Berlin - Kein Dealer dreht sich um, als Sirenen durch die Wiener Straße gellen. Die Dealer im Görlitzer Park erkennen am Klang, dass die Feuerwehr kommt und nicht die Polizei. Bislang hieß es oft, dass etwa 100 Schwarzafrikaner in dem Kreuzberger Park Drogen verkaufen. Nein, es sind mehr, geschätzt 200, die dort warten.
Die aggressivsten Verkäufer stehen am Kreuzungspunkt der Längsachse mit der Querung zwischen Falckenstein- und Glogauer Straße. Hier stellen sich mehrere Männer dem langsamen Radler in den Weg. Die meisten anderen begnügen sich mit den üblichen „Hallo“ zur Geschäftsanbahnung. In einer Viertelstunde sind nur zwei Kunden zu beobachten: Ein junger Mann, etwa 25, kommt schnellen Schrittes in den Park, Geld wechselt gegen Ware, händeklatschend und pfeifend macht der Käufer kehrt. Er war keine Minute im Park. Der zweite Kunde, Typ Ich-kiffe-hier-seit-30-Jahren, benötigt länger. Dreht sich erstmal einen Joint, um die Lage zu beobachten. Dann kauft auch er.
Zwei Dutzend Dealer stehen am U-Bahnhof Görlitzer Bahnhof, die meisten auf der Treppe zu den Bahnsteigen. 50 Meter von hier sind in der Nacht zu Sonnabend zwei Jugendliche aus Guinea mit Messerstichen lebensgefährlich
niedergestochen worden, die bei der Polizei einschlägig bekannt sind. Als Tatverdächtige wurden der Wirt einer Bar an der Skalitzer Straße und dessen Angestellter festgenommen. Die Auseinandersetzung ereignete sich um 1.50 Uhr unter der Hochbahn auf der Skalitzer Straße. Die Schwerverletzten schleppten sich noch auf den Gehweg und brachen dort zusammen. Die beiden türkischstämmigen
Täter wurden am Sonntag wegen versuchten Totschlags dem Haftrichter vorgeführt.
Im Görlitzer Park gibt es immer was zu erleben.
Schon bei der Versorgung der Schwerverletzten musste die Polizei eine
aufgebrachte und aggressive 15-köpfige Personengruppe bändigen. Am Morgen drangen etwa zehn Personen in die Bar ein und randalierten. Am Mittag drangen erneut Personen in die Bar ein und
versuchten, das Lokal anzuzünden.. Alle Scheiben wurden von außen mit Steinen eingeworfen, das Mobiliar des Vorgartens auf die Fahrbahn geworfen. In der Kellerbar wurden zudem Möbel zerstört und Kühlschränke aufgerissen. Die Polizei nahm neun Männer fest, aus Guinea und anderen westafrikanischen Staaten. Sie sind wieder auf freiem Fuß.
Wie nahezu alle Kriminellen, die 2014 im und am Park festgenommen wurden. 107 Festnahmen verbuchte allein die Soko, die von Mai bis Oktober im Einsatz war. Ganze neun der Festgenommenen kamen in U-Haft. Die anderen standen am nächsten Tag wieder an alter Stelle.
Für einen Haftbefehl reichen die Vorwürfe bei Kleindealern nur selten. 2013 gab es 138 Einsätze im Park. In diesem Jahr waren es bereits 352. Dabei wurden
2.249 Personen überprüft und 921 Platzverweise erteilt.
In Friedrichshain ist es ähnlich. Dort hat sich der Handel von der Revaler Straße längst in die Warschauer Straße ausgebreitet.
Der Drogenhandel und die Gewalt haben sich über Jahre entwickelt wegen einer
sogenannten Toleranz. Es sind die Dealer und Schläger, deren Regeln im Park gelten; und die das unangefochten tun können, weil die Polizei sich verabschiedet hat.
Die spezielle Ermittlungsgruppe hat sich klammheimlich aus Frust über ihre Erfolglosigkeit selbst aufgelöst.
Die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg Monika Herrmann (Grüne) fordert legale Shops für Cannabis, um den Drogenumschlagplatz Görlitzer Park zu
befriedigen.
Polizeipräsident Klaus Kandt
rief am Montag Experten zusammen. Thema: Bekämpfung der mit dem Drogenhandel einhergehenden Gewalt in Kreuzberg.
In den Wochen vor der Messerstecherei am Samstag hatte der Wirt 70 Mal die Polizei gerufen, weil sein Laden von
afrikanischen Dealern bedrängt wurde. Sein Laden befindet sich in einem Souterrain. Die Dealer
legten Drogenbunker an der Hauswand an und pöbelten Gäste und Passanten an. Der Wirt
wurde auch persönlich bedroht, weil er so häufig die Polizei rief. Am
Samstagabend wurde die Polizei gerufen, weil eine Gruppe von Dealern vor dem Haus randalierte und Flaschen warf. Die Beamten
rieten dem Wirt, nicht allein in seinem Laden zu bleiben. Deshalb rief er einen Freund
hinzu.
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