Graf
Ehrenfried Walther von Tschirnhaus
* 10. April 1651 in Kieslingswalde bei Görlitz
† 11. Oktober 1708 in
Dresden
Deutscher Naturforscher (Didaktiker, Mathematiker, Mineraloge, Philosoph, Physiker, Techniker, Vulkanologe).
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Tschirnhaus wurde als siebtes Kind, drei Jahre nach der Beendigung des Dreißigjährigen Krieges, in der Markgrafschaft Oberlausitz geboren. Seine Mutter war Elisabeth Eleonore Freiin Achil von Stirling, sein Vater der kurfürstlich-sächsische Rat Christoph von Tschirnhaus. Nach dem Tod der Mutter 1657 wurde er von der Stiefmutter großgezogen.
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Tschirnhaus wuchs in der von zahlreichen protestantischen Glaubensflüchtlingen aus Böhmen und Mähren geprägten Oberlausitz auf. Die unter den Kriegsfolgen leidende Region gehörte trotz der Verluste von etwa zwei Dritteln der Einwohner zu den Regionen mit der höchsten Bevölkerungsdichte in
Kursachsen. 1623 war diese vom Kaiser Ferdinand II.
an den verbündeten protestantischen Kurfürsten Johann Georg I.
verpfändet und 1635 an Kursachsen angegliedert worden.
Tschirnhaus erhielt durch Hauslehrer eine
naturwissenschaftliche Ausbildung. Er besuchte die Schule in Lauban und das Gymnasium der Stadt Görlitz.
Im Juni 1669 schrieb sich Tschirnhaus an der Universität Leiden zum Studium der Rechtswissenschaften ein. Das Hauptinteresse galt jedoch der Mathematik, der Philosophie und der
Physik. Auch wurde er in die Lehren von René Descartes
eingeführt, dessen Anhänger Tschirnhaus sein Leben lang
blieb. Ab 1672 nahm Tschirnhaus wie viele seiner
Mitstudenten für eineinhalb Jahre an der Seite des späteren englischen Königs Wilhelm III. von Oranien-Nassau
gegen den von Frankreich vorbereiteten und von England unterstützten Holländischen Krieg
teil .
1674 beendete er sein Studium und kehrte kurz nach Kieslingswalde zurück.
Nach Rückkehr in die Niederlande knüpfte Tschirnhaus an die während des Studiums geschlossenen Kontakte zu dem in Den Haag lebenden Baruch de Spinoza
an. 1675 reiste er für drei Monate nach London, wo er in Kontakt mit der
'Royal Society' kam. Danach reiste er nach Paris, wo er auf Gottfried Wilhelm Leibniz
und Christiaan Huygens
traf.
Tschirnhaus arbeitete dort zeitweise als Hauslehrer Colberts ,
des Sekretärs der Akademie. Er unterrichtete Colberts Söhne. Tschirnhaus
arbeitete an Problemen der Geometrie und der Zahlentheorie, war jedoch nicht gewillt, sich der von Leibniz entwickelten Infinitesimalrechnung
anzuschließen. In den folgenden Jahren unterliefen Tschirnhaus Fehler, die seine mathematischen Arbeiten diskreditierten.
Neben Holland, England und Frankreich bereiste Tschirnhaus im Gefolge des schlesischen Grafen
Nimptsch , die Staaten im Norden Italiens,
Neapel, Sizilien und Malta sowie die Schweizer Kantone.
Von Paris aus, wo er erstmals an Schmelzversuchen, die mit Brennspiegeln durchgeführt wurden teilnahm, reiste Tschirnhaus zum Konstrukteur dieser Instrumente, François Villette
,
nach Lyon. Über Turin führte schließlich seine Reise nach Mailand zu Manfredo Settala
und dessen Sammlung von Instrumenten, zu der ein Brennspiegel von 119 cm Durchmesser gehörte.
Über Venedig und Bologna reiste er weiter nach Rom. Hier traf er 1677 Giovanni Alfonso
Borelli, einen Experten in Schleiftechniken. Im April 1677 erreichte Tschirnhaus Neapel. Nach Studien am Vesuv setzte er die Reise über Palermo fort, um am Ätna und auf den Liparischen Inseln am Stromboli Untersuchungen zur Vulkanologie und dem vulkanischen Gestein Obsidian zu betreiben.
Über Malta, Mailand und Genf traf Tschirnhaus 1679 wieder in Paris ein. Hier
erlebte die Wirkungsweise eines weiteren großen Brennspiegels Villettes.
Im Oktober 1679 war er wieder in Kieslingswalde.
Ab 1679 arbeitete Tschirnhaus hier zusammen mit dem Mechaniker Johann Hoffmann am Bau von Brennspiegeln. Tschirnhaus vereinfachte die Herstellung der bislang aus Metalllegierungen gegossenen Spiegel.
Mit den Gewinnen aus dem Verkauf dieser Instrumente hoffte er, zukünftige Forschungen und die Gründung einer naturwissenschaftlich-technischen Akademie in Kieslingswalde zu finanzieren.
Tschirnhaus heiratete 1682 Elisabeth Eleonore von Lest. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor. Mit dem Tod
seines Vaters übernahm Tschirnhaus 1684 die Verwaltung des Gutsbesitzes, die er jedoch fast ganz seiner Frau überließ, während er sich wissenschaftlichen Arbeiten widmete. Die Ernennung zum Kanzler der neu zu gründenden Universität Halle
(Saale) schlug Tschirnhaus ebenso aus wie die Mitwirkung am Aufbau von Manufakturen des Landgrafen Karl von
Hessen-Kassel .
1687 fanden die Arbeiten an Spiegelapparaten zunächst ihren Abschluss. Das
Ziel wirtschaftlicher Unabhängigkeit erfüllte sich nicht. Die Instrumente fanden Verwendung in optischen, akustischen, medizinischen und materialtechnischen Experimenten. Darüber fanden sie als Sammelobjekte Eingang in die Kunstkammern europäischer Fürstenhöfe. Seine Brennspiegel und -gläser waren wesentlich für die folgenden
Vorarbeiten zur Porzellanherstellung, da er mit ihnen die erforderlichen hohen Temperaturen von 1400 °C erreichen konnte.
Seit dem 13. Jahrhundert gelangten chinesische und japanische Porzellane nach Europa, im 17. Jahrhundert fast ausschließlich über Holland. Der wirtschaftliche Erfolg
dieser Importe der 'Vereenigde Oostindische Compagnie'
lag auf der Hand. Die bisher in Europa entwickelten Surrogate entstanden
im Zusammenhang mit der Glas- oder als Fayenceproduktion. Tschirnhaus konzentrierte sich ab 1687 auf die Entwicklung größerer gläserner Brennlinsen. Eine Voraussetzung dafür war die Herstellung großer
qualitativ hochwertiger Glasstücke. Die Arbeiten erfolgten unter Mitwirkung
eines Chemikers. 1692 bis 1697 standen für die Forschungsarbeiten in Kieslingswalde drei Glashütten und eine Schleifmühle zur Verfügung.
Tschirnhaus veröffentlichte 1691 in der in Leipzig erscheinenden wissenschaftlichen Zeitschrift
'Acta Eruditorum' Ergebnisse der neuen Glasgussmethode und beschrieb die Wirkung der Brenngläser. 1692 trat Tschirnhaus in den Dienst von
Kurfürst Johann Georg IV . Auch der Regierungsantritt des Bruders von Johann Georg, Kurfürst Friedrich August (August der Starke)
im Jahre 1694 hatte anfangs keine größeren Änderung am Status von Tschirnhaus zur Folge. Er wurde zum Kgl. Polnischen
und Kurfürstl. Sächsischen Rath und Leiter der kurfürstlichen Laboratorien ernannt und trat in die Nachfolge des Alchimisten und Glasmachers Johann
Kunckel .
Mit August dem Starken war Kursachsen 1696 durch den Erwerb der Krone der polnisch-litauischen Adelsrepublik in den Rang eines Königreiches aufgestiegen.
1693 verlor Tschirnhaus seine Ehefrau, mit der er fünf Kinder hatte, und einen Sohn. 1693
begannen Schmelzversuche geschlemmter Ton- und Lehmarten. Ab 1696 bemühte sich Tschirnhaus bei August
dem Starken um Mittel für den Aufbau von Glashütten und einer Porzellanmanufaktur. Während dieser Zeit wurde Tschirnhaus mit der Untersuchung und Bestandsaufnahme sächsischer Mineralien
beauftragt, zusätzlich mit der Leitung der Ostrahütte in Dresden und der Glashütte in Glücksburg nahe Wittenberg.
Im Winter 1701 reiste Tschirnhaus über Holland nach Paris. Die Reise diente dem Absatz von Produkten der sächsischen Manufakturen.
Tschirnhaus besuchte dabei Fayencemanufakturen in Delft, deren Erzeugnisse als porceleyne
bezeichnet wurden. Über die 'Manufacture Saint-Cloud' führte sein Weg nach Paris.
Dort war es 1670 Pierre Chicaneau
gelungen, Weichporzellan herzustellen, das zur Dekoration in Versailles
verwendet wurde. Im. Februar 1702 kehrte Tschirnhaus nach Kursachsen zurück. Vier Tage darauf vermählt er sich mit Elisabeth von der Schulenburg zu Mühlbach.
Johann Friedrich Böttger
war 1701 von Berlin nach Wittenberg geflohen und von hier, nach einem Auslieferungsgesuch von König Friedrich I. in Preußen
, durch August
den Starken nach Dresden gebracht
worden, um als Alchimist Gold herzustellen. Wahrscheinlich begegneten sich
Tschirnhaus und Böttger erstmals März 1702. Im Jahr 1703 floh Böttger nach Österreich. Der anschließenden Auslieferung folgte die Inhaftierung auf dem Königstein.
Tschirnhaus drängte die sächsische Regierung zur Gründung einer Porzellanmanufaktur. Böttgers Aufmerksamkeit
wurde durch Tschirnhaus von seinen fruchtlosen Bemühungen Gold durch Transmution herzustellen, auf keramische Experimente gelenkt. 1704 wurden Tschirnhaus und
der Freiberger Bergmann Gottfried Pabst von Ohain
mit der Beaufsichtigung der Arbeiten Böttgers in Dresden betraut. Diese wurden 1705 auf der Albrechtsburg in Meißen fortgesetzt.
Böttgers Versuche dienten jetzt gezielt der Porzellanerfindung. ABCD
Den dreien gelang 1705
die Herstellung von ziegelrotem Steinzeug, dem Jaspisporzellan, das als Böttgersteinzeug bekannt
wurde. August der Starke errichtete auf der Jungfernbastei für Tschirnhaus ein Forschungslabor, damit dieser seine Porzellanversuche fortsetzen
konnte. Im Dezember 1707 führte Böttger August dem Starken ein fertig gebranntes Teekännchen aus Porzellan vor, das „mit Bey Hülffe des Herrn von Zschirnhausen“ fertiggestellt wurde.
Ab diesem Zeitpunkt wurden die Forschungen in drei getrennten Laboren fortgesetzt. Böttger verblieb in Meißen, während Tschirnhaus im sogenannten Dresdner Goldhaus, dem für Böttger eingerichteten Labor zur Goldherstellung im Residenzschloss, arbeitete und Ohain im Pragerschen Vorwerk in Freiberg.
Erstes Ergebnis dieser Arbeiten war die Verbesserung der Ofentechnologie unter der Leitung des Bergrates
Ohain. Öfen für die der Porzellanherstellung mussten höhere Temperaturen erzeugen und diesen standhalten. An dieser Entwicklung waren ab 1706 die Freiberger Hüttenleute
beteiligt. ABCD
Damit war ein weiterer Schritt zur Entwicklung des ersten europäischen Hartporzellans geglückt. Aufgrund der Besetzung von Kursachsen und Belagerung Dresdens durch schwedische Truppen wurde Böttger von Meißen erneut für ein Jahr auf die Festung Königstein verbracht. Nach dem Abzug Karls XII.
im Herbst 1707 fanden die Versuche in einem in den Gewölben der nördlichen Befestigungsanlagen Dresdens, der Jungfernbastei, neu eingerichteten Laboratorium ihre Fortsetzung. Ende Dezember 1707 gelang Böttger mit
Hilfe von Tschirnhaus erstmals die Herstellung eines Gefäßes aus Hartporzellan. Im selben Jahr starb die zweite Ehefrau von
Tschirnhaus. ABCD
Neben der Materialzusammensetzung war die Kenntnis des Sinterungsprozesses und deren sichere Beherrschung Voraussetzung zur Herstellung von Porzellan. Erst dadurch konnte man an eine serielle Fertigung denken. August
der Starke ernannte Tschirnhaus
1708 zum Geheimen Rat und Direktor der zu gründenden Manufaktur. Am 11. Oktober 1708 starb Tschirnhaus
jedoch an den Folgen der Ruhr in Dresden. Er wurde vier Tage später in der Kirche von Kieslingswalde beigesetzt.
1710 nahm die Porzellanmanufaktur Meißen ihren Betrieb auf. ABCD
Die Geschichte der Nacherfindung des Porzellans bzw. der Erfindung des europäischen Hartporzellans ist vielfach dargestellt und
der Anteil Tschirnhaus' daran festgeschrieben worden. Die Erfindung wurde über einen längeren Zeitraum hinweg
in einer Gemeinschaftsarbeit mit ausgeprägter Arbeitsteilung vorbereitet,
an der neben Böttger vor allem Tschirnhaus und Pabst von Ohain, aber auch
viele andere verdienstvollen Männer Teil hatten.
Tschirnhaus geriet jedoch bald in Vergessenheit. Tschirnhaus' Leistungen
bei der Porzellanerfindung:
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Tschirnhaus führte ab 1693/94 systematische Versuche zum Porzellan
durch und übersendet Leibniz 1694 ein noch nicht brauchbares Probestück.
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1696 stimmte August der Starke grundsätzlich der Gründung einer Porzellanmanufaktur zu; Tschirnhaus erhält den Auftrag, Sachsen nach Bodenschätzen abzusuchen.
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1699
wird von Tschirnhaus berichtet, dieser produziere "weiße unglasierte Gefäßgen" in Kießlingswalde.
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1701/02 reiste Tschirnhaus durch Westeuropa und besichtigte verschiedene Manufakturen, die Porzellansurrogate
produzierten.
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1702/05 arbeitete das "Contubernium", ein offiziell zur Beaufsichtigung, Betreuung und Begutachtung der Arbeiten Böttgers eingesetztes Kollegium. Diesem gehörte Tschirnhaus an.
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1704/05
wurde alles zur Nutzung von Böttgers Gold geregelt. Tschirnhaus
jedoch glaubte nicht an die Transmutation der Metalle, verwendete jedoch
Böttgers Experimentiergelegenheiten.
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Im
Mai 1706 wurden auf der Albrechtsburg Meißen neue feuerfeste Tiegel für weitere Transmutationsexperimente hergestellt. Diese Tiegel erwiesen sich als Rotes Porzellan.
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Aus dieser Erkenntnis erwuchsen neue Ideen für die Herstellung des
Weißen Porzellans. Tschirnhaus entwarf ein neues Konzept, die Goldmacherei endgültig fallen zu lassen und sich ganz der Porzellanherstellung zu widmen. Auch Böttger
dachte um (auf dem Königstein während des Schwedeneinfalls 1706/07).
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Im Oktober/November 1707
wurden auf der Jungfernbastei Dresden in dem neu eingerichteten Gold- und Keramik- Labor umfangreiche Versuchsreihen durchgeführt, in deren Ergebnis das
Rezept des Hartporzellans gefunden und dem König vorgeführt wurde.
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Es
folgte die Gründung der ersten beiden Porzellanmanufakturen in Dresden. Böttger
wurde mit deren Leitung unter der Regie von Tschirnhaus beauftragt. Pabst von Ohain leitete die systematische Suche nach der weißen Erde
(Kaolin), die Mitte 1708 gefunden wurde.
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Die Porzellanproduktion konnte aufgebaut werden.
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Infos:
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