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Montag, 10. Februar 2014

Ernestina - die Historische Universität Rinteln

Rinteln an der Weser war lange eine Universitätsstadt. Die 'Ernestina' wurde 1621 gegründet, als eine der ersten Universitäten in Deutschland. Sie bestand bis zum Jahr 1810, als 'König Lustik' (lustik, lustik demain encore lustik), der Bruder des Besatzers Napoleon, alle Finanzmittel für seinen aufwändigen Hofstaat gebrauchte und alle kleinen Hochschulen in seinem Einzugsgebiet, also auch die 'Ernestina' schließen ließ. 

 

Die 'Ernestina' spielte eine große Rolle während der Zeit der Hexenverfolgung. Hier entschieden die Juraprofessoren darüber, ob jemand als Hexe angeklagt werden durfte. Die Universität Rinteln ('Ernestina'), die Universität Rostock ('Alma Mater Rostochiensis'), die Universität Helmstedt ('Academia Julia') und die Universität Wittenberg ('Leucorea') waren führende gutachterliche Universitäten während der Hexenprozesse. Die Spruchpraxis an den allgemeinen deutschen juristischen Fakultäten war recht unterschiedlich. Die juristischen Fakultäten der Universitäten Helmstedt und Rinteln galten als 'hardliner' in Sachen Hexenverfolgung. Im weiten Umkreis, bis hin nach Minden, Lemgo, Loccum, ja Bremen, waren es die Juristen der 'Ernestina', die zu Rate gezogen werden mussten. In messerscharfer Argumentation zeigten sie, das noch höherem Recht keine Hexe der Anklage entkommen durfte. 

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In dem 1630 in Rinteln erschienenen Werk:


'Processus juridicus contra sagas & veneficios; das ist: Rechtlicher Proceß, Wie man gegen Unholden und Zauberische Personen verfahren soll : Mit Erweglichen Exempeln und wunderbaren Geschichten, welche sich durch Hexerey zugetragen, außführlich erkläret. Una cum decisionibus quaestionum ad hanc materiam pertinentium' (Herman. Goehausen ed. et recens / Paul Laymann. - Rintelii ad Visurgim: Lucius, 1630) 

 

des Rinteler Professors Hermann Goehausen, wurde der besonderen Stellung der Rintelner Juristenfakultät in den Hexenprozessen Ausdruck verliehen. Als Mitglied des Spruchkollegiums verwendete Goehausen darin häufig Fälle aus der Rintelner Spruchpraxis als Belege und Anschauungsmaterial in seinen Ausführungen. Das Buch ist nicht das einzige zur Theorie der Hexenlehre, aber bei weitem der wichtigste gedruckte Beitrag zu diesem Thema. Goehausen, Sohn des Brakeler Bürgers Franz Goehausen und der Catharina Heistermann, war nach Studium und Promotion von 1622 bis 1632 Professor an der 'Alma Ernestina' in Rinteln. Sein erstes größeres, 1629 in Rinteln erschienenes Werk 'Decisio Trium Quaestionum Usu frequentium' beschäftigt sich schon mit drei Fragestellungen aus dem Umfeld der Hexenprozesse: 1. Ob die „kalte Wasserprobe“ zuverlässig und legitim sei. 2. Ob der Richter eine ihm angezeigte Person der Folter unterwerfen solle. 3. Ob die Berichte über nächtliche Hexentreffen wahr seien. 
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Die Familie Goehausen spielte in der Geschichte der Hexenverfolgungen eine sehr merkwürdige Rolle. Hermann Goehausen (1593-1632), gebürtig aus Brakel, wurde 1622, nach Studium und Promotion, Professor der Rechtswissenschaft an der protestantischen Universität Rinteln. Spätestens Ende der 20er Jahre konvertierte er zum Katholizismus und war daraufhin an dem Versuch der Rekatholisierung Norddeutschlands beteiligt. Seine Schwester Katharina Cothmann, verheiratet mit Dietrich Cothmann, aus einer der ältesten, angesehensten Familien der Grafschaft Lippe, wurde 1654 als Hexe in Lemgo hingerichtet. Ihr Sohn Hermann Cothmann wurde seinerseits durch umfangreiche Hexenverfolgungen in Lemgo als 'Hexenbürgermeister' bekannt . Ihr Schwager war der bekannte Jurist und Rostocker Professor Ernst Cothmann. In der Stadt Lemgo mit 4.000 Einwohnern sind ca. 300 Opfer nachgewiesen.  
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Was die Inhalte der Lehre Goehausens betrifft, so wäre man als aufgeklärter Mensch allerdings ziemlich schockiert: Wie noch bis ins 19. Jahrhundert hinein an den meisten deutschen Universitäten gab es auch in Rinteln nur die vier mittelalterlichen Fakultäten Philosophie, Juristerei, Medizin und Theologie, allesamt ziemlich unberührt von einem Geist der Aufklärung. Die Professoren hielten am überlieferten Kanon fest und zeigten sich selten geneigt, einen Schritt in das weite Feld der Forschung zu wagen. Dass kaum jemand der Anklage entkam und dass praktisch immer die 'peinliche Befragung', die Folter, angeordnet wurde, war eindeutig Professor Goehausens Verdienst. Zweifel sind ihm nie gekommen. Nach Goehausens Kodex wurde in Rinteln gegen die Hexen verfahren. Die Verhaftung und Verhörung der Verdächtigen ging von Bürgermeister und Rat aus, die die Verhafteten im Rathaussaal vernahmen. Doch ist zu beachten, das Bürgermeister und Rat in Hexensachen nichts taten, ohne die juristische Fakultät in Rinteln zu befragen, so dass diese der eigentliche Hexenrichter war.
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Ein preußischer Beamter auf Deutschlandreise verfasste 1789 einen Bericht über 14 außerpreußischen Universitäten. Bis auf die aufstrebende und finanziell gut ausgestattete Göttinger Universität kamen alle anderen über die Note 'mangelhaft' nicht hinaus. Nicht nur niedrige Professorengehälter, dürftige Ausstattung an Lehrmitteln, todlangweilige Vorlesungen, die obendrein recht häufig ganz ausfielen, und uninteressierte Studentenschaften mit einem rohen, wilden Lebenswandel musste der Beamte registrieren, sondern auch Professoren, die durch Eitelkeit und sinnlose Streitsucht das akademische Streben zum Erliegen brachten. Die Juristen seien teils zu ängstlich, teils zu monotonisch und die Stimme unangenehm und insgesamt sah er unter den Lehrenden überall nur Hypochonder und verschrobene Sonderlinge.  

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