Mittwoch, 30. März 2011

 

Ackern für die Zukunft
                             
 
Autor: Tim Neshitov


Wegen der Landreform verlassen Tausende weiße Farmer Südafrika, Georgien will mit Hilfe der Buren nun den Weinanbau voranbringen.


Anfang März begann für Piet Kemp ein neues Leben. Er stieg in ein Flugzeug in Johannesburg und flog fünftausend Kilometer nach Tiflis , die Hauptstadt der Ex- Sowjetrepublik Georgien. Dort mietete er ein kleines Haus und stellte den Antrag auf georgische Staatsbürgerschaft. Piet Kemp spricht kein Wort Georgisch, er kennt das Land nicht, er ist 67 Jahre alt. Aber mit der Heimat seiner Vorfahren will er nichts mehr zu tun haben. 'Ich fühle mich in Südafrika nicht mehr sicher', sagt er. 'Ich will nun Georgier sein.'

Piet Kemp ist Bauer, seine Hautfarbe ist weiß. Den Wunsch auszureisen hat er seit Jahren gehegt, wie viele der verbliebenen 34 000 weißen Farmer am Kap. Der Grund: die Landreform der Regierung in Pretoria. Bis 2014 soll ein Drittel des Ackerlandes an schwarze Farmer übertragen werden, eine späte Kompensation für die rassistischen Apartheid-Gesetze. Unter Nelson Mandela lief die Reform noch versöhnlich an, im Vergleich etwa zum Enteignungswahn in Robert Mugabes Simbabwe. Die Regierung kaufte weißen Farmern zu Marktpreisen ihre Grundstücke ab und verteilte sie an Schwarze.

Doch die Zielvorgabe von 30 Prozent erwies sich als Illusion. Bis 2008 wurden nicht mal fünf Prozent des Landes umverteilt. Viele der Buren-Dynastien wehrten sich gegen den Zwangsverkauf, auch weil neue Besitzer oft wenig Erfahrung mit Landwirtschaft hatten, Zitrusplantagen wurden schon mal für den Brennholzbedarf gefällt. Wer trotzdem verkauft, erzielt oft nur Spottpreise: Der Staat ist verschuldet. Vor drei Jahren schwenkte der Afrikanische Nationalkongress (ANC), die Partei Nelson Mandelas, dann auf Enteignungskurs um. Schwarze Landarbeiter wurden ermutigt, landesweit Grundstücke zu besetzen. Zudem sind seit 1994 mehr als dreitausend weiße Farmer umgebracht worden. Julius Malema, Chef der ANC-Jugend, sang vergangenes Jahr auf einer Versammlung 'Dubula Ibhunu', eine Hymne aus der Apartheid-Zeit. Zu Deutsch: 'Erschießt den Buren.'

Für viele Farmer ist Südafrika und das Kap der guten Hoffnung längst nicht mehr das gelobte Land.

Piet Kemp, dreifacher Familienvater und Herr über 700 Hektar Felder mit Weizen, Mais und Sonnenblumen in der Provinz Mpumalanga , schaute damals nach, ob sein Reisepass noch gültig war. 'Viele meiner Freunde waren längst ausgereist', sagt er. 'Nach Kanada oder nach Australien.' Die Farmervereinigung Transvaal Agricultural Union schätzt, dass seit Mitte der neunziger Jahre mehr als 6000 Weiße ihre Höfe verlassen haben. Einige wechselten den Beruf, die meisten ackern heute im Ausland. Buren gelten weltweit als mustergültige Bauern. Benny Van Zyl, Chef der Transvaal-Union sagt, er habe Einladungen aus 40 Ländern auf seinem Schreibtisch. Für Piet Kemp aber wäre ein Grundstück in Manitoba oder Queensland zu teuer gewesen. Deswegen hat ihn die Einladung aus Georgien gefreut. Eingeladen hat Papuna Davitaya persönlich, der Diaspora-Minister. Die Kaukasus-Republik wirbt weltweit um Agrarexperten, die ihre einst blühende Landwirtschaft nach Jahrzehnten der Kolchosen und Sowchosen wieder auf Vordermann bringen. Ein Land, das noch lernen muss, seinen Mais in Reihen zu säen - Piet Kemp ist begeistert. 'Ich kann den Menschen hier so viel beibringen!' Eins ist ihm dabei wichtig: 'Ich will nicht Südafrika hierher bringen. Ich möchte Georgier werden.'

Bereits 1899 hatte ein Georgier versucht, Bure zu werden: Fürst Niko Bagrationi reiste an das Kap, um im Zweiten Burenkrieg gegen England zu kämpfen. Nach dem Sieg der Engländer wurde 'Niko the Boer' nur dank seiner adligen Herkunft nicht erschossen. Am Ende arbeitete er im sowjetischen Tiflis als Zigarettenverkäufer. Sein Schicksal ist kaum bekannt, doch der heutigen Führung in Tiflis dient der Fürst als Symbol der 'georgisch-burischen Freundschaft' - ein Phänomen, von dem bisher niemand wusste.

Piet Kemp, der erste Bure, macht derzeit eine Tour durchs Land, begleitet von Minister Davitaya. Sie werden ein Grundstück aussuchen, auf dem Kemp Weizen anbauen kann. Natürlich soll er das Land günstig bekommen. Später will er darauf auch Sonnenblumen und Mais säen, wie zu Hause in Mpumalanga. Und, wenn alles gut läuft, auch Wein. Das ist ein Anliegen von Präsident Michail Saakaschwili. Weine sind einer der wichtigsten georgischen Exporte - bis vor kurzem haben sie vor allem den Russen geschmeckt. Seit dem jüngsten Krieg mit Moskau sucht Tiflis aber nach neuen Kunden. Die Buren sollen helfen, den europäischen Markt zu erobern. In den nächsten Jahren könnten bis zu tausend Buren nach Georgien übersiedeln, glaubt Piet Kemp. Über hundert haben sich das Land bereits angeschaut. Und im Dezember kommen Kemps Frau und seine älteste Tochter - sie soll an der amerikanischen Schule hier unterrichten.

Quelle: Internet   

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