Marcel Reich-Ranicki wurde am 2. Juni neunzig Jahre. Am kommenden Sonntag
soll er in der Frankfurter Paulskirche mit der Börne-Medaille
ausgezeichnet werden. Harald Schmidt wird Brecht-Lieder singen, Thomas Gottschalk eine
Lobrede halten: „Er ist ein Geschenk des Himmels.“
Reich-Ranickis Verhältnis zu Deutschland und den Deutschen ist ein prekäres.
Im Februar 1945 wurde Marceli Reich (Foto), der sich später Marcel Reich-Ranicki nannte, von der kommunistischen polnischen Regierung in Lublin nach Kattowitz in Oberschlesien geschickt, um dort unter Leitung des sowjetischen NKWD die Sicherheitsbehörde 'UB' aufzubauen. Eine Hauptaufgabe des UB war, die Deutschen in Konzentrationslager einzuweisen oder sie sofort zur Zwangsarbeit nach Sibirien und in die Ukraine zu schicken, von denen die meisten nie zurückkehrten. Seine Frau Teofila Reich war zu gleicher Zeit in ähnlicher Funktion beim 'UB' in Mittelschlesien tätig.
Danach wurde er als Konsul nach London geschickt und arbeitete für den polnischen Geheimdienst – ohne, so betont er, je jemandem geschadet zu haben.
Seit 1958 lebt Reich-Ranicki in Deutschland, er ist misstrauisch geblieben, man kann es ihm nicht verdenken.