen. Der Friedensvertrag tritt, soweit nicht seine Artikel, seine Anlagen oder die Zusatzverträge anders bestimmen, mit seiner Ratifikation in Kraft.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten diesen Vertrag eigenhändig unterzeichnet.
Ausgefertigt in fünffacher Urschrift in Brest-Litowsk am 3. März 1918.

R. v. Kühlmann, Bukarest, den 7. März 18.
v. Rosenberg
Hoffmann
Horn

Czernin, Bukarest, 7/III.18.
Mérey

А. Toscheff
Oberst Ja. Gantschew
D-r Theodor Anastassoff

I. Hakky
Zeki

Г. Сокольников
Л. Карахан
Г. Чичерин
Г. Петровский

Adolf Hitler schrieb zur Nicht-Vergleichbarkeit des Friedens von Brest-Litowsk und dem späteren Versailler Diktat in seinem Buch „Mein Kampf“:

Das war der Grund, weshalb ich schon nach meinem ersten Vortrag über den 'Friedensvertrag von Versailles', den ich noch als sogenannter Bildungsmensch vor der Truppe gehalten hatte, den Vortrag insofern änderte, als ich nunmehr über die 'Friedensverträge von Brest-Litowsk und Versailles' sprach. Denn ich konnte schon nach kürzester Zeit, ja schon im Verlauf der Aussprache über diesen meinen ersten Vortrag, feststellen, daß die Leute über den Friedensvertrag von Brest-Litowsk in Wirklichkeit gar nichts wußten, daß es aber der geschickten Propaganda ihrer Parteien gelungen war, gerade diesen Vertrag als einen der schändlichsten Vergewaltigungsakte der Welt hinzustellen. Der Beharrlichkeit, mit welcher der breiten Masse diese Lüge immer wieder vorgetragen wurde, war es zuzuschreiben, daß Millionen von Deutschen im Friedensvertrag von Versailles nur mehr eine gerechte Vergeltung für das zu Brest-Litowsk von uns begangene Verbrechen sahen, somit jeden wirklichen Kampf gegen Versailles als Unrecht empfanden und in manches Mal ehrlichster, sittlicher Entrüstung verblieben. 

Und dies war auch mit die Ursache, weshalb sich das ebenso unverschämte wie ungeheuerliche Wort 'Wiedergutmachung' in Deutschland einzubürgern vermochte. Diese verlogenste Heuchelei erschien Millionen unserer verhetzten Volksgenossen wirklich als Vollzug einer höheren Gerechtigkeit. Entsetzlich, aber es war so. Den besten Beweis dafür lieferte der Erfolg der nun von mir eingeleiteten Propaganda gegen den 'Friedensvertrag von Versailles', der ich eine Aufklärung über den Vertrag von Brest-Litowsk vorausschickte. Ich stellte die beiden Friedensverträge gegeneinander, verglich sie Punkt für Punkt, zeigte die in Wirklichkeit geradezu grenzenlose Humanität des einen Vertrages im Gegensatz zur unmenschlichen Grausamkeit des zweiten, und das Ergebnis war ein durchschlagendes.
  

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