* 21. März 1763 in
Wunsiedel
† 14. November 1825 in Bayreuth
Deutscher Schriftsteller.
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Johann Paul Friedrich Richter, der sich später Jean Paul nannte, kam als Sohn
eines Lehrers und Organisten zur Welt. 1765 wurde sein Vater Pastor in
Joditz , 1776 erhielt er eine bessere Stelle in Schwarzenbach
an der Saale. Durch den Pfarrer des Nachbarortes Rehau, Erhard Friedrich
Vogel , wurde er mit dem Gedankengut der Aufklärung vertraut gemacht. Jean Paul
bildete sich autodidaktisch und verfügte schon in jungen Jahren über ein umfangreiches Bücherwissen. 1779 wechselte
er an das Gymnasium in Hof . Wenige Monate später starb sein Vater, wodurch die Familie in schwere materielle Not stürzte.
Im Mai 1781 immatrikulierte Jean Paul sich an der Universität Leipzig, betrieb sein Studium der Theologie jedoch nur lustlos. Stattdessen begann er, sich als Schriftsteller zu
fühlen: Er schrieb nach ersten literarischen Experimenten vor allem Satiren im Stile Jonathan Swifts
, die in gesammelter Form 1783 gedruckt wurden. Nach dieser Publikation blieben jedoch weitere Erfolge aus. 1784 musste Jean Paul vor seinen Gläubigern fliehen und kehrte als
gescheiterte Existenz nach Hof in das Haus seiner Mutter zurück. Ab 1787
fand er dort ein Auskommen als Privatlehrer.
Seine schriftstellerischen Erfolge begann 1793 mit dem Roman 'Die unsichtbare
Loge'. In diesem Werk verwendete Jean Paul, der seine Arbeiten zuvor unter
einem Pseudonym geschrieben hatte, aus Bewunderung für Jean-Jacques Rousseau
erstmals den Namen Jean Paul. Doch dieser Roman blieb ein Fragment. 1795
erschien sein neuer Roman 'Hesperus oder 45 Hundposttage' . Das
Buch wurde zum größten literarischen Erfolg seit Goethes
'Werther'
und machte Jean Paul schlagartig berühmt.
Auf Einladung seiner Verehrerin Charlotte von Kalb
besuchte Jean Paul 1796 Weimar. Dort wurde er respektvoll aufgenommen, doch blieb das Verhältnis zu Klassikern wie Goethe und Schiller
distanziert. 1798 zog Jean Paul ganz nach Weimar; inzwischen hatte er eine
Reihe literarischer Werke vorzuweisen: 'Siebenkäs'
(1796/97), 'Das Leben des Quintus Fixlein' (1796), 'Der Jubelsenior'
(1797) und 'Das Kampaner Tal' (1797). Im Frühjahr 1800 lernte er auf einer Reise nach Berlin Karoline Mayer
kennen, die er ein Jahr später heiratete.
Die Berlin-Reise stellte den Höhepunkt seines literarischen Ruhmes dar: Die preußische Königin
Luise
zeigte sich als begeisterte Leserin seiner Werke. Dies brachte Jean Paul dazu, im Oktober 1800 ganz nach Berlin zu ziehen, wo er sich unter anderem mit den Brüdern August Wilhelm
und Friedrich Schlegel
sowie mit Johann Ludwig Tieck , Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher
und Johann Gottlieb Fichte
anfreundete.
Vom Gipfel des Erfolges ging es für Jean Paul allmählich bergab: Seine nächsten
Romane 'Titan' (1800–1803) und 'Flegeljahre' (1804/1805) waren weniger
erfolgreich, obwohl sie heute als seine wichtigsten Werke gelten.
1804 siedelte er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern nach Bayreuth um, nachdem er von 1801 bis 1803 in Meiningen und anschließend in Coburg gewohnt hatte. In Bayreuth führte er ein zurückgezogenes Leben, unterbrochen nur von einigen
Reisen. Seine politischen Stellungnahmen fanden besonders bei patriotisch gesinnten Studenten
Widerhall. Jean Pauls Werke aus diesen Jahren, wie 'Erziehlehre' (1807) oder
'Dr. Katzenbergers Badereise' (1809), erhielten bei weitem nicht mehr die Beachtung, die der Hesperus erlangt hatte. 1813 begann Jean Paul mit seinem letzten großen Roman,
'Der Komet'. 1817 reiste er nach Heidelberg, wo er Ehrendoktor der Universität
wurde. Der Tod seines Sohnes 1821 war ein Schicksalsschlag, den Jean Paul nicht verwinden konnte:
'Der Komet' blieb Fragment. Die letzten Lebensjahre waren von Krankheiten gezeichnet: 1823 erkrankte Jean Paul am Grauen Star und erblindete allmählich. 1825 kam Brustwassersucht hinzu, an der er am 14. November
62 Jahre alt verstarb. Er ist auf dem Stadtfriedhof in Bayreuth beerdigt.
Jean Paul nimmt in der deutschen Literatur eine Sonderstellung ein und hat das Lesepublikum schon immer gespalten. Bei den einen erntete er höchste Verehrung, bei anderen Kopfschütteln und Desinteresse. Jean Paul spielte ständig mit einer Vielzahl witziger und skurriler Einfälle.
Besonders weibliche Leser schätzten seine Romane. Nie zuvor waren in der deutschen Literatur weibliche Charaktere mit einer solchen psychologischen Tiefe dargestellt worden.
Ähnlich verwirrend wie viele seiner Romane war auch Jean Pauls Charakter: Er war sehr gesellig und geistreich, gleichzeitig
sentimental und schnell zu Tränen gerührt. Jean Paul gelangte zu einer Weltanschauung ohne Illusionen, verbunden mit humorvoller Resignation.
Das literarische Motiv des „Doppelgängers“ gestaltete er in vielen Variationen aus
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Die Geschichte von Siebenkäs
wurde von Jean Paul auf dem Gipfel seiner literarischen Laufbahn geschrieben, Gipfel zumindest, was den Erfolg beim Publikum betraf. Der Armenadvokat Siebenkäs heiratet die Hutmacherin
Lenette. Beide sind
mausearm, beide aber haben sich bisher problemlos durchs Leben geschlagen. Kaum sind die zwei verheiratet, erlebt der Leser, wie sie völlig verarmen, Stück um Stück vom Haus- und Küchengerät versetzen müssen, um wieder ein paar Tage essen zu können.
Jean Paul versteht es, die Gefühle und Regungen seiner Hauptpersonen, den
Neid, das schlechte Gewissen, die Eifersucht, den Ärger, die Wut, das
Aufbegehren, aber auch das Zusammensinken aller Gefühle, die kalte
Gleichgültigkeit gegenüber dem jetzt ungeliebten Partner fein
darzustellen. Dabei verteilt er die Schuld feinsäuberlich auf beide Teile,
wohl mit ein Grund für seinen Erfolg beim weiblichen Publikum.
Doch Siebenkäs wäre keine Figur Jean Pauls, wenn er tatsächlich Siebenkäs wäre. Er ist aber tatsächlich Leibgeber. Leibgeber nämlich
heißt sein Freund, der ihm körperlich und geistig äußerst ähnlich ist. Die beiden Freunde haben vor Jahren ihre Namen getauscht. Leibgeber taucht nun nach langer Zeit wieder auf und entwickelt auch bald einen Plan zur
Rettung aus der verfahrenen Situation. Siebenkäs soll pro forma sterben und eine Stelle beim Grafen von Vaduz annehmen, die dieser eigentlich Leibgeber angeboten hatte. Zu diesem Zweck soll Siebenkäs wieder den Namen
Leibgeber annehmen. In der Zwischenzeit taucht dann auch noch eine Natalie auf, in die sich Siebenkäs unsterblich verliebt. Leibgebers Plan wird ausgeführt, und so können sich Siebenkäs und Natalie zum Schluss der Geschichte in die Arme sinken.
Um zu diesem 'Happy End' zu gelangen, geht Siebenkäs buchstäblich über Leichen. Da ist zuerst seine eigene, mit der er zugleich noch einen Versicherungsbetrug verknüpft, um Natalie einen Batzen Geld zukommen lassen zu können. Durch seinen fingierten Tod wird Lenette zu einer fiktiven Witwe - einer echten allerdings ihrer Meinung nach. Sie heiratet den gemeinsamen Freund, den Schulrat Stiefel. Dass sie damit de facto Bigamistin wird, ist ihr ja nicht bewusst. Umso bewusster ist sich dessen
Siebenkäs, den auch sein Leibgebertum nicht davon entbindet, sich nach wie vor verheiratet zu fühlen, und der deshalb schweren Herzens auf Natalie verzichtet. Doch auch das Hindernis
Lenette entfernt der Autor - und zwar auf recht brutale Weise, indem er Lenette in ihrem ersten Kindbett mitsamt der Tochter sterben lässt.
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Zitate von Jean Paul
Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.
Wer die Wahrheit geigt, dem schlägt man leicht die Fidel auf den Kopf.
Wer seine Augen nicht braucht um zu sehen,
der wird sie brauchen um zu weinen.
Freude am Strafen hat nur der Teufel.
Wurst ist eine Götterspeise. Denn nur Gott weiß, was drin ist.
Nichts macht die Menschen vertrauter und gegen einander gutgesinnter als gemeinschaftliche Verleumdung eines Dritten.
Zitate über Jean Paul
Eine solche Verbindung von Witz, Phantasie und Empfindung möchte auch wohl ungefähr das in der Schriftsteller-Welt sein, was die große Konjunktion dort oben am Planeten-Himmel ist. Einen allmächtigern Gleichnis-Schöpfer kenne ich gar nicht.
Georg Cristoph Lichtenberg
Er hat in seinen Romanen echt poetische Gestalten zur Welt gebracht, aber alle diese Geburten schleppen eine närrisch lange Nabelschnur mit sich herum und verwickeln und würgen sich damit.
Heinrich Heine
Alles hat er in sich vereint, um auch die verschiedensten Gaumen zu befriedigen; ... als er fertig war und das Publikum kostete, fand man es wohlschmeckend, delikat, aber es widerstand dem Magen, weil niemand seine Kraftbrühen, den sonderbaren, dunklen Stil, ertragen konnte.
Wilhelm Hauff
Wo Jean Paul zu denken scheint, parodiert er doch eigentlich nur die
Gedanken anderer.
Friedrich Schlegel
Ein Mann, der Orients Breite, Höhen und Tiefen durchdrungen, findet, daß kein deutscher Schriftsteller sich den östlichen Poeten und sonstigen Verfassern mehr als Jean Paul Richter genähert habe.
Johann Wolfgang Goethe
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