Der Winter ist vergangen

Der Winter ist vergangen
ich seh des Maien Schein,
Ich seh die Blümlein prangen
des ist mein Herz erfreut.
So fern in jenem Tale
Da ist gar lustig sein,
da singt Frau Nachtigalle
und manch Waldvögelein.

Ich geh', den Mai zu hauen
Hin durch das grüne Gras,
Schenk meinem Buhl die Treue,
Die mir die Liebste was [war].
Und bitt, daß sie mag kommen
All an dem Fenster stahn,
Empfang´n den Mai mit Blumen
Er ist gar wohl getan.

[Und als die Säuberliche 
sein Reden hatt gehört,
da stand sie Traurigliche
und sprach zu ihm ein Wort:
"Ich hab den Mai empfangen
mit großer Würdigkeit!"
Er küßt sie an die Wangen
war das nicht Ehrbarkeit?]

Er nahm sie sonder Trauern
In seine Arme blank,
Der Wächter auf den Mauern,
Hub an sein Lied und sang:
Ist jemand noch darinnen,
Der mag bald heimwärts gan!
Ich seh den Tag herdringen
Schon durch die Wolken klar.

Ach, Wächter auf der Mauern
Wie quälst du mich so hart!
Ich lieg in schweren Trauern,
Mein Herze leidet Schmerz.
Das macht die Allerliebste,
Von der ich scheiden muß,
Das klag ich Gott, dem Herrn,
Daß ich sie lassen muß.

Ade, mein Allerliebste,
Ade, schön Blümlein fein,
Ade schön Rosenblume,
Es muß geschieden sein.
Bis daß ich wiederkomme,
Bleibst du die Liebste mein.
Das Herz in meinem Leibe
Gehört ja allzeit dein.

Worte:
Anonym nach einer niederländischen Handschrift (1537) 
Weise: N
ach dem Lautenbuch des Johann F. Thysius ( um 1600 )  

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