Donnerstag, 16. Juni 2011

 

Tanzwutepidemie

Echternach - 45 Pilgergruppen aus Deutschland, Luxemburg, Belgien und den Niederlanden mit insgesamt etwa 10.000 Teilnehmern sind am Dienstag zur traditionellen Springprozession ins luxemburgische Echternach gepilgert, um sich Heilung von verschiedenen Nervenkrankheiten durch den Heiligen Willibrord zu ertanzen. Betend und springend bewegten sie sich zu Polkamusik durch die Straßen der 5000-Einwohner-Stadt unweit der deutschen Grenze . Neben dem luxemburgischen Erzbischof Fernand Franck nahmen der Bischof von Aachen, Heinrich Mussinghoff , der Bischof von Münster, Felix Genn , der Bischof von Essen, Franz-Josef Overbeck und der Bischof von Limburg, Franz-Peter Tebartz-van Elst an der Prozession teil. 

Die Echternacher Springprozession, die alljährlich am Pfingstdienstag stattfindet. stellt nicht nur ein Dankfest für das Aufhören einer Tanzwutepidemie dar, die im Jahre 1374 in dieser Gegend wütete, sondern auch eine Nachahmung des Veitstanzes zur Abwehr und Heilung desselben im Sinne des Analogiezaubers. Zahlreiche Gläubige, Gesunde, Leidende, Kranke und Angehörige von Siechen, Epileptikern usw. kamen früher schon von weit und breit nach Echternach, um an dieser Wallfahrt zum Kloster des heiligen Willibrord teilnehmen zu können. Nach Geschlechtern getrennt, setzte sich die Prozession in Reihen von vier bis sechs Personen, die sich an den Händen fassten, in Bewegung. Bei den Klängen der von mehreren Musikkapellen gespielten monotonen Tanzweise 'Fuchs, du hast die Gans gestohlen' begannen die Prozessionsteilnehmer zu springen, indem sie hüpfend fünf Schritte vorwärts und zwei rückwärts gingen. Da bei dem großen Gedränge des öfteren eine Stockung eintrat, mussten die Springbewegungen häufig auf der Stelle ausgeführt werden. Manche Springer drehten und krümmten sich dabei, verrenkten die Glieder, schlugen mit den Armen wild um sich und machten solange hohe Luftsprünge, bis sie vor Erschöpfung zusammenbrachen. Mitunter sah man auch Springer, die mit einem steinbeschwerten Korb auf dem Rücken, blaurot im Gesicht, keuchend und ächzend, mithüpften. Man hielt ihr Springen für eine wirksame Bußübung. Viele Wallfahrer hatte ein wegen Schüttellähmung oder Fallsucht gemachtes Gelübde hierher geführt. Man sprang nicht nur für sich, sondern auch für andere, für Angehörige oder Freunde. Wer wollte, bezahlte Echternacher Burschen, die für 12 bis 20 Sous sprangen, häufig für mehrere Pilger zugleich. Früher galt die Prozession bei vielen Gläubigen als ein magischer Heil- und Abwehrtanz, heute ist sie vor allem ein folkloristisches Spektakel, bei dem die Pilger in Fünfer-Reihen von einem Bein auf das andere hüpfen, vorwärts und seitwärts.  

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