Mittwoch,
13. August 2014
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Angesichts der barbarischen Blutbäder, der rauchenden Trümmer und des menschlichen Leids, das
ISIS- beziehungsweise IS-Kämpfer hinterlassen, ist der Wunsch nach einer schnellen und entschlossenen Intervention an sich völlig verständlich. Natürlich müssen diese marodierenden Terror- und Mörderbanden aufgehalten werden, darüber dürfte wohl Einigkeit herrschen. Nur sollte man dabei nicht vergessen, was der heutigen Situation im Irak vorausging, und so „kalt“ es manchen erscheinen mag: Man muss erst recht nach den möglichen Motiven hinter den Bomberangriffen auf Stellungen des IS fragen. Denn leider könnte doch mehr dahinterstecken als nur ein aufrichtiger Wunsch nach „Befriedung“ und Beendigung des Elends.
Zudem wird in den momentan geführten Diskussionen gerade im Mainstream natürlich gerne versehentlich vergessen, dass die heutige Lage im Irak nicht zuletzt den beiden unter Papa und Sohnemann Bush geführten, auf nichts als Lügen und Manipulationen basierenden Angriffskriegen zu verdanken ist. Hinweise darauf sucht man meistens vergebens. Stattdessen soll nun der Eindruck erweckt werden, die ISIS-Milizen hätten sich mehr oder weniger spontan zusammengerottet, sie seien quasi aus dem „Nichts“ gekommen, es bestünden keinerlei Verbindungen zu den außenpolitischen beziehungsweise geostrategischen „Aktivitäten“ in der Region, also beispielsweise in Syrien oder Libyen, deren Blutspuren direkt zu ISIS/IS führen. Die Tore der Hölle haben sich bereits geöffnet – und zwar dank eines extrem aggresiven Interventionismus, weltpolizeilichen Führungsanspruches und Dominanzdenkens, das vor allem von den sogenannten „Think Tanks“ der Neocons ausgeschwitzt wurde, die in großer Zahl auch in Obamas Kabinett weiterspuken. Man muss daher leider ganz nüchtern fragen: Geht es hier wirklich um ein aufrichtiges Bemühen, die eigenen Häufchen, die man in der Region hinterließ, aufzufeudeln – oder wieder einmal nur darum, mittels einer zu großen Teilen selbstgestrickten Bedrohung den Ruf nach der weltgrößten Pickelhaube zu erneuern? Doch der Reihe nach.
Hillary Clinton warf Obama unlängst vor, nicht genug zur Unterstützung der „Rebellen“ in Syrien getan und dadurch den Aufstieg von ISIS mit begünstigt zu haben. Der Trick besteht hier natürlich darin, den Bürgern weismachen zu wollen, Washington habe den „Widerstandskämpfern“ nur marginal geholfen, es wäre deutlich mehr „Military Aid“ („militärische Hilfe“) nötig gewesen – und das, obwohl sie von vornherein kräftig gepäppelt wurden, unter anderem über Waffenschiebereien aus Libyen. Dazu sagte der mittlerweile aus dem Dienst geschiedene Lt. General William Boykin in einem Interview mit CNS News, Aufgabe des am 11. September 2012 ermordeten Botschafters John Christopher Stevens sei es gewesen, al-Qaida mit Waffen zu versorgen, unter anderem mit Stinger-Raketen – Terroristen, die, so Boykin, von den kontrollierten US-Konzernmedien fälschlicherweise als „Rebellen“ bezeichnet würden. Boykin sagte, Stevens hätte von Washington die Anordnung erhalten, die syrischen Rebellen zu unterstützen, und zwar durch Waffenlieferungen unter Mithilfe der türkischen Regierung. Bei der sogenannten Botschaft in Bengasi habe es sich in Wahrheit um eine Einrichtung des State Department für Spezialmissionen gehandelt.
Weitere Verdachtsmomente tauchten auf, der wahre Grund für die Ermordung des US-Botschafters sei nicht das überdies unter ziemlich mysteriösen Umständen entstandene „Mohammed-Video“ gewesen, in dessen Produktion auch ein Informant des FBI verwickelt war, sondern die Beseitigung eines Mitwissers, der an Waffenschmuggeleien beteiligt war mit dem Ziel, den Nahen Osten sowie Afrika gemäß der „Brzeziński-Doktrin“ weiter zu destabilisieren und in Unruhe zu halten. Für diese These spräche, dass man in Washington bereits 48 Stunden vorher über den Angriff auf das Konsulat informiert war; weiterhin, dass Sonderkommandos, die schnell eingreifen und Schlimmeres eventuell hätten verhindern können, auf Geheiß des Weißen Hauses zurückgehalten wurden.
ABC News zufolge wurde Stevens 2011 von der Obama-Administration als Liaison für die libysche Opposition eingesetzt. Im März 2011 kam dann heraus, dass diese sogenannte Opposition nichts anderes war als al-Qaida. Das State Department sowie Stevens arbeiten direkt mit Abdelhakim Belhadi von der LIFG („Libyan Islamic Fighting Group“, „Libysche Islamische Kampfgruppe“) zusammen. Die Ermordung Stevens‘ brachte die Waffenschiebereien von libyschen Al-Qaida-Kräften gen Syrien jedoch nicht zum Erliegen. Die „Sunday Times“ berichtete im Dezember 2012, die Vereinigten Staaten betrieben eine „verdeckte Operation, um syrische Rebellen zu bewaffnen“. Dies geschähe im Rahmen einer Strategie, Syriens Präsidenten Baschar al-Assad zu stürzen. „Mörser, RPGs („Rocket Propelled Grenades“, zu Deutsch „Panzerfäuste“) und panzerbrechende Raketen werden durch das Territorium verbündeter Nahost-Staaten transportiert, die die Rebellen bereits ausrüsten und mit Nachschub versorgen, berichteten diplomatische Quellen. Die Amerikaner hätten Waffen aus den Beständen Muammar al-Gaddafis aufgekauft, darunter auch SA-7-Raketen, die zum Abschuss von Flugzeugen eingesetzt werden können.“ Am 29. April 2013 berichtete das Portal Sky News unter Berufung auf russische Quellen, eine solche SA-7-Rakete unter Kontrolle von al-Qaida habe ein russisches Passagierflugzeug über syrischem Gebiet nur knapp verfehlt; die Piloten hätten gerade noch ausweichen können.
Im Juni 2013 sagte der ehemalige französische Außenminister Roland Dumas, die Intervention in Syrien sei bereits zwei Jahre vor Beginn der Proteste und Unruhen in Damaskus und Aleppo geplant und vorbereitet worden, also derjenigen Aufstände, die den Konflikt entzündeten – und zwar von den Vereinigten Staaten und ihren NATO-Verbündeten. Den „Rebellen“ seien Trainings- und Nachschublager in den mit den USA verbündeten Nationen in der Region bereitgestellt worden, darunter auch die Türkei sowie Jordanien. Von diesen Camps aus seien sie dann über die Grenze marschiert, um Syrien zu destabilisieren.
Der englische „Daily Telegraph“ und die „New York Times“ berichteten im März letzten Jahres, eine große Lieferung an Waffen und Ausrüstung sei den Rebellen per Luftbrücke geliefert worden; es habe sich um eine von der CIA koordinierte Aktion gehandelt, die von Saudi-Arabien finanziert worden sein soll.
Also bewaffnet weitere Rebellen – schnell! Nicht, dass sich ohne die USA noch die Tore der Hölle öffnen!
Der heutige Anführer des ISIS, Abu Bakr al-Baghdadi, dessen wahrer Name „Awwad Ibrahim Ali al-Badrial-Samarra“ lautet, war von 2004 bis 2009 Insasse im Camp Bucca, einem Strafgefangenenlager des US-Militärs in der Nähe des irakischen Umm Qasr. James Skylar Gerrond, ehemals Angestellter der U.S. Air Force Security Forces sowie Lagerkommandant, sagte aus, bei diesem Lager handele es sich um eine Art „Schnellkochtopf für Extremismus“ („Pressure cooker for extremism“). Dr. Kevin Barrett, in den USA einer der bekannteren und entschiedensten Gegner des „War on Terror“, äußerte außerdem den Verdacht, al-Baghdadi könnte während seiner Zeit dort einer „Gehirnwäsche“ beziehungsweise einer „Konditionierung“ oder „Programmierung“ unterzogen worden sein. Neben Barrett haben auch einige andere Kritiker aus dem zivilen Bereich sowie Beamte des US-Militärs, die an die Öffentlichkeit traten, weil sie mit den gruseligen Methoden, die in solchen Einrichtungen praktiziert werden, nicht mehr zurechtkamen, die Befürchtung geäußert, nicht nur in Camp Bucca, sondern auch im berüchtigten Gefängnis Abu Ghraib sowie im „Folterkeller“ Guantanamo könnten – mittels extremer physischer sowie psychischer Gewalt – regelrechte „Mandschurische Kandidaten“ herangezüchtet worden sein, die dann von der Kette gelassen werden, um die „Never ending Story“ des Kampfes gegen den „internationalen Terrorismus“ weiter befeuern zu können. Al-Baghdadi, der bereits vor seiner Inhaftierung in Camp Bucca als einer der größten „Hassprediger Husseins“ galt, wurde im Jahre 2009 auf Wunsch der Obama-Administration auf freien Fuß gesetzt. Bei seiner Entlassung soll er den Wachsoldaten am Tor zugerufen haben: „I‘ll see you guys in New York.“ („Ich seh‘ euch Jungs in New York.“)
Auch Michael Knights, Lafer Fellow am Washington Institute for Near East Policy, der als „obsessiver Beobachter von ISIS“ gilt, sagte, die Waffen, die in die Hände der Terrormiliz gelangten, stammten aus dem „Stellvertreter-Krieg“, der von der amerikanischen und saudischen Regierung gegen das Assad-Regime lanciert wurde. Dieser Krieg, so Knights, habe ihnen „großen Zugriff auf schwere Waffen“ ermöglicht.
Es wurde mittlerweile ebenfalls nachgewiesen, dass das Obama-Regime – unter großem Beifall und mit passionierter Unterstützung zweier der berüchtigtsten Neocon-Kriegsschreihälse und Rüstungslobbyisten, Senator John McCain sowie Lindsey Graham – Hunderte von Millionen Dollar sogenannter „Hilfsgelder“ sunnitischen Dschihadisten in Syrien bereitstellte. Mehr als tausend der Empfänger dieser Gelder sind nun bei ISIS aktiv. Außerdem sollen die amerikanische sowie englische Regierung dieselben sunnitischen Kämpfer in Syrien mit Pick-Up-Trucks (Pritschenwagen) der Marke Toyota ausgerüstet haben. Ein Kommentator vor Ort in Syrien spottete, als die ISIS-Milizen die syrisch-irakische Grenze überquerten, habe es fast wie ein „Werbespot für einen Autohersteller“ ausgesehen.
Das Ron Paul Institute for Peace and Prosperity schrieb auf seiner Website zum Dauerkonflikt in der Region: „Nirgendwo in der jüngeren Geschichte wurden Absurdität und Kontraproduktivität des Interventionismus so deutlich wie in den jüngsten, dramatischen Entwicklungen im Irak. Derselbe ISIS, der nun den Irak angreift, wurde in Syrien durch US-Lieferungen von Waffen an ‚syrische Rebellen‘ unterfüttert. Mit anderen Worten, ISIS nutzte die Einmischung Washingtons in Syrien, um den von Washington unterstützten Irak zu beschießen.“ Mit „Washington-backed Iraq“ (im englischen Originaltext) ist gemeint, dass es sich bei der derzeitigen Regierung des Landes um ein weiteres Muppet-Regime des Weißen Hauses handelt – was auch den Tatsachen entspricht.
Das soll an dieser Stelle erst einmal genügen. Die Fülle an Informationen, die auf eine Beteiligung Washingtons und seiner Verbündeten Saudi-Arabien, Katar, der Türkei und der britischen Regierung an der heutigen Situation in der Region sprechen, lassen sich nicht in einem Artikel aufarbeiten – dazu könnte man schon ein Buch schreiben, noch dazu eines von Dostojewskischem Umfang. Ein kleines „Schmankerl“ noch, auf das ich in einem Artikel für ef-online bereits vor vielen Monaten hingewiesen hatte: Dieselbe al-Qaida, die – laut der offiziellen Darstellung – für den 11. September 2001 verantwortlich gewesen sein soll, wurde in einem Artikel auf der Webseite des Council on Foreign Relations (CFR), des einflussreichsten Think Tanks zur Ausarbeitung US-außenpolitischer Leitlinien, als „willkommener Einfluss in Syrien“ bezeichnet. Noch absurder, noch grotesker geht es wirklich nicht. Wer da nicht endlich hellhörig wird, sollte einen Umzug in einen Maulwurfsbau in Erwägung ziehen.
Einige der in diesem Artikel präsentierten Informationen wurden bereits bestätigt und sind somit „on record“, also offiziell, andere hingegen bedürfen noch der Verifizierung. Wie groß der Einfluss der unschuldigsten US-Regierung aller Zeiten bis zum Sanktnimmerleinstag im Einzelnen auch immer sein mag, eines steht leider unumstößlich fest: Das derzeit tobende Chaos, soweit liegt das Ron Paul Institute goldrichtig, ist auch die Folge eines Interventionismus, der sich ohne Rücksicht auf Verluste regelmäßig mit „Schmuddelkindern“ einlässt, um sich hinterher über die erwartbaren Resultate zu „wundern“. Es ist zudem, weshalb es sich beim eingangs angeführten Zitat aus der „Welt“ um eine Fehlanalyse handelt, die krasser nicht sein könnte, kein unerwünschtes Nebenprodukt, sondern Teil einer Strategie, die eine „Talibanisierung“ oder Balkanisierung nicht etwa zu vermeiden, sondern gezielt herbeizuführen sucht. Auch dazu existiert Literatur in Hülle und Fülle, dazu findet man Beweismaterial in ausreichend großer Menge, mit dem man den einen oder anderen langen Winterabend sehr kurzweilig gestalten kann. Man muss sich nur mal damit beschäftigen. Dazu fehlt es dem Mainstream mit dem Blubb aber an Zeit, muss dieser sich doch vorrangig um viel größere Skandale kümmern, zum Beispiel Manipulationen einer Casting Show oder eines Rankings für Gärten, Parks und Seen oder andere Nagelproben für die westliche Zivilisation.
US-Präsidentendarsteller Obama scheint unterdessen auch immer kirrer zu werden. Erst versprach er den amerikanischen Bürgern, es handele sich bei den Luftschlägen gegen ISIS-Stellungen um schnelle Eingriffe, eine Ausweitung der Intervention stehe nicht zu befürchten. Am 6. August hieß es dann aber: „Ich denke nicht, dass wir dieses Problem innerhalb einiger Wochen lösen können. Es wird einige Zeit in Anspruch nehmen.“ Es ist immer dasselbe dumme Gewäsch: schön den Mund voll nehmen und Versprechen geben, die sowieso nie gehalten werden. Kein Wunder, dass laut einer jüngsten Erhebung nur noch 13 Prozent (!) der Amerikaner mit „ihrer“ Regierung zufrieden sein sollen.
Wie gesagt: Das Morden muss aufhören, keine Frage. Um dies zu erreichen, müssen aber auch die verdeckten Schweinereien ans Tageslicht gebracht werden, die es begünstigen, finanzieren und bewaffnen – auch wenn es schmerzt und liebgewonnene Bilder vom Freund, dem guten Freund befleckt.
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