Landschaften
Der Verfasser des im März 2013 in der Deutschen Verlagsanstalt erschienenen Buches
'Landschaften der Metropole des Todes'
ist Otto Dov Kulka (Abbildung), der das Erscheinen der deutschen Ausgabe mit einer
Lesereise begleitete. Kulka wurde 1933 als Kind einer bürgerlichen
jüdischen Familie in Prag geboren, sein Vater Erich Kulka
geb. Schoen war Journalist. 1941 wurde Otto Kulka mit seiner Mutter Elly nach Theresienstadt
deportiert, von wo beide im September 1943 weiter nach Auschwitz-Birkenau
gelangten, wo sein Vater schon seit 1941 einsaß. Nach anderen
Informationen wurde Erich Kulka erst 1943 wegen reichsfeindlicher Tätigkeit verhaftet und an verschiedenen Orten gefangengehalten, darunter mehr als zwei Jahre in Auschwitz-Birkenau.
In Birkenau leitete er die Schlosserei im Männerlager, welche ein Verbindungszentrum des internationalen Lagerwiderstandes war.
Die Mutter und ihr neunjähriger Sohn
kamen in das Birkenauer Familienlager, das im September 1943 mit 5000 aus Theresienstadt deportierten Juden errichtet worden war, und das bis 1944 aufrechterhalten wurde.
Überraschender Weise konnte der Vater sich mit Frau und Sohn zusammentun.
Dabei wurde Mutter Elly erneut schwanger. Die Familien konnten im
Familienlager zusammen bleiben, durften ihre Zivilkleidung und ihr Gepäck
behalten und zusammen schlafen. Dort gab es ein Krankenhaus, Schulen und
Theateraufführungen. Auch einen Kinderchor, dem Otto Kulka angehörte und
der von Fredy Hirsch
betreut wurde. Dieser studierte mit den Kindern Schillers "Ode an die Freude" ein. Drei Monate später traf ein zweiter Transport mit weiteren 5000 Juden aus Theresienstadt ein. Im Mai 1944 trafen zwei weitere Transporte ein.
Otto Kulka beschreibt in seinem Buch, wie er durch den Zaun seinem Onkel -
oder in anderer Erinnerung seinem Vater - etwas zu essen gab, als es einen Aufstand des Sonderkommandos
gegeben hatte. Der Zaun war geladen, der Junge hing am Zaun, schwebte
über dem Boden, während ein sowjetischer Kriegsgefangener sich unweit auf einen Stab stützte.
Irgendjemand nahm den Stab des Kriegsgefangenen und stieß den Jungen vor die Brust,
so dass er vom Zaun gelöst herunterfiel. Aus den Tiefen der Gaskammern
hörte er jetzt die zum Tode Verdammten die tschechische Nationalhymne ,
die zionistische Hatikvah
und die 'Internationale'
singen. Danach erkrankte Kulka an Diphterie und wurde in Josef Mengeles
Krankenhaus von seiner Mutter gepflegt. Durch dies Wunder wurden beide vor
der Vernichtung bewahrt.
Im September 1944 hatte sich Kulkas Mutter
für einen Transport nach dem Lager Stutthof bei Danzig beworben. Dem
Gesuch wurde tatsächlich stattgegeben, und die Mutter gelangte ins
dortige Frauenlager. Nachdem sich beide voneinander verabschiedet hatten, ging
nach Kulkas Erinnerung die Mutter, bis sie immer kleiner wurde, also eine ziemliche Zeitlang,
von ihrem Kind davon, ohne zu winken, ohne sich umzudrehen. Seine
schwangere Mutter wollte ihr ungeborenes Kind aus Auschwitz herausbringen.
In Stutthof konnte die Mutter entbinden, das Neugeborene überlebte jedoch
nicht. Warum sich seine Mutter, nachdem der Elfjährige sich von ihr verabschiedet hatte, ohne sich umzudrehen davonging, warum sie kein Zeichen gab, das sei eine Frage, die ihn
immer verfolgt habe, berichtet Kulka. Der Mutter gelang mit drei anderen Frauen
später zwar die Flucht aus Stutthof, aber sie starb, nachdem sie sich mit Fleckfieber bei ihrer Freundin angesteckt hatte.
Nachdem Otto Kulka,
wie auch sein Vater Erich, mehrere Selektionen des Familienlagers
wundersamer Weise überstanden hatten, wurden sie bei der Evakuierung von Auschwitz
im Januar 1945 auf den Todesmarsch Richtung Westen geschickt. Auch hier
überlebten beide wie ein Wunder und später auch noch das Chaos bis
Kriegsende im Mai 1945. Damit gehört der damals 11-jährige Otto Kulka
zur Gruppe der etwa 1 Million 'Children Survivors', die der Vernichtung
entgehen konnten .
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