90 Minuten bei Ernst Zündel - Ein Besuch in der JVA Mannheim
Was hatte ich nicht alles schon gelesen und gehört von Ernst Zündel. Ein
gefährlicher, rassistischer Agitator sei er, ein Hetzer und Brandstifter,
der alles Jüdische hassen würde. Von anderen hörte ich, er sei ein Märtyrer
des Deutschen Reiches, ein freiheitsliebender, bescheidener und
sympathischer Menschenfreund, ein Diener seines deutschen Volkes.
Bei solch
gegensätzlichen Aussagen war es wohl mehr als folgerichtig, dass in mir der
Wunsch entstand, diesen Mann einmal persönlich kennen zu lernen. Dies auch
nach dem Urteilsspruch Anfang 2007 vom Landgericht Mannheim, als Ernst
Zündel mit der Höchststrafe von 5 Jahren Haft belegt wurde, wobei ihm weder
seine zwei Jahre in Abschiebehaft in Kanada angerechnet wurden noch das
Mannheimer Gericht es zuließ, dass nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner
Haft diese auf Bewährung ausgesetzt werden könne. In den Augen des Gerichtes
musste dieser Mann also wirklich ein Schwerstverbrecher und Menschenfeind
erster Güte sein, das stand also fest.
Ich gestehe, dass ich Menschen mit solchen Strafen noch nicht kennengelernt
habe, so dass ich doch mehr als neugierig war, wie denn mein persönlicher
Eindruck von diesem Herrn Zündel sein würde. So machte ich mich also auf den
Weg, ihn in Mannheim zu besuchen, in der Justizvollzugsanstalt zu Mannheim,
in der Herzogenriedstraße 111.
Zunächst war es alles andere als einfach, überhaupt einen Termin mit dem
Gefangenen zu bekommen, denn zum einen gestattet ihm die Gefängnisleitung
nur sehr wenige Besuchstermine pro Monat, zum anderen sind die meisten davon
bereits für seine eigenen Angehörigen reserviert. Er hat wohl einige
Schwestern, die ihn regelmäßig besuchen. Bereits Anfang 2008 hatte ich nach
Rücksprache mit dem Besucherdienst der JVA eine Reise nach Mannheim
unternommen, um Ernst Zündel zu besuchen, doch musste ich unverrichteter
Dinge wieder in den Zug einsteigen, da der Gefangene nichts von meinem
Kommen wusste und er den avisierten Termin bereits anderweitig vergeben
hatte. Es würde also etwas mehr Vorbereitung und Zeit benötigen, um meinen
Wunsch in Erfüllung zu bringen.
Nach einigen Briefen und Telefonaten und dank der Unterstützung einer mit
dem Häftling befreundeten Dame hatte ich aber dann doch einen neuen
Besuchstermin zugeteilt bekommen. Diesmal abgestimmt mit Ernst Zündel und
dem Besucherdienst der JVA Mannheim. So begab ich mich erneut auf den Weg
nach Mannheim, spürend, dass die Aufregung in mir stieg, denn nun sollte ich
ja wirklich diesen außergewöhnlichen Mann kennenlernen können.
Die JVA Mannheim liegt in einem der Randbezirke von Mannheim, der von vielen
Wohnblocks, einigen Geschäften und wenig Grün geprägt ist. Typische
Arbeitergegend mit hohem Ausländeranteil. Fährt man die Herzogenriedstraße
entlang, erkennt man schon von weitem die Anlage der JVA. Hohe Mauern,
darauf entrollter Stacheldraht, zumeist Backsteinfassaden. Auf der anderen
Straßenseite ein Wohnblock nach dem anderen. Die Suche nach einem Parkplatz
erweist sich gar nicht so einfach, denn irgendwie scheinen viele
Beschäftigte der JVA mit dem Auto zur Arbeit zu fahren. Aber in einer
Seitenstraße dann endlich eine Parklücke, und so ist es nur noch eine Frage
von Minuten, bis ich denn das Innere des Haftgeländes betreten kann.
Nach dem Einlass über das Außentor - die Gegensprechanlage dabei etwas
erneuerungsbedürftig, wobei das Wort "Zündel" allein schon ausreicht, das
Tor zu öffnen - geht es gleich nach rechts einige Stufen hoch. Hinter einer
Glasfront sitzen und stehen die in grau gekleideten JVA-Bediensteten, alle
so um die 30 bis 40 Jahre alt. Mit der Ausnahme einer Frau alles Männer.
Alle machen einen recht freundlichen Eindruck. Der Personalausweis wird
durch einen Schlitz hinter die Glasscheibe geschoben, und nun werden erst
einmal die persönlichen Daten in den JVA-Rechner aufgenommen. Dann wird mir
eine Art Laufzettel ausgehändigt, in dem meine Daten, die des Gefangenen und
JVA-spezifische aufgelistet sind. Außerdem erhalte ich einen kleinen
Schlüssel, mit dem ich ein Schließfach öffnen kann, in dem ich alle meine
Wertsachen und sonstige mitgebrachte Gegenstände ablegen soll. Nach den
Regeln des Gefängnisses in Mannheim darf für einen Besuch eines
Strafhäftlings rein gar nichts mitgebracht werden, weder Unterlagen, noch
Geld oder sonst etwas. Allein 10 Euro in Münzen dürfen mitgenommen werden,
die dann im Warteraum in einem Automaten für Süßigkeiten oder Getränke
ausgegeben werden müssen.
Nachdem ich mich nun aller mitgenommen Gegenstände entledigt habe und diese
im Schließfach verstaut habe, heißt es nun erst einmal warten. Ein kleiner
Warteraum nicht größer als 15 Quadratmeter, in dem einige einfache Stühle
aufgestellt sind und ein Tisch mit einer Wickelablage. Hier scheinen einige
Kleinkinder mitgebracht zu werden. An den Wänden einige teilweise vergilbte
Hinweisblätter, unter anderem eins mit dem Angebot, sich nach einem Besuch
psychologisch betreuen zu lassen.
Nach einigen Minuten werde ich aufgerufen, eine Tür öffnet sich und ich
werde einer Leibesvisite unterzogen, nachdem ich durch eine Schleuse ähnlich
die beim Flughafen durchschreiten muss und das Signal ertönt ist.
Wahrscheinlich mein Gürtel oder meine Zahnkronen, denn die Münzen musste ich
vorher schon abgeben. Die Leibesvisite erfolgt in einem kleinen Nebenraum,
der JVA-Bedienstete ist äußerst zuvorkommend. Da nichts gefunden wird, darf
ich wieder aus dem Raum hinaustreten, bekomme die Münzen wieder
ausgehändigt, ebenso den Laufzettel, und werde in einen neuen Warteraum
gewiesen, der sich nun hinter der Eingangspforte befindet. 10 Meter sind
schon geschafft, immerhin.
Nun heißt es also erst einmal die 10 Euro zu verwerten. Ich hatte von Ernst
Zündel gehört, dass er gerne Schokolade wünsche. Ritter-Sport und Toblerone
sind die einzigen Schokoladenmarken, ansonsten die üblichen Süßigkeiten
eines gängigen Automaten. Mit sieben Tafeln und zwei Riegeln in der Hand
setze ich mich auf einen der Stühle und habe ein wenig Zeit, die anderen
Besucher zu betrachten, die sich nun auch in diesen zweiten Warteraum
eingefunden haben. Eine Thailänderin, die schweigt, eine Familie wohl
arabischen Ursprungs, wobei die Großmutter ein Kopftuch trägt, die Mutter
europäisch aussieht, die kleine Tochter dagegen nicht, außerdem eine
serbische Familie mit einer Großmutter, zwei hochgewachsenen, recht bulligen
Frauen und zwei kleinen Jungs, die sich alle miteinander in einem kräftigen
Badisch unterhalten, dann noch drei Jugendliche, einer mit weißer Hautfarbe
und die beiden anderen afrikanischen Ursprungs, und schließlich noch eine
deutsche Mutter mit Tochter, Typus Unterschicht. Unweigerlich muss ich
denken: ist das Deutschlands Zukunft? Vielleicht aber auch nur ein
repräsentativer Ausschnitt der schiefen Bahn.
Nach einer kurzweiligen Viertelstunde öffnet sich plötzlich die Stahltüre
zur Hofseite, und einer der JVA-Bediensteten bittet die Besucher, in den Hof
zu gehen. Er kommt auf mich zu und fragt mich, ob ich denn derjenige sei,
der Herrn Zündel besuchen wolle. Ich bestätige ruhig und freundlich. Nun
gehen wir alle, wie bei einer Besichtigung, hinter dem JVA-Bediensteten über
den Hof her, der sich zwischen dem Eingangsbereich und einem der JVA-Trakte
befindet. Zur linken und rechte Seite sehe ich wieder Mauern und
Stacheldraht, oben dagegen blauer Himmel und Sonnenschein.
Nach etwa 40 Metern werden wir links in das Gebäude geführt und dürfen nun
eine Treppe hinaufgehen, bis in die dritte Etage. Wir werden in einen Raum
geleitet, vielleicht 40 Quadratmeter groß. Kleine Tische füllen den Raum,
darum zwei bis fünf Stühle, am Ende des Raums ein Aufsichtsraum, mit
Glasscheiben verkleidet. Ich bekomme den kleinsten Tisch zugewiesen, direkt
an der Außenwand, links und rechts Fenster, die nach außen zeigen. Neben
mir, nicht einmal zwei Meter von meinem Tisch entfernt, stehen zwei der
anderen Tische, an denen sich zwei von den Besuchergruppen hinsetzen.
Vertraulichkeit ist hier sicherlich nicht möglich, denke ich mir.
Nach ein paar Minuten, alle Besucher sitzen nun erwartungsvoll an ihren
Plätzen, wird nun eine Tür an dem für mich entgegengesetzten Ende des Raumes
geöffnet. Ich sehe, wie der JVA-Bedienstete in den Flur hinter diese Türe
tritt und wohl einem Kollegen zuruft, die Gefangenen könnten nun vorgelassen
werden. Ich spüre, wie die Anspannung in mir wächst. Wie wird er sein? Wie
wird es sein? Wird man sich verstehen, austauschen können, oder wird es
schwierig sein, ins Gespräch zu kommen? Viele Gedanken gehen mir durch den
Kopf, wobei ich auf die aufgeschlossene Türe schaue und sehe, wie ein
Gefangener nach dem anderen in den Raum hineingelassen wird.
Die ersten zwei junge, kräftige Männer, Ausländer, dann ein junger
Deutscher, der sich zu den drei Jugendlichen begibt, dann ein langbärtiger
Mann, der etwas an einen Talibankämpfer erinnert, so wie man sie aus dem
Fernsehen kennt. Er scheint recht freundlich zu sein und macht einen
intelligenten Eindruck, jedenfalls lächelt er seine Angehörigen an und fällt
ihnen in die Arme.
Nun sind sie alle durch, es fehlt nur noch er. Es dauert eine Minute, der
JVA-Bedienstete an der Türe nickt mit dem Kopf, und dann kommt er, Ernst
Zündel. Mein erster Eindruck: recht klein, vielleicht 1 Meter 65 groß,
leicht schütteres Haar, etwas beleibt. Er trägt eine leichte, blaue Jacke,
darunter ein Hemd, eine Baumwollhose, alles ganz unauffällig. Unsere Blicke
treffen sich, ich erhebe mich und sehe ein Lächeln, einen sympathischen
Blick. Eine freundliche Erscheinung, denke ich mir. Ganz entspannt kommt er
auf mich zu und wir begrüßen uns mit Handschlag. Ein recht fester
Händedruck. Wir wechseln gleich die ersten freundlichen Worte.
Ich spüre, wir sind uns gleich sympathisch. Keine Berührungsängste, mit
diesem Mann kann man offen reden. Sein Gesicht ist etwas leicht gerötet, er
scheint ein wenig zu schwitzen. Er erzählt über eine derzeit bestehende,
jedoch wohl in Kürze wieder überwundene kleine Erkrankung.
Seine Augen sind wach, obgleich eine gewisse Müdigkeit in seinem Gesicht zu
erkennen ist. Wir sitzen uns gegenüber, lehnen uns auf den Tisch und kommen
gleich ins Gespräch. Wie es ihm gehe, wer ich denn sei, was ich so bisher
gemacht habe, warum ich ihn denn sehen wolle, was ihn so bewege usw. usf. Es
ist ein intensiver Austausch, die Zeit rast dahin. Ganze 90 Minuten stehen
für diese Begegnung zur Verfügung, und ich spüre, dass dies, wenn überhaupt,
nur dafür ausreichen wird, um sich gegenseitig ein wenig kennenzulernen.
Je länger wir uns unterhalten, um so mehr gewinne ich den Eindruck, dass dies
kein schlechter, böser Mann sein kann. Er scheint wirklich ein netter,
freundlicher Mann zu sein. Seine Ausführungen sind verständlich, flüssig,
einfach nachvollziehbar. Keine Anzeichen von Erregung, Überspanntheit, gar
Aggression oder Hass. Ein Mann, der mit sich und der Welt im reinen ist, aber
auch ein Mann, so sagt er mir, der über den Zustand seines Volkes mehr als
besorgt ist.
Ich glaube verstehen zu können, dass es ihm in all seinen Jahren in Kanada
und den USA um den selbstlosen Einsatz für sein geliebtes deutsches Volk
ging, dass er versuchte, die aus seiner Sicht entscheidenden Hinweise und
Anregungen zu geben, damit dieses Volk wieder aus eigener Kraft zu
Selbstbewusstsein und Liebe zu sich selbst finden könne. Er habe aber
erkennen müssen, dass dieser Einsatz leider nicht zu dem von ihm gewünschten
Erfolg führte. Er schmiedete das Schwert, so seine Worte, aber es wurde
nicht genutzt.
Zwischen den Zeilen glaube ich seine Trauer, vielleicht auch seine
Enttäuschung darüber zu vernehmen, dass sein Wirken in seinem Volk keinen
Niederschlag gefunden hat. Er beklagt den heutigen Zustand seines
Heimatlandes, sieht den zunehmenden Substanzverlust bereits seit den
Auswanderungen im 19. Jahrhundert als entscheidend an, neben der Millionen
Toten in den zwei Weltkriegen des letzten Jahrhunderts. Obgleich ich aus den
Worten eine gewisse Resignation zu vernehmen glaube, so höre ich auch
gleichzeitig den Willen, den Einsatz für sein Vaterland nicht ruhen lassen
zu wollen. Zwar, so sagt er, habe er nicht mehr vor, in offene Bajonette zu
laufen, denn er sei nicht derjenige, der mit dem Kopf ständig gegen die
gleiche Wand laufe. Aber wenn er etwas für sein Volk tun könne, dann wolle
er dies auch tun.
So habe er sich in der Zeit seiner Haft in Deutschland intensiv mit der
Frage der Ernährung beschäftigt, und er sei überzeugt davon, dass dieses
Thema entscheidend für den Fortbestand des deutschen Volkes sei. Es gebe
wohl Untersuchungen, die belegten, dass fortwährend ungesunde Ernährung
langfristig die Gensubstanz negativ verändern würde. Wenn man es nun
schaffen könne, gesunde Ernährung wieder durchzusetzen, so würde dies im
Gegenzug langfristig einen positiven Einfluss auf die Beschaffenheit der
Deutschen haben. Gleiches gelte natürlich auch für alle anderen Völker. Er
habe sich nun als Aufgabe gesetzt, sich mit diesen Thema intensiv zu
befassen. Natürlich auch deswegen, um seinen Geist leistungsfähig zu halten
und im Gefängnis nicht der Verblödung anheim zu fallen.
Überhaupt scheint er mir ein recht belesener und weltoffener Mensch zu sein,
der recht gut die Eigenheiten verschiedener Völker beobachtet hat. So ist er
von der Effizienz und dem Unternehmertum der US-Amerikaner sehr angetan,
bedauert die Obrigkeitshörigkeit der Deutschen, sieht aber auch die
Gutseligkeit und die Ehrlichkeit des deutschen Menschen. Bitter beklagt er
die zunehmende, wie er es ausdrückt, Pornographisierung des Alltagslebens,
die sich auch, so verstehe ich ihn, innerhalb der JVA ausbreite. All diese
Bewertungen, Analysen, Stellungnahmen erfolgen in entspanntem, wenn auch
lebhaftem Ton, ohne Hast, mit dem Bestreben, stets das Ganze im Auge zu
behalten und die Zusammenhänge, das Kontextuelle, wie er sagt, im Blick zu
haben.
In Windeseile sind die 90 Minuten vorüber, und ich merke, wie ich ihn noch
vieles fragen möchte. Aber der JVA-Bedienstete legt den Laufzettel auf den
Tisch, und ich weiß, wir haben nur noch einige wenige Augenblicke Zeit. Ob
ich etwas für ihn tun könne, frage ich ihn. Ich solle seine Frau grüßen und
ihr mitteilen, dass alles in Ordnung sei. Er freue sich schon auf die Zeit
nach der Haft, bis dahin werde er sich weiter mit dem Ernährungsthema
beschäftigen. Andere Themen würde er nun ruhen lassen, damit habe er sich
ausreichend befasst.
Ein Mann, der das Leben liebt, die Freiheit, das Unternehmertum, die
Gerechtigkeit, ein Mensch, der sympathisch und freundlich ist, eine positive
Ausstrahlung hat, sicher mit dem Willen, Dinge zu bewegen, aber ohne dabei
krampfhaft oder verkrampft zu sein. Ein Mann, mit dem ich gerne länger
gesprochen hätte, ein Mann, mit dem es sicher Freude bereiten würde, ein
Bier zu trinken, ein bescheidener, aber zugleich gebildeter und liebevoller
Mensch. Ich gestehe, ich bin von ihm eingenommen, positiv überrascht. Und
ich frage mich, wie kann so ein Mensch als Hetzer und Brandstifter
verurteilt werden und für seine Überzeugungen sieben Jahr ins Gefängnis
gesteckt werden. Doch irgendwo habe ich mal gelesen, die Frage zu stellen
bedeute, sich die Antwort zu geben. Mehr darf wohl leider nicht gesagt
werden.
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