Heinrich Ottenjann, Cloppenburger Ehrenbürger
Heinrich Ottenjann, Cloppenburger Ehrenbürger
Cloppenburg - Ohne das Museumsdorf
ist Cloppenburg nicht vorstellbar. „Wir haben ein Dorf mitten in der Stadt“, betont Dulli-Bürgermeister Dr. Wolfgang Wiese immer wieder. Er sieht die große kulturtouristische Bedeutung, die das Niedersächsische Freilichtmuseum für Cloppenburg hat. Zu verdanken hat sie sie dem promovierten Studienrat Dr. Heinrich Ottenjann (oben). Ottenjann wäre am Sonnabend, 19. Februar, 125 Jahre alt geworden.
Heinrich Ottenjann wurde am 19. Februar 1886 als Sohn des Tischlermeisters Johann Ottenjann in Greven in Westfalen geboren. Nach dem Besuch der katholischen Volks- und Rektoratsschule in Greven und des Gymnasiums in Rheine legte er hier im Jahre 1906 die Reifeprüfung ab. In Münster und Berlin studierte Ottenjann Altphilologie, Geschichte und Sport. 1908 legte er in Münster das Turnlehrer-Examen ab. 1910 promovierte er dort. 1911 erwarb Ottenjann die Lehrbefähigung für die Fächer Latein, Griechisch und Geschichte. Zunächst unterrichtete Ottenjann in Warendorf und Ahlen, bevor er sich 1914 als wissenschaftlicher Hilfslehrer an das neu gegründete Realgymnasium in Cloppenburg versetzen ließ.
Im Ersten Weltkrieg kämpfte Ottenjann in Belgien, Frankreich, Polen, Russland und Serbien. 1917 wurde er schwer verwundet, konnte aber im selben Jahr seine Lehrtätigkeit in Cloppenburg fortsetzen. Neben Latein und Geschichte hatte er Sport studiert. Entsprechend dynamisch trat der junge Pädagoge in Cloppenburg auf, denn neben den alten Dingen, die er aus den südoldenburgischen Bauernhäusern für das 1921 gegründete Heimatmuseum herausholte, interessierten ihn die sogenannten Leibesübungen.
Ottenjann war vielfältig gesellschaftlich engagiert: Leitende Funktionen übernahm er im „Volksverein für das katholische Deutschland“, im 'Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen', in der Turn- und Sportbewegung, in der südoldenburgischen Heimatbewegung und in verschiedenen überregionalen volks- und heimatkundlichen Kommissionen. Ab 1937 war Ottenjann Vorsitzender des 'Heimatbundes für das Oldenburger Münsterland'. Weiterhin gehörte er zu den Mitbegründern der 'Aula-Abende' und war langjähriger Leiter des Cloppenburger Turnvereins (von 1923 bis 1926). Die Anlage eines ersten Freibades in Cloppenburg geht ebenfalls auf seine Initiative zurück.
1922 begann Ottenjann mit dem Aufbau einer Heimatmuseums in den Räumen des Realgymnasiums Cloppenburg. In der Aufbauzeit reifte in ihm der Plan, in Cloppenburg ein Museumsdorf errichten zu lassen. Ottenjann, dem man später wegen seiner musealen Sammelleidenschaft den Spitznamen Klamottenjann verlieh, wurde sein Museumsdorf Lebensinhalt, dem er Form und Funktion, aber eben auch den Namen gab – eine ureigene Wortschöpfung
Ottenjanns!
Die Gründung des Museumsdorfes stand unter der besonderen Protektion von Reichsstatthalter und Gauleiter Carl Röver
(Mitte). Die nationalsozialistische Regierung in Oldenburg stellte Ottenjann für das Schuljahr 1933/34 vom Unterricht frei, damit er sich ganz dem Aufbau des Museums widmen konnte. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde die Beurlaubung mehrmals verlängert. Ottenjann hatte bereits mit Schreiben vom 9. Januar 1933 an die Katholische Abteilung des Ministeriums der Kirchen und Schulen um seine Beurlaubung für das Schuljahr 1933/34 nachgesucht. Er habe wiederholt einen solchen Antrag gestellt, der bisher stets abgelehnt worden sei. Aber zum derzeitigen Ministerium habe er das Vertrauen, daß es die Dringlichkeit der angedeuteten Arbeiten, aber auch die hohe vaterländische Bedeutung des Museums, das ein Stück deutschen Landes einem tieferen Verständnis erschließt und von der Liebe zur Heimat zu wahrer Vaterlandsliebe führt, anerkennt und das Urlaubsgesuch des Unterzeichneten genehmigt.
Nach Aussage Ottenjanns bedeutete der Besuch Rövers in Cloppenburg am 3. Oktober 1933 die Geburtsstunde des Museumsdorfes. Mit den Worten "Da kam die Wendung" charakterisierte er 1935 - im Jahre des Cloppenburger Stadtjubiläums - die Bedeutung dieses politischen Ereignisses. Zur Bedeutung Rövers, der auch die Schirmherrschaft über das Museumsdorf übernommen hatte, notierte er:
"Zur größten Freude aller übernahm inzwischen Gauleiter und Reichsstatthalter Carl Röver die Schirmherrschaft über das Museumsdorf. Damit ist die stärkste Gewähr gegeben für eine weitere glückliche Entwickelung des großen Unternehmens. Der Schirmherr, dem wir es danken, daß der große Plan des Museumdorfes überhaupt erst ernstlich ins Auge gefaßt werden konnte, wird ihm auch für die Zukunft ein starker Förderer sein."
Im Rahmen des Röver-Besuches überreichte Bürgermeister Heukamp auch den Ehrenbürgerbrief, der Ministerpräsident Röver zusammen mit Reichspräsident Hindenburg, Reichskanzler Hitler und Reichsarbeitsminister Seldte anläßlich des 1. Mai 1933 vom Magistrat der Stadt zuerkannt worden war. Gauleiter Röver unternahm damals in Begleitung von Ministerpräsident Georg Joel (unten) und Minister Pauly eine ausgedehnte Besichtigungsfahrt durch das von der Agrarkrise besonders stark in Mitleidenschaft gezogene ehemalige Amt Friesoythe und stattete dem Heimatmuseum, das im Cloppenburger Realgymnasium untergebracht war, einen Besuch ab.
"Wenn auch der Münsterländer nicht so rasch von Entschluß sei, um gleich vorne an zu sein, so halte er um so treuer an dem einmal für recht Erkannten fest. So könne er denn auch dem Reichsstatthalter namens des Magistrats und Stadtrats die Versicherung abgeben, daß Cloppenburg sich in unverbrüchlicher Treue hinter den Führer stelle und von niemandem sich in der Hingabe an die Mitarbeit des neuen Reiches übertreffen lassen wolle", sagte Bürgermeister Dr. Heukamp
und überreichte dann dem Reichsstatthalter den Ehrenbürgerbrief mit dem Gelöbnis treuester Mitarbeit auch in der Zukunft.
Dem offiziellen Besuchsprogramm schloß sich ein informelles Beisammensein in der CV-Hütte in den Bührener Tannen an, auf dem der Leiter des Heimatmuseums, Studienrat Ottenjann, seine Pläne für den Aufbau des Museumsdorfes erläuterte. Die politische Prominenz aus Oldenburg sagte ihre Unterstützung zu, und die Beurlaubung Ottenjanns vom Schuldienst für das Schuljahr 1934/35 wurde von Staatsminister Pauly umgehend bestätigt. Angesichts der angestrengten Haushaltslage war die Beurlaubung Ottenjanns auch als ein politisches Signal zu verstehen. Röver selbst versprach bei dieser Gelegenheit, den geplanten Aufbau des Heimatmuseums durch eine große Heimatkundgebung in Cloppenburg zu unterstützen, machte aber gleichzeitig darauf aufmerksam, daß eine solche Aufgabe aus der Heimatverbundenheit des Münsterländers im Wesentlichen selbst gelöst werden müßte. Ministerpräsident Joel schrieb dem Cloppenburger Heimatmuseum, das 1932 sein zehnjähriges Bestehen feiern konnte, als politisches Vermächtnis ins Stammbuch:
"Nur wer die Heimat liebt, kann den Kampf verstehen, der von Adolf Hitler und seinen Getreuen unermüdlich geführt wurde und geführt wird. Es liegt im Sinne dieses Kampfes, daß das alte Erbgut unserer Altvordern gehegt und gepflegt wird. Heimatkunde und Heimatliebe sind die Grundsteine der Liebe zum Volke."
Auf der Generalversammlung des Heimatbundes für das Oldenburger Münsterland am 8. Dezember 1933 in Cloppenburg deutete Ottenjann Verbindungslinien zwischen der münsterländischen Heimatbewegung und den Zielen der nationalsozialistischen Führung an. Durch den Aufbau des Museumsdorfes würden Regierungsmaßnahmen unterstützt, die sich so sehr mit dem Bauerntum befassen, denn das Münsterland sei überreich an Urwüchsigem, mit Blut und Boden innigst Verbundenem, wie es sonst nicht mehr gefunden wird. Am 21. Januar 1934 löste Gauleiter Röver sein im Oktober 1933 gegebenes Wort mit dem Besuch der großen Museumskundgebung im Cloppenburger Central-Hotel ein, an der auch der neue Bischöfliche Offizial Vorwerk teilnahm. Er unterstützte die politische Arbeit im Dienst an der Heimat und den Aufbau des Museumsdorfes. Ottenjann zitiert den Gauleiter auf der Museumskundgebung mit den Worten:
"Dieses Herrliche, das die Männer in Cloppenburg sich zum Ziel gesetzt, lohnt sich, deutsche Männer und Frauen, zu unterstützen, damit uns stets die Kraft erhalten bleibe, zu arbeiten im Sinne des Vaterlandes, damit uns in schweren Stunden der Glaube nicht verlorengehe an Deutschland."
Die Vechtaer HBL berichteten in einem Beitrag von Hermann Thole ausführlich über die Museumskundgebung mit Gauleiter und Reichsstatthalter Röver, der in Begleitung von Ministerpräsident Joel nach Cloppenburg gekommen war, und zitierten aus den Reden von Amtshauptmann Münzebrock, Museumsleiter Ottenjann und Reichsstatthalter Röver. Dieser beklagte in seiner Ansprache den Geist der Zersetzung, der in den letzten Jahrzehnten im Volk gewirkt habe, und forderte, daß diese Zeit ein für allemal vorbei ist. Ein neuer Geist müsse in dieses wunderbare Denkmal hineingebaut werden. Röver beschloß seine Rede mit einer für ihn durchaus typischen Floskel, die auf das religiöse Gefühl der Zuhörer gerichtet war:
"Wenn wir wollen, daß einmal unsere deutschen Kinder mit Glück und Stolz und Freude an diese große Zeit zurückdenken, so werden wir den Sinn des Lebens nicht auffassen als das Materielle. Deutsche Volksgenossen, es ist entscheidend, das zu begreifen im Zeichen des Umbruchs dieser neuen Zeit des Dritten Reiches, das jetzt angebrochen ist, das gebaut werden soll Stein auf Stein. [...] Schaffen wir's, und dazu rufen wir euch auf zur Mitarbeit. Dann wird Deutschland stehen, auch wenn wir gestorben sind, und wir werden hintreten können vor den Höchsten, weil wir unsere Pflicht erfüllten für Deutschland und unsere deutschen Kinder." (Langanhaltender, stürmischer Beifall.)
Am 25. Januar 1934 beschloß der Amtsvorstand Cloppenburg offiziell die Errichtung eines Museumsdorfes in der Stadt Cloppenburg und nahm die Regulierung der Standortfrage vor. Mit großer Energie wurde der Aufbau des Museumsdorfes vorangetrieben. Allerdings hielt sich die finanzielle Unterstützung seitens der öffentlichen Hand außerhalb des Amtsbezirks aufgrund der von Röver favorisierten Förderung der 'Thingstätte Bookholzberg'
in Grenzen. Der Staatszuschuß zum Ankauf des 12 ha großen Grundstückes betrug 11.000 RM, zusätzlich wurden die Arbeiten des moorigen Geländes im Jammertal durch staatliche Notstandsarbeiten durchgeführt. Zu den Erschließungskosten, die sich auf 47.000 RM beliefen, steuerte die Reichsanstalt 28.000 RM bei, die Stadt Cloppenburg beteiligte sich mit 11.000 RM. Zwei Sammlungen in Südoldenburg für den Aufbau des Museumsdorfes erbrachten 20.000 RM. Eine wesentliche Unterstützung seitens der oldenburgischen Staatsregierung war die Freistellung Ottenjanns vom Schuldienst seit Ostern 1933.
Am 20. August 1934 erfolgte der erste Spatenstich auf dem neu erschlossenen Gelände im Jammertal, das ca. 5 ha groß war. Als eines der ersten Objekte wurde vom Bauern Karl Quatmann in Schwichteler der Quatmannshof zum Abbruch erworben. Am 23. Juni 1935 wurde er im Rahmen der 500-Jahrfeier der Stadt Cloppenburg feierlich gerichtet. Am Himmelfahrtstag des Jahres 1936 wurde das Cloppenburger Museumsdorf durch Gauleiter und Reichsstatthalter Carl Röver offiziell eröffnet. In der letzten Ausgabe der "Heimatblätter" erinnert Hermann Thole, der Schriftleiter der Oldenburgischen Volkszeitung, 1942 an dieses denkwürdige Ereignis und zitiert aus einer Ansprache des Gauleiters, die dieser am Herdfeuer des Quatmannshofes gehalten haben soll:
"Wenn das Museumsdorf einst ganz fertig sein wird, wenn es wunderbar und groß sein wird wie diese Zeit, die Zeit Adolf Hitlers, dann wird das ganze deutsche Volk Anteil nehmen an dem, was hier geschaffen wurde."
Röver zeigte sich dem Cloppenburger Museumsdorf auch weiterhin verbunden. Am 16. Februar 1937 besuchte er das Museumsdorf und würdigte den Aufbau des Kulturwerkes, dessen weitere Förderung und Unterstützung ihm sehr am Herzen liege. Am 25. Juli 1937 wurde die Burg Arkenstede in Anwesenheit von Gauleiter und Reichsstatthalter Carl Röver feierlich eingeweiht.
Professor Konrad Hahm, der Direktor des Museums für deutsche Volkskunde in Berlin, verfaßte auf Einladung Heinrich Ottenjanns in dem Festbuch, das anläßlich der 500-Jahrfeier der Stadt Cloppenburg im Jahre 1935 herausgegeben wurde, einen Beitrag über die Aufgabe der Heimatmuseen in der Gegenwart. Ohne einen direkten Bezug zum Nationalsozialismus herzustellen, führt Hahm den Grundgedanken des Heimatmuseums auf die völkische Geschichtsauffassung und auf die Ahnherren der völkischen Bewegung zurück, zu denen Justus Möser
, Gottfried Herder
, Ernst Moritz Arndt
, Gottlieb Fichte
und vor allem Turnvater Jahn
zu zählen seien. Der Heimatgedanke gründe sich als etwas Universelles auf die Voraussetzung und Bejahung einer Bluts- und Lebensgemeinschaft. Der völkische Staat habe dem Heimatgedanken erst zum Durchbruch verholfen, weil er die große geistige Erblinie der deutschen Vergangenheit zum Staatsbildungsprinzip erhoben hat. Die historische Erblinie von Blut und Boden müsse von der germanischen Frühgeschichte bis zur Gegenwart gezogen werden.
Das Cloppenburger Museumsdorf, das unter dem Protektorat von Reichsstatthalter und Gauleiter Carl Röver entstand, hätte nicht verwirklicht werden können, wenn nicht der politische und geistige Umbruch durch den Nationalsozialismus im Jahre 1933 erfolgt wäre. Seit seiner offiziellen Eröfnung wurde das Museumsdorf häufiger durch nationalsozialistische Organisationen und Verbände für politische Veranstaltungen in Anspruch genommen.
Heinrich Ottenjann trat unter der Mitglieds-Nr. 2860013 am 1. Mai 1933 in die NSDAP und am 1. Oktober 1933 in den NSLB (Mitglieds-Nr. 197291) ein. Seit 1934 bzw. 1935 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges war Ottenjann Mitglied des NS-Lehrerbundes bzw. der NSV und von 1937 bis 1945 Mitglied im Reichsbund deutscher Familien. Am 15. Dezember 1945 füllte Ottenjann den sogenannten NS-Fragebogen
aus. Am 18. Juni 1946 wurde er in die Gruppe der zu Entlassenden eingeordnet. Dagegen erhob er Einspruch und fügte seinem Schreiben 'eine ausführliche persönliche Erklärung meiner Stellung zum Nationalsozialismus' bei. Darin erklärte er, der NSDAP keineswegs aus innerer Überzeugung beigetreten zu sein, sondern einzig und allein unter dem Druck der Verhältnisse, d. i. um nicht seine Stellung zu verlieren, vor allem aber, um sein Lebenswerk, das Heimatmuseum für das Oldenburger Münsterland, aus dem später das Museumsdorf folgerichtig weiterentwickelt wurde, fortsetzen zu können. Er stehe nach wie vor mit gutem Gewissen zu einer Arbeit, die ihn auch dann nicht ruhen ließ, als andere die Hände in den Schoß legten. Den Titel eines Museumsdirektors habe ihm die nationalsozialistische Regierung stets verwehrt. Allen Versuchen, den Plan des Museumsdorfes nach nationalsozialistischen Grundsätzen irgendwie umzugestalten, sei er entschlossen entgegengetreten. Schließlich habe das Gutachten des ehemaligen Direktors des Berliner Volkskundemuseums, Prof. Konrad Hahm, der sich rückhaltlos für den ursprünglichen Plan aussprach, in der Museumsfrage den Ausschlag zu seinen Gunsten gegeben. Lieber wäre er in den Schuldienst zurückgekehrt, als einen Plan zu realisieren, der vom Standpunkt des Forschers und Wissenschaftlers nicht tragbar sei.
Mit einem weiteren Schreiben wandte sich Ottenjann dann gegen den Beschluß des Entnazifizierungs-Hauptausschusses des Kreises Cloppenburg vom 20. November 1948, der ihn in die Kategorie IV (Der Überprüfte hat den Nationalsozialismus unterstützt) eingeordnet hatte. In der Begründung hieß es: "In seiner Stellung und Tätigkeit als Museumsleiter hat er [= Ottenjann] sich in großem Umfange für die NSDAP. einspannen lassen. Er hat sich für die Ziele und Bestrebungen der NSDAP eingesetzt und dadurch den Nationalsozialismus unterstützt. Seine an sich unpolitischen Vortragsreihen und Veröffentlichungen waren nicht immer frei von Nazipropaganda." Mit der zitierten Stelle des Schreibens bezog sich Ottenjann ausdrücklich auf den Vorwurf, sich in Büchern - so in seinem 1944 veröffentlichten Werk über das Museumsdorf Cloppenburg, das die Verdienste des 1942 verstorbenen Gauleiters Röver um das Museumsdorf ausdrücklich würdigte -, Schriften, Aufsätzen und Reden für den Nationalsozialismus eingesetzt zu haben. Persönlich sei er niemals ein Freund Rövers und Rosenbergs gewesen, aber Reichsleiter Rosenberg habe sich nach einem Besuch des Museumsdorfes in Begleitung von Gauleiter Wegener dafür eingesetzt, daß das Papier für das Buch über das Museumsdorf bewilligt wurde, was auch Gauleiter Röver nicht hatte durchsetzen können. Grundsätzlich gelte für seine Person: Man wusste überdies zur Genüge, dass ich kein Nationalsozialist, vielmehr überzeugter Katholik war.
Durch seine Arbeit habe er sich, so Ottenjann, unzählige Freunde in Stadt und Land, aber selbstverständlich auch Gegner und Feinde erworben. Diese machte Ottenjann offensichtlich für die gegen ihn erhobenen Vorwürfe verantwortlich. Mit dem Museumsdorf in Cloppenburg habe der Gedanke des Freilichtmuseums in Deutschland erstmalig einen glänzenden Sieg errungen. Unter Anspielung auf ein bekanntes Bibelwort fügte Ottenjann hinzu: Wo wäre auch jemals ein Prophet im Lande geehrt worden?! Dabei hätte er gerade für das südliche Oldenburg, die Stadt Cloppenburg im besonderen, ein ganzes Menschenleben hindurch gekämpft und gerungen, Turnen und Sport mit Macht vorangetrieben, in Cloppenburg die erste größere Badeanstalt des Münsterlandes gebaut und mit dem Museumsdorf schließlich für das Land etwas Einmaliges geschaffen. Es müsste jedem einleuchten, dass er, zumal unter den geschilderten Verhältnissen, den Nationalsozialisten, ohne die das Werk nicht möglich gewesen wäre, - alle anderen Parteien, auch alle amtlichen Stellen hatten sich mir bis dahin immer und immer wieder versagt - auf deren Gunst ich jeden Augenblick angewiesen war, wofern er das Werk wollte, schon mal ein freundliches Wort widmen musste, um so mehr, als er wusste und auf Schritt und Tritt zu spüren bekam, dass sie ihm misstrauten.
Ottenjann fügte seinem Einspruch 16 weitere Erklärungen und Zeugnisse bei, u. a. von Pfarrer Otto Beckmann aus Elsten, Diözesanarchivar Dr. Börsting-Gimbte aus Münster, Schriftsteller Karl Bunje aus Cloppenburg, Bildhauer Paul Dierkes aus Berlin (Dierkes stammte gebürtig aus Cloppenburg), vom Präsidenten der Handwerkskammer Oldenburg, Freese, von Dechant Hackmann aus Cloppenburg, der Leiterin der Cloppenburger Liebfrauenschule, Schwester M. Josephe, Kreishandwerksmeister Rüve aus Emstek, vom Rektor der Westf. Landesuniversität Münster, Prof. Dr. Georg Schreiber, und von Bürgermeister Wichmann, Cloppenburg. Durch Bescheid des Entnazifizierungs- Hauptausschusses vom 10. Januar 1949 wurde Ottenjann endgültig entlastet. Zur Begründung erklärte der Ausschuß, daß Ottenjann den Nationalsozialismus nicht aktiv unterstützt habe.
Trotz mancher Widerstände und Rückschläge – am 13. April 1945 wurde das mühsam errichtete Gehöft des Quatmannshofes ein Opfer des Zweiten Weltkrieges – trieb Ottenjann den Aufbau des Museums unaufhörlich voran. Schon ab 1955 zählte es über 100.000 Besucher jährlich. Er erkannte zudem die Notwendigkeit der Einbindung des Museums in überregionale Strukturen und überführte das Museumsdorf Cloppenburg am 21. März 1961 endgültig in eine vom Land Niedersachsen und den regionalen Kommunen (Landkreis und Stadt Cloppenburg, Kreis Vechta) getragene
Stiftung.
Heinrich Ottenjann erhielt hohe Auszeichnungen, u. a. bereits 1950 das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, und wurde 1956 zum Ehrenbürger der Stadt Cloppenburg ernannt. Er verstarb in seiner Heimatstadt am 16. Mai 1961. Nachfolger in seinem Amt als Leiter des Museumsdorfes war sein Sohn Helmut Ottenjann (1931–2010). |