Zu
spät, zu wenig!
Glaubenszeugnis -
Im August 2011 erstellten OKR i.R. Klaus Baschang (Karlsruhe), RA Christian Hausen (Neumünster), KR i.R. Hans Lachenmann (Satteldorf), Prof. Dr. Dr. Rainer Mayer (Stuttgart), Pfr. i.R. Karl Heinz Schweizer (Bruchsal), Prof. Dr. Reinhard Slenczka, D.D. (Erlangen). Pfr. u. Religionslehrer i.R. Rolf-Alexander Thieke (Berlin), Bischof i.R. Prof. Dr. Ulrich Wilckens (Lübeck) und
andere einen Text zur Homosexualität ,
aus dem folgender Auszug stammt:
Mit der Schrift „Mit Spannungen leben“ hatte der Rat der EKD
1996 eine „Orientierungshilfe“ vorgelegt. Damals ging es vorrangig um die Frage von Segnungen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und nachrangig um die Zulassung solcher Partnerschaften zum Amt der Kirche. Der damals beabsichtigte Konsens konnte aber nicht herbeigeführt werden. Einzelne Landeskirchen haben trotz Mahnungen aus dem Kirchenamt der EKD sofort Fakten geschaffen und Segnungen eingeführt. Die Gemeinden haben das zumeist resignierend in der Erwartung hingenommen, dass sich die Probleme bald von selbst lösen würden. Das war zum Teil auch der Fall. Mit dem EKD-Pfarrdienstrecht von 2010
ist die Diskussion in einer unerwarteten Breite und Dynamik neu aufgebrochen. Denn jetzt erst wurde vielen Menschen bewusst, dass praktizierte Homosexualität in den meisten Landeskirchen kein Ordinationshindernis mehr sein soll und Einzug in den kirchlichen Dienst gehalten hat. Die Emphase der Diskussion hat die Grundfragen des kirchlichen Bekenntnisses überlagert und verdeckt. Ist erst einmal in einem Anwendungsfall das Bekenntnis der Kirche unklar geworden, drohen Ausweitungen und zusätzliche Gefährdungen in anderen Anwendungsfällen. Darum muss das Bekenntnis durch neues Bekennen gestärkt werden. Nur so gewinnt die Kirche neue Zuverlässigkeit nach innen und nach außen.
Zumeist wurde übersehen, dass die kirchliche Erneuerung aus dem Bekenntnis heraus auch nötig ist, damit die Evangelische Kirche ihren gesellschaftspolitischen Aufgaben zureichend entsprechen kann. Sie hat nicht erkannt, dass Auflösungen bewährter Moralvorstellungen im politischen Raum im Gange sind. Sie macht sich daran mitschuldig, wenn sie nicht wieder zu einem klaren Bekenntnis zurückfindet. Der Ruf zum Bekenntnis ist ein Ruf weg von den falschen Wegen. Die Kirche, die anderen Umkehr predigt, kann sich als kräftig erweisen, wenn sie selbst Umkehr praktiziert....
Besonders bitter ist, dass erst im Zusammenhang der Beschlüsse der EKD-Synode im Herbst 2010 vielen Gemeindegliedern das ganze Ausmaß der Probleme bewusst geworden ist. Sie wurden von ihren Kirchenleitungen nicht zureichend informiert. Kirchlich Engagierte sehen sich ihrer geistlichen Heimat in den Landeskirchen beraubt, viele kirchlich Distanzierte verstehen unsere Kirche jetzt noch weniger als bisher. Der Abstand zwischen Kirchenleitungen und Basis hat weiter zugenommen. Misstrauen belastet und gefährdet die nötige Kooperation. Die Neigung ist groß, die landeskirchliche Organisationsform der Kirche Jesu Christi nicht mehr ernst zu nehmen – und das auch in der
Pfarrerschaft.
Die Reaktionen der Gemeindeglieder kann nur verstehen, wer die Provokationen kennt, denen sie ausgesetzt sind. Schon 2008 wurde in der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche Propst Horst Gorski
offiziell zum Kandidaten für das Bischofsamt vorgeschlagen, obwohl er bekennender Homosexueller ist. In der Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz war mit einem Flyer für die Segnung homosexueller Partnerschaften mit dem Jesus-Wort „Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden“ geworben worden. Rechtzeitig vor der EKD-Synode hat in dem von der EKD subventionierten Monatsmagazin „Chrismon“
die für die EKD in Sizilien tätige badische Pfarrerin Christa Wolf über zwei Seiten hinweg von ihrem Glück in einer lesbischen Partnerschaft und deren öffentlicher Segnung berichtet und dabei ihre Heimatkirche kritisiert, die solche Segnungen nicht gestattet. Der Bericht stand längere Zeit im Internet auf der Titelseite von chrismon.de und dem ebenfalls von der EKD geförderten Portal
evangelisch.de . Noch vor der unmittelbar bevorstehenden Tagung der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern hat deren Landeskirchenrat die Zulassung von homosexuell lebenden Pfarrerinnen und Pfarrern in das Pfarramt und in Pfarrhäuser ermöglicht. Die Synode war schlicht ausgeschaltet. Der Landesbischof
hat anschließend aufgekommene Kritik mit dem Wunsch zurückgewiesen, homosexuelle Menschen sollten ihre sexuelle Identität „friedlich und fröhlich“ leben können; die Synodalpräsidentin sprach vom „Ende der Heuchelei“, die sie doch selbst durch bisheriges Verschweigen der eingerissenen Praxis heraufgeführt hatte. Aus den Kirchenleitungen ist kein einziges kritisches Wort zu diesen Provokationen bekannt geworden. Stattdessen gab es Mäßigungsappelle an die Kritiker dieser Entwicklungen. Die dazu aufgerufen haben, haben ihre eigenen Appelle nicht beachtet. Der Rheinische Präses Kock
warf den Einwänden seiner emeritierten Bischofskollegen „alterskonservativen Rollback“ vor. Der Badische Landesbischof Dr. Fischer
beklagte vor seiner Landessynode, dass das wichtige Werk der Rechtsvereinheitlichung in der EKD nicht angemessen gewürdigt würde, was keineswegs stimmte, und sprach davon, dass sich ehemalige Kirchenleiter in die Diskussion „eingemischt“ hätten, ein Begriff, das sonst positiv von Kirchenleitern verwendet wird, wenn sie sich politisch äußern, jetzt aber den Ruheständlern kritisch entgegengehalten wird, obwohl deren Ordinationspflichten auch im Ruhestand selbstverständlich gelten.
Die Provokationen reißen nicht ab. In Berlin kam es beim Christopher-Street-Day 2011 zu
Gottesdiensten , die die Veranstalter dieser schwul-lesbischen Parade mit Kirchenleuten vereinbart hatten, in denen höherrangige Amtsträger der Landeskirche gepredigt haben und zu denen die
Kirchenleitung selbst jedes kritische Wort schuldig geblieben ist. Die großen und bundesweit tätigen bekenntnistreuen Gruppierungen in der Evangelischen Kirche haben sich davon rechtzeitig energisch distanziert und darauf hingewiesen, dass es bei diesen Umzügen keineswegs nur um öffentlichen
Spaß für einige homosexuelle Menschen geht. „Vielmehr werden alle denkbaren Formen sexuellen Verhaltens ohne jede Einschränkung durch Anstand oder guten Geschmack vorgeführt, die Grenzen zum Jugendschutz geschleift, die Menschenwürde mit Füßen getreten.“ Die Bekenntnisbewegung „Kein anderes
Evangelium“ , Gemeindehilfsbund
und Gemeindenetzwerk
und die Konferenz bekennender Gemeinschaften in Deutschland
haben die Kirche an das erinnert, was allen Kundigen bekannt ist: „Aus einer in den USA begonnenen Bürgerrechtsbewegung zu Gunsten homosexueller Menschen ist seit Jahren eine Aktion zur Zerstörung politischer Kultur geworden. Die Unterscheidung zwischen Frau und Mann wird aufgehoben, um das Publikum zu verwirren. Mit dieser Geschlechterverwirrung soll eine neue Gesellschaft und ein neues Menschentum heraufgeführt werden.“ In den in Berlin gehaltenen Predigten war von dieser Mahnung nichts zu erkennen.
Es ist unverkennbar, dass in vielen kirchenleitenden Gremien die Ideologie der „Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft Homosexuelle und Kirche (HuK)“
eingezogen ist. Sie ist breit in andere Organisationen schwuler Aktivisten vernetzt. Ihre Antworten auf die Fragen homosexueller Menschen sind so schlicht, dass sie zunächst überzeugend klingen. Sie werden aber, wie alle Erfahrungen dauerhaft zeigen, den komplexen existentiellen Problemen der betroffenen Menschen nicht gerecht. Wie weit diese innerkirchliche Ideologisierung durch Vernetzung kirchlicher Einrichtungen geschehen ist, lehrt ein Blick auf das wüttembergische Portal „Bündnis Kirche und Homosexualität“
(www.bkh-wue.de) . Man kann unterstellen, dass die überwiegende Mehrheit der württembergischen Evangelischen davon keine Ahnung hat. Offen bleibt indes, ob die Kirchenleitung auch keine Ahnung hatte oder schlicht nicht zur Kenntnis nehmen oder einfach nur schweigen wollte.
Das Schweigen von Kirchenleitungen kann auch sonst zur Provokation werden. Das ist zur Zeit besonders der Fall im Schul- und Bildungsbereich. Es gibt neuere Empfehlungen von einigen Kultusministerien zum Sexualkundeunterricht in der Grundschule. In ihnen wird das Sexuelle auf das Biologische reduziert. Das Geheimnis von Liebe, Vertrauen und Erotik bleibt außen vor und ist nicht mehr schützenswert. Die Kinder sollen in Rollenspielen Sexualverhalten trainieren! Wenn Kirchenleitungen dazu weiterhin schweigen, haben sie kein Recht mehr, von ganzheitlicher Bildung und Erziehung zu reden.
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