„Christen muss man töten“, sagt der neunjährige Bub – als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Sein Klassenkamerad legt nach: „Die Toten von Charlie Hebdo haben das doch verdient.“ Verstörende Sätze, wie aus dem Mund eines Hasspredigers im Irak oder in Afghanistan.
Doch sie fallen an einer Grundschule, die überall in Deutschland sein könnte, in diesem Fall aber in Neu-Ulm steht. Beate Altmann
(oben rechts) ist Leiterin dieser Schule, die viele Kinder mit Migrationshintergrund besuchen. Gerade ist Pause, aus ihrem Bürofenster blickt sie auf den Schulhof, wo etwa 220 Kinder aus 22 Nationen ausgelassen miteinander spielen. Es geht lebhaft zu, fröhlich. Doch wenn die Rektorin, eine zierliche Frau mit roten Locken, erzählt, was manche ihrer Schüler im Unterricht sagen, offenbar glauben, ringt sie um Fassung. Lehrerinnen der „Grundschule Stadtmitte“ haben es genau aufgeschrieben, jeden Satz. Blanker Hass aus Kindermund.
Es ist Mitte Januar, nach den islamistisch motivierten Anschlägen von Paris, bei denen 17 Menschen getötet worden sind. Eine Lehrerin will im Unterricht über die Ereignisse diskutieren, über die auch viele Schüler reden. Die Pädagogin ist Klassenleiterin und gibt zudem Ethik-Unterricht in der vierten Jahrgangsstufe. Das Gespräch geht in eine Richtung, die sie nicht erwartet hat. Neun- und zehnjährige Mädchen und Buben muslimischen Glaubens erzählen ganz selbstverständlich, dass „Du Christ“ für sie eine schlimme Beleidigung ist. Dass „Jude“ ein noch übleres Schimpfwort sei. Ein Kind sagt, völlig unbekümmert, dass „Juden auf der Stufe von Schweinen stehen“.
Die Notizen, die sich die Lehrerin gemacht hat, zeigen nur die Spitze des Eisbergs. In intensiven Gesprächen habe sich herausgestellt, dass Kinder, die viel Zeit in bestimmten Moscheen oder Gebetsräumen verbringen, von muslimischen Geistlichen offenbar so indoktriniert sind, „dass sie keiner anderen Religion gegenüber Respekt oder Wertschätzung zollen dürfen“. So steht es in einem schulinternen Protokoll, das unserer Zeitung vorliegt. Dass diese Sprüche im Ethik-Unterricht fallen, mag überraschen, ist aber wohl kein Zufall. An der Schule gibt es auch das Fach Islamische Unterweisung, ganz offiziell, so wie katholische oder evangelische Religionslehre, und eben den Ethik-Unterricht.
Islam-Lehrer: Radikales Gedankengut kommt wohl aus Koranschulen
Islam-Lehrer ist Selahattin Sögüt, ein Mann mit kräftiger Stimme, grauem Bart und warmen Augen. Er wurde offiziell vom türkischen Konsulat bestellt. An der Schule ist es ein offenes Geheimnis, dass Eltern, denen die Islam-Auslegung in Sögüts Unterricht „zu weltlich, zu lax, zu tolerant“ ist, ihre Kinder lieber in den Ethik-Unterricht schicken. „Die schrecklichen Sätze mancher muslimischer Kinder machen mich wütend“, sagt Sögüt. „Das steht nicht im Koran.“ Er zeigt Arbeitsblätter, auf denen es um Unterschiede, vor allem aber auch um Gemeinsamkeiten der Weltreligionen geht. „Der Islam respektiert andere Religionen, es ist verboten, Menschen zu töten“, betont Sögüt. Das radikale Gedankengut komme offenbar aus Koranschulen, die viele Schüler nachmittags, am Wochenende oder in den Ferien besuchen.
Die hasserfüllten Aussagen in den Gesprächen nach den Charlie Hebdo-Anschlägen sorgen im Lehrerzimmer für einen Schock. Wie soll mit der Sache umgegangen werden? Die Pädagogen wissen, dass das Thema alle Möglichkeiten bietet, in die Kritik zu geraten, sich Ärger einzuhandeln. Doch es gibt niemanden, der die Diskussionen mit den Schülern nun stillschweigend abbrechen will. Den Kopf in den Sand stecken, das geht nicht, entscheidet das Kollegium im Januar.
Das Thema „Religion und Toleranz“ wird in der Folge in allen vierten Klassen behandelt. Es gibt zum Beispiel ein Arbeitsblatt, auf dem die Kinder die Symbole der Weltreligionen malen sollen. Doch manche weigern sich. Die Begründung: „Man kommt in die Hölle, wenn man das Kreuz der Christen anschaut oder malt.“ Andere lehnen es rundweg ab, über andere Religionen auch nur zu sprechen. Ein Schüler fürchtet, dass er schon allein durch das Gespräch über das Christentum von Allah verstoßen, ja in die Hölle kommen werde. Und mit Christenkindern dürfe man niemals spielen. Es gibt auch Aussagen, die das Verhältnis von Frau und Mann betreffen. „Männer sind grundsätzlich die Chefs“, heißt es, und dass „Jungs wichtiger sind als Mädchen“.
Schulleiterin Altmann will gegen Radikalisierung kämpfen
Schulleiterin Beate Altmann ist noch immer erschüttert von Sätzen wie diesen, will nicht zur Tagesordnung übergehen. Schließlich geht es um den Frieden an der Schule, vielleicht in der ganzen Gesellschaft, um die Zukunft der Kinder. Altmann ist bei Schülern, Eltern und Kollegen bekannt dafür, dass sie sich mit Leidenschaft für jedes einzelne Kind einsetzt. Während eines Gesprächs mit unserer Zeitung klopft es an ihrer Bürotür. Zwei Teenager mit Migrationshintergrund, die die Grundschule schon vor Jahren verlassen haben, stehen da. „Wir wollten Sie einfach mal wieder besuchen.“ Die Rektorin erinnert sich sofort an ihre Namen, drückt die Mädchen kurz, bittet sie auf eine Tasse Tee herein.
Die Schulleiterin ist eine herzliche Frau. Doch vielleicht hat sie auch so einen guten Draht zu ihren Schülern, weil sie sehr energisch sein kann, wenn es darauf ankommt. Wenn sie etwa einen türkischen Vater einlädt, um ihn zu fragen, warum seine in Deutschland geborenen Kinder kaum ein Wort Deutsch sprechen. Wenn dieser Vater dann ohne anzuklopfen und grußlos in ihr Zimmer stürmt und sie anblafft, wo denn der Chef sei, dann weist sie ihn sehr bestimmt darauf hin, dass sie hier der Chef ist. Und er bitte wieder hinausgehen und anklopfen soll. Und wenn er hereingebeten wird, erst einmal grüßen. Sie strahlt die Autorität aus, dass der Mann das dann auch macht.
Es sei längst nicht die Mehrzahl der muslimischen Kinder, die mit problematischen Äußerungen auffällt, sagt Altmann. „Es sind aber auch zu viele, um von Einzelfällen zu sprechen.“ Von rund zehn Kindern sind Aussagen belegt, die Erwachsene vor den Richter bringen könnten. Und niemand wisse, wie viele den Parolen stillschweigend zustimmen. Die Lehrer an der Neu-Ulmer Schule wollen in der Folge wissen, woher die Hass-Sätze stammen, sie haken bei den Schülern nach. Es stellt sich heraus: vor allem aus den Koranschulen, die viele Kinder nach der Schule besuchen. Besonders viele und besonders heftige Aussagen kommen nach Angaben der Rektorin von Schülern, die regelmäßig am Wochenende für mehrere Stunden in einer bestimmten Moschee im Stadtteil Schwaighofen „unterrichtet“ werden.
Neu-Ulmer Polizei nimmt Ermittlungen auf
Diese Moschee gehört dem Verband Islamischer Kulturzentren (VIKZ) an, einem der größten muslimischen Dachverbände in Deutschland. In Neu-Ulm war der VIKZ vor Jahren mit seinem Vorhaben gescheitert, ein Internat einzurichten. Anderswo war er erfolgreich, im Kreis Ravensburg etwa. Auch Mädchen, die in Neu-Ulm auf der Grundschule waren, besuchen Beate Altmann zufolge solche Internate mit Realschule und Gymnasium. Wenn sie die heute treffe, erkenne sie sie kaum wieder: „Aus fröhlichen Kindern sind ernste, verschlossene junge Frauen mit Kopftuch geworden.“
Der Neu-Ulmer VIKZ-Ableger ist laut der Verbands-Internetseite der „Verein für Integration mit Bildung und Kultur“, der in Neu-Ulm-Schwaighofen eine Moschee mit Koranschule betreibt. Auf Anfrage sagt Vereinsvorsitzender Kenan Adiguzel lediglich, er habe „keine Ahnung“, wie Kinder, die diese Koranschule besuchen, auf die bedenklichen Aussagen kommen.
Möglicherweise haben die Geistlichen in den fraglichen Moscheen Wind von der Diskussion an der Grundschule bekommen. Denn inzwischen geben sich nach Auskunft von Beate Altmann gerade jene Kinder auffallend verschlossen, die zuvor durch Christen- oder Judenfeindliche Äußerungen aufgefallen sind. Oder sie antworten auf entsprechende Fragen plötzlich ganz anders, als noch Tage zuvor. „Alle Religionen sind wichtig“, sei etwa so ein Satz, der immer wieder falle, der für die Lehrer dann wie eine Formel klingt, wie auswendig gelernt.
Die Kriminalpolizei hat inzwischen Kenntnis von den Vorgängen an der Schule. Sie interessiert sich dafür, wessen Hassparolen die Kinder da nachgeplappert haben. Ein Polizeisprecher sagt: „Wir nehmen die Sache sehr ernst, können derzeit aber keine weiteren Angaben machen.“ Auf die leichte Schulter nimmt das Thema gerade in Neu-Ulm niemand. Die Stadt war jahrelang als Islamisten-Hochburg bekannt. Nach der Schließung des berüchtigten „Multikulturhauses“, in dem sich Hassprediger die Klinke in die Hand gaben, schien es zuletzt etwas ruhiger geworden zu sein in Sachen Islamismus.
Neu-Ulmer Grundschule: Projekttag und Prävention gegen Extremismus
Nach Informationen unserer Zeitung gibt es derzeit an einer weiteren Schule in Neu-Ulm einen Vorgang, der die Polizei beschäftigt. An einer weiterführenden Lehranstalt soll ein junger Mann aufgefallen sein, der offenbar damit prahlt, bald nach Syrien oder in den Irak zu gehen, um für die Sache der Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu kämpfen, dort „Ungläubige“ zu töten.
Der noch nicht ganz volljährige Bursche versuche, auch Mitschüler von seinen Ideen zu überzeugen. Die Polizei bestätigt auf Anfrage, dass ein entsprechender Hinweis vorliegt. „Gesetzlich gibt es dagegen wenig Handhabe“, sagt ein Kenner des Falls, der auf Behördenseite mit der Sache befasst ist. Und dass sich eine islamistische Einstellung bei Heranwachsenden noch ändern lässt, daran hat der Experte erhebliche Zweifel: „Dies müsste deutlich früher ansetzen.“
Genau das wollen Rektorin Altmann, Islam-Lehrer Sögüt und ihre Kollegen an der Neu-Ulmer Grundschule tun. Gerade haben sie zusammen mit dem Elternbeirat, in dem viele Muslime sitzen, einen Brief an alle Eltern verfasst, der in acht Sprachen übersetzt wurde. Darin heißt es unter anderem: „An unserer Grundschule gibt es keinen Raum für Rassismus, Extremismus und Gewalt... Wir respektieren und tolerieren alle Religionen und erwarten aber auch von allen Respekt und Wertschätzung.“
Bald gibt es einen Projekttag, bei dem ein Imam, der als gemäßigt gilt, sein Verständnis des Korans darlegt. Gemeinsam sollen alle Kinder örtliche Moscheen und Kirchen besichtigen, mit Imamen und Pfarrern sprechen. Ebenso ist ein Besuch der KZ-Gedenkstätte in Dachau geplant. „Um zu zeigen, wo Hass und Intoleranz hinführen“, sagt Beate Altmann. Und: „Wir werden weiter gegen Hetzparolen und um jedes einzelne Kind kämpfen.“
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