Freitag, 1. Juli 2011

 

Kuriose Steuerkreationen  

Die ersten Steuern wurden vor mindestens 5.000 Jahren erhoben. Seit dem haben sich Steuern und Steuererhebung immer weiter entwickelt. Der Fantasie der „Steuereinnehmer“ schien keine Grenzen gesetzt – daran hat sich bis heute nichts geändert.

„Du kannst einen Fürsten lieben, Du kannst einen König lieben, aber der Mann, den Du fürchten musst, ist der Steuereinnehmer.“ Das stand schon in einer Keilschrift aus dem dritten Jahrtausend vor Christus. Lässt man „Steuerleistungen“ in Form von Menschentributen, von denen der Altmeister der Geschichtsschreibung, Herodot, um die Mitte des fünften Jahrhunderts vor Christus berichtet, einmal beiseite, so waren die Urform der Steuern Frondienste. Sie gelangten bei den alten Kulturen zur höchsten Blüte. Wiederum berichtet Herodot über den Bau der Pyramiden und Riesensphinxen der ägyptischen Pharaonen: „Es arbeiteten immer je 100.000 Menschen je drei Monate lang. So war das Volk lange Zeit schwer geknechtet; zehn Jahre lang arbeiteten sie allein an der Straße, auf der sie die Steine zogen. An der Pyramide selbst aber baute man 20 Jahre.“ Während Fronpflichtige aber wie Steuerzahler persönlich frei und lediglich der staatlichen Finanzgewalt unterworfen waren, wurden die Sklaven von den Römern selbst zur „unfreien Sache“ herabgewürdigt. Es kam häufig auch vor, dass Freie ihre Steuern nicht entrichten konnten und dann von Steuerzahlern zu Steuersklaven degradiert wurden. Die Staatssklaven wurden von den Römern an private Sklavenhändler verkauft, die pro Kopf einen Kaufpreis von durchschnittlich 200 Drachmen, beim Verkauf ihrer „Ware“ eine Verkaufssteuer von ein bis 2 Prozent und bei der Ausfuhr einen Exportzoll von mindestens 2 Prozent entrichten mussten.

Als Besteuerungsmaßstab diente schon seit dem Altertum der so genannte „Zehnte“. Die Zahl 10 gehört zu den prähistorischen Zählzeichen, die für Vorderasien schon um 8.000 vor Christus Ansätze für ein Buchführungssystem vermuten lassen. Dabei ist mit dem Namen „Zehnt“ nicht unbedingt ein Steuersatz von 10 Prozent verbunden. So berichtet Thukydides aus Griechenland, dass der Zehnt auch als „Zwanzigster“ erhoben wurde, um die Menge nicht zu verärgern. Zur Zeit der Karolinger gab es dann die so genannten „Zehntspender“, die den Zehnt zu Gunsten der Kirche lieferten. Handwerker und Händler, die dem „Personalzehnt“ unterlagen, mussten den zehnten Teil ihrer Pro duktion abliefern. Die Hauptlast lag aber bei der Landbevölkerung, die den „Realzehnt“ zu tragen hatte. Dies waren einerseits Früchte aus Acker- und Gartenbau wie aber auch der „Blutzehnt“ von Groß- und Kleinvieh und tierischen Erzeugnissen wie Milch, Wolle und Honig.


Abgesehen von den Zwangsabgaben gab es aber auch Zeiten, in denen freiwillig von bestimmten Personen Lasten als „Dienste für das Volk“ übernommen wurden. So trugen bei Griechen und Römern begüterte Vollbürger die öffentlichen Kosten für das Theater- und Musikwesen, für die Wettkampfspiele, für Festgesandtschaften und für die Bewirtung bei staatlichen Speisungen als regelmäßig wiederkehrende Leistungen.

Bald jedoch beanspruchten die Erbringer dieser „Ehrenleistungen“ dafür entsprechende Entschädigungen in Form von Pachtverträgen mit dem Recht auf gewerbsmäßige Steuererhebung. Durch diese Einrichtung der Steuerpacht hatte der Steuerherr einen dreifachen Vorteil, nämlich sofortige Kasseneinnahmen, keine Personalkosten und kein Risiko bei Währungsverfall oder anderen Verlustgründen. Der Vorteil beim Päch ter lag in der Gewinnspanne, die in guten Jahren die Pachtsumme erheblich übersteigen konnte. Jene Pächter waren also eine Art „Staatsbank“ für öffentliche Geldanleihen. Die Geldbechaffungspraxis kam unter den Nachfolgern Alexanders des Großen auch nach Palästina, wo dann schon vor Christi Geburt jüdische Steuerpächter auftauchten. Die deutschen Bibelübersetzungen sprechen in diesem Zusammenhang ungenau von „Zöllnern“, bei denen es sich nach dem Urtext um „Telones“, Pächter, handelte.


Auch unsere germanischen Vorfahren waren nicht untätig in der Beschaffung von Geldern. So wissen wir von den römischen Schriftstellern, dass Kelten und Germanen bereits um die Zeitenwende Zölle erhoben und römisches Abgabenbrauchtum übernommen hatten. Es gab beispielsw eise Straßen-, Markt- und Hafenabgaben und verschiedene Naturalabgaben. Eine beson dere germanische Erfindung war auch eine „Heiratssteuer“ zu Gunsten des Königshauses.
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Besonders erfinderisch in der Schaffung neuer Einnahmen war auch Zar Ivan IV., „der Schreckliche“, in Russland. Neben den alten „Tatarensteuern“, die aus 
einer Kopf- und Grundabgabe, aus Fuhrgeldern für die Beförderung von Beamten und für die Befreiung von Kriegsgefangenen bestand, waren damals neue Steuern hinzugekommen, wie zum Beispiel „Flintengelder“, „Salpetergelder“, „Festungsgelder“ und eine „Schützensteuer“ zur Ausrüstung und Besoldung der Berufssoldaten. Auch Peter der Große hinterließ kuriose Luxussteuern auf Bärte, Mützen und Stiefel, Bäder und Eichensärge; neue Verbrauchssteuern wurden geschaffen, die er etwa auf Gurken, Nüsse oder Bienen einführte. Selbst die Minnezeit des hohen Mittelalters war gut für steuerliche Attraktionen. Kaiser Otto IV. kam auf die Idee, den blühenden Minnedienst mit einer Art Minnesteuer zu belegen. Säumige Steuerzahler wurden damals teilweise brutal behandelt. Nach der Bamberger Peinlichen Steuerordnung von 1442 zum Beispiel wurden Säumige, selbst wenn sie inzwischen gezahlt hatten, 14 Tage „ohne alle Gnaden“ in den Turm geworfen. Dort aber befand sich bekanntlich auch die Folterkammer.

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Unter dem Eindruck solch drakonischer Strafen fühlten sich insbesondere die Scholastiker des späten Mittelalters zur Durchleuchtung des Steuerrechtes aufgerufen. Besonders hervor tat sich hier Thomas von Aquin. Nach ihm „sind den Herren Güter zugewiesen, dass sie daraus ihren Unterhalt bestreiten und sich enthalten, ihre Untertanen zu berauben“. Er band daher die Steuer an zwei Kriterien: an die „utilitas communis“ – das Gemeinwohl – und die „collegatio a singulis“ – das Eintreiben der Abgaben von Einzelpersonen. Dies waren Vorstellungen, die auch zu unserem heutigen Begriff der Steuer gehören.
Unter den meist prunksüchtigen Landesfürsten des Absolutismus wurde an der Steuerschraube weiter gedreht. Ein besonderes Kapitel in dieser Zeit war das, was man damals als „Luxussteuern“ bezeichnete. So gab es Fenster-, Türen- und Kaminsteuern, Perücken-, Haarpuder-, Strumpf-, Stiefel- und Hutsteuern. Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. war im Gegensatz zu den absolutistischen Herrschern ein Feind der Prunksucht und Korruption. Im Rahmen der Vermehrung seiner Truppenstärke hatte er aber auch eine originelle Idee: Er erklärte, dass das Geld für Betten und Bettgerät ausgegangen sei und deshalb seine Soldaten auf dem Fußboden zu schlafen hätten. Dies erbarmte die Eltern dieser rekrutierten Soldaten, und deshalb steuerte man in Garnisonsstädten willfährig „Bettenfel- 
der“ bei. Diese Vorgehensweise wurde später in eine regelmäßige „Bettensteuer“um gewandelt.

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Auch der Begriff „Steuerreform“ geht durch die Jahrtausende. Immer waren damit Sehnsucht und Verdruss, aber auch Hoffnung und Enttäuschung verbunden. Bekannt ist die Steuerreform des Kaisers Augustus, der unter dem Begriff „Cen- 
sen“ mit Volkszählungen, Bodenvermessungen, Eigentumserhebungen und Bewertungen für Zwecke der Steuereinschätzung tätig wurde. Am bekanntesten ist der Census in Judäa mit der Steuereinschätzung zu Betlehem, der uns im 
Neuen Testament so eindrucksvoll wiedergegeben wird. Aus verschiedenen 
Kassenfonds („Fisci“ = Körbe zur Geldaufbewahrung) richtete er ein kaiserliches Sondervermögen ein, das allmählich die Gesamtbezeichnung „Fiscus“ erhielt. Zwei direkte Hauptsteuern für alle Provinzen, nämlich eine Bodenertragssteuer sowie eine Kopfsteuer bildeten den Grundstock der Steuereinnahmen. Daneben führte er eine Erbverkehrssteuer mit einem Steuersatz von 5 Prozent sowie eine Aktionssteuer von 1 Prozent ein, aus der sich die römische Umsatzsteuer entwickelte.
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Das Steuerrecht des ersten nachchristlichen Jahrhunderts wurde vor allen Dingen durch Kaiser Trajan verändert. Seine Vorgänger hatten es zu den absurdesten Steuervorschriften gebracht. So berichtet Sueton, der kaiserliche Biograph: „Es gibt keine Art von Gegenständen oder Menschen, die nicht durch irgendeine Steuer erfasst worden wären.“ Kaiser Trajan ließ alle Steuerbücher öffentlich verbrennen, und diese Szene wurde sogar in Stein gehauen und ihr Inszenator mit dem Beinamen „Optimus“ – der Beste – geehrt.
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Ein besonderer Stein des Anstoßes waren seit Jahrhunderten die Steuerprivilegien des Adels. Erst der Reichsfreiherr von Stein begann, diese Privilegien in einer Steuerreform in Preußen zu streichen. Goethes Nachfolger als Finanzminister von Weimar, von Gerstorff, schaffte dann 1821 sämtliche direkten Steuern ab und ersetzte sie durch eine Einkommensteuer, die auf der Grundlage der Allgemeinheit der Steuerpflicht unter Berücksichtigung individu eller Leistungsfähigkeit beruhte. Aber erst dem berühmten Finanzminister von Miquel gelang es 1891 bis 1893 in Preußen die Reste mittelalterlicher Standesunterschiede zu überwinden. Seine bald überall nachgeahmte Einkommensteuer, die die preußische Klassensteuer zu Grabe trug, endete – man kann es kaum glauben – bei einem Steuerspitzensatz von 4 von 100.
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Ohnehin spielte zu allen Zeiten nicht nur der Steuergegenstand, sondern vor allem auch die Höhe der Steuern eine ganz entscheidende Rolle. Dazu hat Montesquieu in seinem Hauptwerk „De L’Esprit des Lois“ eine wegweisende Bemerkung gemacht: „Nichts erfordert mehr Weisheit und Klugheit, als die Bestimmung desjenigen Teils, welchen man den Untertanen nimmt und des Teils, welchen man ihnen lässt“. Diese bem erkenswerte Erkenntnis kann auch heute noch Gültigkeit beanspruchen.

Kurzfassung des Beitrags „Kuriose Steuerkreationen – eine unendliche Geschichte" von Prof. Dr. Günter Papperitz, Universität Mannheim, in der Fachzeitschrift: Die Bank 1/2003

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