Ludwig Quidde
* 23. März 1858 in
Bremen
† 4. März 1941 in
Genf
ABCD Deutscher Historiker,
Pazifist und Tierfreund. ABCD Im
Jahr 1898 gründete er gemeinsam mit seiner Frau Margarete, geb. Jacobson ,
den 'Münchener Verein gegen Vivisektion und sonstige Tierquälerei'. Erhielt 1927 den
Friedensnobelpreis. ABCD Quidde besuchte von 1869 bis 1876 das humanistische Alte Gymnasium in Bremen und machte 1876 Abitur. Ab 1877 studierte er Geschichte, Philosophie und Wirtschaftswissenschaften in Straßburg und Göttingen und wurde 1881 mit der Schrift
'König Sigmund und das Deutsche Reich von 1410 bis 1419' zum Doktor der Philosophie promoviert. Im selben Jahr griff er in den Berliner Antisemitismusstreit
ein. Quidde wurde nach der Promotion Mitarbeiter an der Edition der Reichstagsakten (Ältere Reihe), bei der die Reichstagsdokumente des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) von 1376 an bearbeitet wurden.
1882 heiratete Quidde die Musikerin und Schriftstellerin Margarethe
Jacobson. Nach dem Tod seines Vaters 1885 und der damit verbundenen umfangreichen Erbschaft stellte Quidde seine Habilitationsabsichten zugunsten der Reichstagsakten-Edition zurück und wurde 1887 zum außerordentlichen Mitglied der Historischen Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gewählt, im Herbst 1889 verantwortlicher Redakteur der Edition. 1888 begründete er als Herausgeber die Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft
(DZG) .
Im Herbst 1890 wurde Quidde zum leitenden Sekretär des Preußischen Historischen Instituts
nach Rom berufen und zum Professor ernannt. Doch bereits 1892 bat er um seine Entlassung, kehrte nach München zurück und wurde in die Historische Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften aufgenommen.
In München organisierte er 1893 auch den Ersten Deutschen Historikertag.
Mit einem Schlag bekannt wurde Quidde durch die im Frühjahr 1894 veröffentlichte kurze Studie
'Caligula – Eine Studie über römischen Cäsarenwahnsinn', die mit über 30 Auflagen zu einem der erfolgreichsten Pamphlete der wilhelminischen Ära wurde: Einem aufmerksamen Leser konnte kaum entgehen, dass es sich bei der vorgeblich althistorischen Untersuchung zugleich um eine Satire auf den damaligen Kaiser Wilhelm II.
handelte. Die Angelegenheit führte zum Abbruch von Quiddes wissenschaftlicher Laufbahn. Seine Ächtung als Historiker durch die deutschen Fachkollegen erzwang auch die Einstellung der DZG mit einem letzten Band für
1894/1895. Bald danach wurde er wegen der Äußerung, es sei eine „Lächerlichkeit und politische Unverschämtheit“, eine Gedenkmedaille auf Kaiser „Wilhelm den Großen“ zu stiften, der Majestätsbeleidigung angeklagt und zu einer dreimonatigen Haftstrafe in München-Stadelheim
verurteilt.
Quiddes Vermögen ermöglichte es ihm, sich ganz auf Politik und Pazifismus zu konzentrieren. Außerdem engagierte er sich im Kampf gegen die Vivisektion. Im Jahr 1898 gründete er gemeinsam mit seiner Frau Margarethe den „Münchener Verein gegen Vivisektion und sonstige Tierquälerei“. Gemeinsam mit ihr veröffentlichte er auch die Schrift Anleitung zur Verständigung über die Vivisektionsfrage. Zudem nahm Quidde an den internationalen Antivivisektions-Kongressen in Frankfurt am Main (1903), London (1909) und Zürich (1912)
teil. Bereits 1893 war er in die 1868 gegründete Deutsche Volkspartei (DtVP) eingetreten, die ihre Hochburgen vor allem in Süddeutschland
hatte. Sie setzte sich gegen die Nationalliberale Partei für föderale Strukturen im Deutschen Reich ein, stand in Opposition zur Vorherrschaft Preußens und engagierte sich für eine Stärkung des Parlaments und demokratischere Verhältnisse in Deutschland. Schon
1892 war Quidde der neugegründeten Deutschen Friedensgesellschaft (DFG) beigetreten.
Von 1894 bis 1900 war Quidde Herausgeber der Tageszeitung 'Münchner Freie
Presse'. 1895 wurde Quidde Vorsitzender des bayerischen Landesausschusses der
DtVP. 1907
wurde er erstmals in den bayerischen Landtag gewählt, wo er bis 1918 Abgeordneter blieb. Inzwischen hatte sich 1910 die DtVP
mit der Freisinnigen Volkspartei und der Freisinnigen Vereinigung zur 'Fortschrittlichen Volkspartei' zusammengeschlossen, woran Quidde nur widerstrebend
teilnahm.
1899 leitete Quidde die deutsche Delegation an den Weltfriedenskongressen. 1907 organisierte er den 16. Weltfriedenskongress in München. 1913 veröffentlichte er einen Entwurf zu einem internationalen Vertrage über Rüstungsstillstand anlässlich des 20. Weltfriedenskongresses in Den Haag. Im Mai 1914, kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges, wurde er zum Vorsitzenden der Deutschen Friedensgesellschaft gewählt und blieb
bis 1929 in diesem Amt. Quidde hielt sich zwischen Ende 1914 und 1918 häufig im neutralen Ausland auf, in den Niederlanden und später vor allem in der Schweiz, um die 1914 abgebrochenen Kontakte mit Pazifisten in anderen kriegführenden Staaten wiederherzustellen.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Quidde 1918 Vizepräsident des Provisorischen Bayerischen Nationalrates und 1919 Abgeordneter der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) in der Weimarer
Nationalversammlung. 1924 wurde Quidde wegen Landesverrats angeklagt und kurzzeitig
inhaftiert. 1927 erhielt er den Friedensnobelpreis gemeinsam mit dem französischen Pazifisten Ferdinand
Buisson, dem Mitgründer der Französischen Liga für
Menschenrechte. Das Preisgeld war für Quidde, der durch die Inflation verarmt war, eine
große Hilfe. Quidde, der nationale Verteidigungskriege, Demokratie und ein bürgerliches Wertesystem
verteidigte, verließ 1929 aus Protest gegen zunehmende Radikalisierung
den Vorstand der Deutschen Friedensgesellschaft und trat 1930 aus der DFG
aus.
Die DDP formierte sich 1930 zur Deutschen Staatspartei um, aus der Quidde zusammen mit anderen linksliberalen Mitgliedern
austrat. Nach der NS-Machtübernahme emigrierte Quidde im März 1933 in die Schweiz, wo er in den folgenden Jahren bis zu seinem Tod unter schwierigsten Verhältnissen in Genf lebte.
Neben seltenen Beiträgen für Schweizer Zeitungen übernahm er sogar Gartenarbeiten,
um zu existieren. Als er 1938 das achtzigste Lebensjahr vollendete und eine Sammlung rund 5400 Schweizer Franken aus Spenden erbrachte,
beglich Quidde mit dem Geld seine Schulden.
In seinem Schweizer Exil lebte Quidde mit seiner langjährigen Lebensgefährtin und ihre
gemeinsame Tochter zusammen. Nachdem er 1938 aus der Münchener Historischen Kommission und der Leitung der Reichstagsakten-Edition ausgeschlossen worden
war, wurde er 1940 in Deutschland offiziell ausgebürgert. Er hatte über
den Anschluss Österreichs 1938 geschrieben: " ... eine Bande von Verbrechern, Mördern, Räubern, Brandstiftern und (was vielleicht schlimmer als alles ist) bestialischen Folterknechten, dazu Lügnern und Heuchlern
[unternehmen] mit schamlosem Rechtsbruch dieses Land ... einzugliedern.“
ABCD
Weitere
Infos:
|