Samstag, 28. August 2010

 

Geflügelte Worte (Oswald Spengler)

"
Was ist Wahrheit? Für die Menge das, was man ständig liest und hört. Mag ein armer Tropf irgendwo sitzen und Gründe sammeln, um »die Wahrheit« festzustellen – es bleibt seine Wahrheit. Die andre, die öffentliche des Augenblicks, auf die es in der Tatsachenwelt der Wirkungen und Erfolge allein ankommt, ist heute ein Produkt der Presse. Was sie will, ist wahr. Ihre Befehlshaber erzeugen, verwandeln, vertauschen Wahrheiten. Drei Wochen Pressearbeit, und alle Welt hat die Wahrheit erkannt. Ihre Gründe sind so lange unwiderleglich, als Geld vorhanden ist, um sie ununterbrochen zu wiederholen....   Ihre Gründe sind widerlegt, sobald die größere Geldmacht* sich bei den Gegengründen befindet und sie noch häufiger vor aller Ohren und Augen bringt. ... Jedermann überzeugt sich sofort von der neuen Wahrheit. Man ist plötzlich aus einem Irrtum erwacht.

... im Hintergrunde bekämpfen* sich ungesehen die neuen Mächte, indem sie die Presse kaufen. Ohne daß der Leser es merkt, wechselt die Zeitung und damit er selbst den Gebieter. Das Geld triumphiert auch hier und zwingt die freien Geister in seinen Dienst. Kein Tierbändiger hat seine Meute besser in der Gewalt. Man läßt das Volk als Lesermasse los, und es stürmt durch die Straßen, wirft sich auf das bezeichnete Ziel, droht und schlägt Fenster ein. Ein Wink an den Pressestab und es wird still und geht nach Hause. ... Der Leser weiß nichts von dem, was man mit ihm vor hat, und soll es auch nicht, und er soll auch nicht wissen, welch eine Rolle er damit spielt. 

... es ist jedem erlaubt zu sagen, was er will*; aber es steht der Presse frei, davon Kenntnis zu nehmen oder nicht. Sie kann jede »Wahrheit« zum Tode verurteilen, indem sie ihre Vermittlung an die Welt nicht übernimmt, eine furchtbare Zensur des Schweigens, die um so all mächtiger ist, als die Sklavenmasse der Zeitungsleser ihr Vorhandensein gar nicht bemerkt. ... An Stelle der Scheiterhaufen tritt das große Schweigen." 

Aus: Der Untergang des Abendlandes von Oswald Spengler , München: C. H. Beck, 1922 [* überholt]

Quelle: Internet   

Weitere Infos:     
 

*             *             *             *            *

nach oben

 

Ihr Kommentar / Leave a comment

Bitte füllen Sie alle mit * markierten Felder aus (Pflichtfelder)
Please fill out the boxes marked  with an asterisk *
Ihr Kommentar* / 
Your comment*
(Restzeichen: 1000)
Ihr Name im Internet* /
Your Internet name*
Ihre E-Mail-Adresse* /
Your email address*
    

nach oben