Verbot der Schriften des »Jungen Deutschland«
vom 10. Dezember 1835. Beschluss
der 31. Sitzung d. Frankfurter Bundestages
.
Nachdem sich in Deutschland in neuerer Zeit, und zuletzt unter der Benennung „das junge Deutschland“ oder „die junge Literatur“, eine literarische Schule gebildet hat, deren Bemühungen unverholen dahin gehen, in belletristischen, für alle Classen von Lesern zugänglichen Schriften die christliche Religion auf die frechste Weise anzugreifen, die bestehenden socialen Verhältnisse herabzuwürdigen und alle Zucht und Sittlichkeit zu zerstören: so hat die deutsche Bundesversammlung - in Erwägung, daß es dringend nothwendig
sey, diesen verderblichen, die Grundpfeiler aller gesetzlichen Ordnung untergrabenden Bestrebungen durch Zusammenwirken aller Bundesregierungen sofort Einhalt zu
thun, und unbeschadet weiterer vom Bunde oder von den einzelnen Regierungen zur Erreichung des Zweckes nach Umständen zu ergreifenden Maaßregeln - sich zu nachstehenden Bestimmungen vereiniget:
1. Sämmtliche deutschen Regierungen übernehmen die Verpflichtung, gegen die Verfasser, Verleger, Drucker und Verbreiter der Schriften aus der unter der Bezeichnung „das junge Deutschland“ oder „die junge Literatur“ bekannten literarischen Schule, zu welcher namentlich
Heinr. Heine
,
Carl Gutzkow
, Heinr.
Laube ,
Ludolph Wienbarg
und Theodor Mundt
gehören, die Straf- und Polizei-Gesetze ihres Landes, so wie die gegen den Mißbrauch der Presse bestehenden Vorschriften, nach ihrer vollen Strenge in Anwendung zu bringen, auch die Verbreitung dieser Schriften, sey es durch den Buchhandel, durch Leihbibliotheken oder auf sonstige Weise, mit allen ihnen gesetzlich zu Gebot stehenden Mitteln zu verhindern.
2) Die Buchhändler werden hinsichtlich des Verlags und Vertriebs der oben erwähnten Schriften durch die Regierungen in angemessener Weise verwarnt und es wird ihnen gegenwärtig gehalten werden, wie sehr es in ihrem wohlverstandenen eigenen Interesse liege, die Maaßregeln der Regierungen gegen die zerstörende Tendenz jener literarischen Erzeugnisse auch ihrer Seits, mit Rücksicht auf den von ihnen in Anspruch genommenen Schutz des Bundes, wirksam zu unterstützen.
3) Die Regierung der freien Stadt Hamburg wird aufgefordert, in dieser Beziehung insbesondere der Hoffmann- und Campe'schen Buchhandlung zu Hamburg, welche vorzugsweise Schriften obiger Art in Verlag und Vertrieb hat, die geeignete Verwarnung zugehen zu lassen. Vorgeschichte:
Nach der Julirevolution 1830 in Frankreich
wurde in liberal gesinnten Kreisen das Bedürfnis nach einer geistigen, politischen und sozialen Neuorientierung wach, dem die Schriftsteller des sogenannten Jungen Deutschlands Rechnung trugen. Ihre Thematik
war auf das Zeitgeschehen bezogen, sie kämpften für die Ideale eines gebildeten und fortschrittsorientierten Bürgertums, ihre Ausdrucksweise
war unmittelbar und sie wünschten nicht nur engen Kontakt mit dem Leser, sondern
wollten ihn darüber hinaus weltanschaulich beeinflussen.
Diese Tendenzen erregten Anstoß bei der Obrigkeit, weswegen die Frankfurter Bundesversammlung
im Dezember 1835 ein Verbot gegen diese Literaten und ihre Verleger aussprach und auch die Lektüre ihrer Schriften sanktioniert wurde. Dieses Verbot fasst eine Gruppe von Autoren unter dem Begriff „Junges Deutschland“ zusammen.
Diese Bezeichnung war nicht im Sinne einer literarischen Schule oder Gruppe
gewählt, sondern in Anlehnung an revolutionäre Vereinigungen außerhalb Deutschlands – etwas das Junge Frankreich oder das Junge Italien.
Betroffene Schriftsteller: Zum Jungen Deutschland wurden wenige Autoren gezählt
und nur fünf namentlich in dem Verbot vom 10. Dezember 1835 erwähnt. Trotz gemeinsamen Tendenzen
ließ sich aus deren Schriften kein gemeinsamer Standpunkt, kein gemeinsames Zentrum oder gar ein festes Programm ableiten.
Heinrich Laube redigierte 1833/34 die "Zeitung für die elegante Welt"
, die unter seiner Regie zu einem bedeutenden
Medium für das Junge Deutschland wurde. Zu den Vorbildern des Jungen Deutschland gehörten neben Heinrich Heine und Ludwig Börne
auch historische Personen, allen voran Martin Luther . Er
war jedoch nur der erste in einer langen Reihe von Vorbildern, die sich alle dadurch auszeichnen, dass sie mehr Geistesfreiheit forderten und dadurch in Konflikt mit der Obrigkeit gerieten.
Im Hinblick auf die Literatur setzten sich die Jungdeutschen stark mit der Romantik auseinander, die sie überwinden wollten. Sie bevorzugten kurze Prosaformen wie Novellen, Briefe und Reiseberichte. Es
fand auch eine Hinwendung zum Drama statt, angeregt von Christian Dietrich Grabbe
und Georg Büchner , doch diese neuen Dramen
sprengten die gängige Dramenform und wurden zu Tendenzstücken. Inspiriert von Heinrich Heine erschienen auch Sammlungen von Gedankenlyrik mit politischem Bezug.
Die Autoren begannen, mit den vorhandenen Formen zu spielen, was ihrer Literatur den Charakter eines Experiments verlieh. Das zentrale künstlerische Problem
war die Darstellung der Wirklichkeit und des Lebens, ein Ziel, das sich später auch Realisten und Naturalisten
setzten.
Heine wurde zwar im Urteil der Bundesversammlung namentlich genannt,
gehörte aber literaturhistorisch nicht zum Jungen Deutschland, sondern
zur Spätromantik. Das Junge Deutschland strebte keine politische, sondern eine in erster Linie literarische Revolution an.
In den 1840er Jahren wurde schnell klar, dass sich das Junge Deutschland selbst überlebt hatte. Als 1842 das Urteil gegen die Jungdeutschen in Preußen aufgehoben
wurde, begannen die Autoren, sich in der Öffentlichkeit gegenseitig anzugreifen, was auch die zwischen ihnen herrschenden Differenzen
deutlich zum Ausdruck brachte. Es kam eine neue Generation von jungen Literaten auf, die man dann (literarischen) Vormärz
nannte.
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