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Petz- und Beicht-Epidemie im Priesterseminar: Ein Judenwitz oder mehrere? - Bischof setzt Kommission ein

Der Evangelische Pressedienst (epd) meldete, dass einzelne der derzeit acht Seminaristen des katholischen Würzburger Priesterseminars mit verbalen Entgleisungen aufgefallen seien. Judenfeindliche Witze seien erzählt worden, rechtsradikale Musik sei abgespielt worden, auch der Hitlergruß sei gezeigt worden. 

Hiervon hat Seminarleiter Regens Herbert Baumann nach eigenem Bekunden durch den Haussprecher des Priesterseminars erfahren; außerdem durch die Würzburger Studentenverbindung Franco-Raetia . Es sei unter anderem auf Erzählungen verwiesen worden, die an der Würzburger Universität kursierten. Verantwortliche der Franco-Raetia , in der die angehenden Priester Mitglied sind, hätten sich nach dem Gedankengut von zwei Personen erkundigt. Diese hätten energisch bestritten, dass sie rechtsradikales Gedankengut teilten. Einer der Angeschuldigten werde wahrscheinlich Anzeige wegen übler Nachrede erstatten.

Die Vorwürfe richteten sich insgesamt gegen vier bis fünf Bewohner des Seminars. In den kommenden Tagen solle zusammen mit den Seminaristen eine Selbstverpflichtungserklärung* erarbeitet werden, in der ein positives Verhältnis zum Judentum festgeschrieben werde, sagte Baumann in einem Interview. Klar sei, dass drei Bewohner nach einer Gebetsveranstaltung 'Night-Fever' in der Karmelitenkirche in Würzburg sowie nach einem Konzert der Band 'Frei.Wild' zusammengesessen hätten. Im Bierkeller habe es nur eine CD mit Marschmusik und der Deutschlandfahne auf dem Cover gegeben. Nicht klar sei, ob einige Alumnen für Uniformen aus der Zeit des Dritten Reiches schwärmten und den Paradeschritt der Wehrmacht nachahmten. Gemeinsam hätten sie an Hitlers Geburtstag zusammen Bier getrunken, dass sie dies zur Feier von Hitlers Geburtstag getan hätten, dementierten sie. Nicht bestritten werde, dass am Morgen des 20. Aprils ein Priesteranwärter in kleiner Runde angemerkt habe, dass doch heute Hitlers Geburtstag sei. Baumann sagte, er habe niemanden gefunden, der ihm eine Hitler-Feier bezeugt hätte. Er könne die Leute befragen, aber ich nicht foltern. 

Er könne allerdings nicht bestreiten, dass einige wenige Alumnen bereits im Wintersemester bei unterschiedlichen Gelegenheiten Judenwitze erzählt hätten . Einen Ausschluss von Studenten lehnt Baumann zum jetzigen Zeitpunkt ab. Er könne keinen auf einen Verdacht hin entlassen, zumal ein Seminarist mit juristischen Mitteln drohe. Die Wahrheitsfindung im Seminar sei schwierig. Beim gemeinsamen Gespräch hätten sich manche mit Freunden und Sympathisanten verbündet, andere hätten Bekenntnisse gefordert, Dritte hätten sich nur mit leiser Stimme geäußert. Er, der Regens, könne die Ängste verstehen.

Herr Baumann, seit wann wissen Sie von den angeblichen Vorkommnissen im Priesterseminar?
Mir hat am Mittwoch vor Christi Himmelfahrt der Haussprecher gesagt, dass diese Geschichte vorliegt, ohne Namen zu nennen. Da saß das ganze Kollegium zusammen, und wir konnten uns das zunächst nicht erklären.
Am nächsten Tag hatten wir eine Wallfahrt, so dass wir das Thema nicht mehr ansprechen konnten. Einige Tage später wurde ich extern angerufen, unter anderem vom Senior einer Studentenverbindung, der nach zwei Alumnen gefragt hat.

Dabei soll es sich um die »Franco-Raetia« handeln und der Vorwurf gekommen sein, zwei Theologiestudenten hätten dort rechtsradikales Gedankengut verbreitet, oder?
Ja, richtig. Ich habe sie damit auch konfrontiert, und sie haben es energisch bestritten. Auch an den Vorgängen im Priesterseminar ist ihrer Aussage nach nichts dran.

Zumindest die Judenwitze haben sich aber ja bestätigt...
Das hat einer zugegeben, ja. Es war wohl im Wintersemester und in einem ganz kleinen Kreis. Was Hitlers Geburtstag angeht, war derjenige, von dem wir wissen, dass der einen Judenwitz erzählt hat, an diesem Abend sicher nicht im Bierkeller. Drei weitere waren dort aber nach einem Gottesdienst und einem Konzert. Sie sagen, es sei ein Absacker gewesen und keinesfalls eine Feier zu Hitlers Geburtstag. Der Verdacht könnte dadurch entstanden sein, dass am Morgen des 20. April Studenten am schwarzen Brett zusammenstanden und einer von ihnen anmerkte, dass heute Hitlers Geburtstag ist. Dass eine Feier stattgefunden hat, konnte trotz intensivster Befragung öffentlich und unter vier Augen keiner bestätigen. Somit können wir weder sagen, dass die Behauptung stimmt, noch, dass sie nicht stimmt. Wir müssen uns auf die Aussage der Betroffenen verlassen, etwas anderes können wir nicht tun.

Aus ihrer Stimme klingt starke Betroffenheit. Wie nehmen Sie persönlich die Vorwürfe auf?
Ich bin sehr betroffen und sehr verärgert über die Sache als solche, aber auch darüber, dass sie nach außen gedrungen ist.

Es soll aber zuvor vergebliche Versuche gegeben haben, die Missstände intern zu klären..
Bei mir kam der Vorwurf erstmals am 8. Mai auf und ich habe am 14. Mai ausdrücklich in einer Instructio (schriftliche Anweisung) gesagt, dass das nicht geht und geduldet wird. Da gibt es kein Pardon.

Welche Konsequenzen ziehen Sie jetzt?
Ich kann nicht mehr tun, als versuchen weiter aufzuklären, was passiert ist und muss mich auf die Aussagen verlassen. Sonst kann man nicht zusammenleben. Ich habe den Studenten aber auch sehr deutlich gesagt, dass Schluss ist mit der Ausbildung hier, wenn mich jemand angelogen hat.
Und zwar aus beiden Gründen: wegen der rechtsradikalen Tendenzen und des Vertrauensbruches. Zudem werden wir eine Selbstverpflichtung* zusammen mit den Studenten erarbeiten, damit sie wirklich dahinter stehen können.

Bis wann soll dies geschehen?
Ich denke, das schaffen wir in dieser Woche noch.

Das Priesterseminar Würzburg bildet die Priester des Bistums Würzburg aus. Am 11. November 1567 übernahm der Orden der Jesuiten ein Gymnasium in Würzburg. An dieses wurde fortan die Ausbildung der Kleriker gekoppelt. Im Jahr 1582 ging aus dem Gymnasium schließlich die Universität Würzburg hervor. 1789 siedelte das Seminar schließlich in das Gebäude des Jesuitenkollegs um und erhielt den Titel Seminar zum Guten Hirten. 1831 wurde die Seminarkirche St. Michael geweiht. Während des Bombenangriffes auf Würzburg 1945 brannte das Seminar nieder. Es dauerte bis in die 1960er Jahre, bis der Wiederaufbau erfolgte. Im Würzburger Seminar studieren derzeit 18 Teilnehmer aus vier Jahrgängen. Sie werden zu Priestern für die Bistümer Würzburg und Bamberg ausgebildet. 

Der Würzburger Generalvikar Karl Hillenbrand hat in einem Brief wissen lassen, dass das Erzählen von Judenwitzen und Zusammenkünfte, die an Nazirituale erinnern, nicht toleriert würden. Alles, was mit der nationalsozialistischen Ideologie in Verbindung stehe, dürfe niemals bagatellisiert werden. Zum geistlichen Leben eines katholischen Priesters gehöre das Bewusstsein der jüdischen Wurzeln unseres christlichen Glaubens.

Die Grünen-Landtagsabgeordnete Simone Tolle sagte, mit Buße und Umkehr sei es in diesem Fall nicht getan. Die katholische Kirche müsse vielmehr ihre Strukturen hinterfragen und öffentlich für Transparenz sorgen. Der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann   müsse den Vorfall zur Chefsache machen. 
  
Der Würzburger Josef Schuster , Präsident der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, sagte, die Seminaristen seien nicht fürs Priesteramt geeignet. Das erschüttere sein Vertrauen in die deutsche Gesellschaft insgesamt.

Das 'Referat gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit der Studierendenvertretung' wie auch der 'Sprecher - und Sprecherinnenrat der Universität Würzburg' distanzierten sich ausdrücklich von Rechtsradikalismus, Rassismus und Antisemitismus, insbesondere von dem Verhalten der Priesterseminaristen, und verurteilten die rechtsradikalen Umtriebe im Priesterseminar. Darüber hinaus forderten sie alle beteiligten Instanzen zur restlosen Aufklärung auf. Ebenso müssten die genannten Verstrickungen von Studentenverbindungen mit rechtsradikalen Menschen in ihren Strukturen aufgeklärt werden.

Die Landtagsfraktionen von Grünen und SPD forderten, Würzburgs Bischof Friedhelm Hofmann müsse die Angelegenheit zur Chefsache machen. Personelle Konsequenzen müssten gezogen werden, sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Volkmar Halbleib . Er forderte Bischof Friedhelm Hofmann auf, für eine lückenlose Aufklärung zu sorgen.  

Die Organisation "Wir sind Kirche" verlangte umgehend deutliche Worte und klare Entscheidungen des Bischofs. Wenn ausgerechnet Priesterseminaristen jetzt die Gegner der Kirche verharmlosten, sei das untragbar. 


*Selbstverpflichtung = Von einer einzelnen Person, einem Kollektiv meist nicht ganz freiwillig erklärte Bereitschaft, innerhalb einer bestimmten Zeit eine bestimmte Leistung zu erbringen. Solche Erklärungen wurden vor allem den einfachen Mitgliedern der kommunistischen SED abverlangt, um durch deren vorbildliches Verhalten andere Mitarbeiter zu besonderen Arbeitsleistungen, z. B. im sozialistischen Wettbewerb, zu veranlassen. - Während der seinerzeit in der SED ausgebrochenen sogenannten 'Petz- und Beicht-Epidemie' wurde damals schon eine Richtlinie für richtige Selbstkritik vom SED-ZK herausgegeben. Die erste Regel lautete: Auf den Vorwurf zu antworten und jeden Versuch zu unterlassen, die Diskussion auf Nebengeleise abzuschieben. - Die zweite Regel: Durch Selbstverpflichtung eine freiwillige Buße zu übernehmen.

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