MÜNCHEN - Schläger im Kindesalter, ein verprügelter Kontrolleur, ein fast erwürgter junger Mann – brutale Übergriffe in der S-Bahn erschüttern München. Besonders schockierend: Selbst Kinder im Alter von 14 Jahren schrecken vor brutalen Attacken auf Fahrgäste nicht zurück. Das zeigte der Angriff auf Mirko B. am späten Samstagabend.
Um kurz vor elf steigt der Computerfachmann am Hauptbahnhof in die S1 Richtung Freising/Flughafen. Nach einem Kneipenabend mit Freunden will er nach hause in die Fasanerie. Er setzt sich zu einer Gruppe Jugendlicher im Alter von 14 bis 16 Jahren und hört völlig unbeteiligt Musik mit seinem Ipod.
Doch Ruhe findet er keine. Immer wieder pöbelt der Jüngste der Gruppe, ein 14-jähriger Schüler aus Moosach, den 29-Jährigen an: „Mach Dich nicht so breit, Alter.“ Dann droht er Mirko B. sogar mit einem Tischbein-ähnlichen Holzknüppel. Mirko B. lässt sich nicht einschüchtern, denkt sich: „Was wollen die Kinder?“. Dann entreißt er dem 14-Jährigen die Waffe.
Als das Opfer schon am Boden lag, traten die Jugendlichen zu
Doch dafür nehmen die Schläger, drei Schüler und ein Maler-Lehrling, sofort Rache: Mit einer leeren Wodka-Flasche schlagen sie ihm auf den Kopf. Die Attacke ist so heftig, dass ihr Opfer bewusstlos zu Boden sinkt. „Ich habe nur noch Sterne gesehen“, so Mirko B. Dann treten die Jugendlichen auf ihn ein, zielen auf seinen Kopf. Doch Mirko B. hat Glück: Ein junges Mädchen mischt sich ein. Sie zieht die Notbremse an der Haltestelle Hackerbrücke und ruft die Polizei. Auch die übrigen Passanten beweisen Zivilcourage und wollen die Jugendlichen festhalten. Die flüchten daraufhin aus der Bahn.
Ein weiterer mutiger Fahrgast nimmt sofort die Verfolgung auf – und zeigt den eintreffenden Polizisten die Richtung, in der die vier verschwunden sind. Weit kommen die Schläger nicht. Noch ihn der Nähe der Hackerbrücke werden sie festgenommen.
Die Täter hatten Mirco B. in kurzer Zeit übel zugerichtet. „Mir tut alles weh“, sagt er zwei Tage nach der Attacke. Eine Platzwunde über dem linken Auge schmerzt, außerdem hat er eine Gehirnerschütterung. Einer der Fahrgäste, ein Arzt, versorgte ihn am Tatort bis die Sanitäter eintrafen. Ins Krankenhaus musste er nicht, doch auch emotional hat ihn die Attacke schwer gezeichnet.
Keine Fahrkarte, aber schlagende Argumente hatte ein Mann in der S 8
„Ich bin immer noch neben der Spur und kann mich kaum konzentrieren“, sagt der IT-Spezialist. Seine polizeibekannten Peiniger wurden in Anwesenheit der Eltern verhört. Gegen sie wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Nach der Vernehmung wurden sie entlassen.
Mirko B. ist dankbar, dass ihn die anderen Fahrgäste nicht alleine gelassen haben. „Als ich am Boden lag, dachte ich noch: Was, wenn die jetzt in einen Blutrausch kommen – und keiner hilft mir?“
Die Attacke auf Mirko B. war nicht der einzige brutale Zwischenfall in der S-Bahn: „Es ist an jedem Wochenende etwas los, aber diesmal war es besonders schlimm“, sagt Polizei-Sprecher Berti Habelt. Bei einer Fahrscheinkontrolle in der S 8 rastete am Sonntagmorgen ein 24-Jähriger aus. Der Betrunkene verprügelte einen Fahrkarten-Prüfer. Der Kontrolleur erlitt Hämatome am Oberkörper.
Gewürgt und Richtung Gleise geschubst - Passanten greifen ein
In einem weiteren Fall würgte ein 28-Jähriger seinen 19-jährigen Kontrahenten. Beide waren Sonntagnacht in der S7 in Streit geraten. Am Harras konnten Passanten die alkoholisierten Streithähne trennen. Dem 19-Jährigen gelang es noch, dem Würger zwei Mal mit der Faust ins Gesicht zu schlagen und ihm eine Risswunde unter dem Auge zuzufügen. Er wurde wegen Körperverletzung angezeigt.
Reinhard Keck, John Schneider