Montag,
27. Februar 2012
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National-Zeitung
17.
Februar 2012
"Wer hat den Tod in Syrien gesät?"
- Interview mit
Alain de
Benoist
Alain
de Benoist, Jahrgang
1943, befaßt sich unter anderem mit Ideen- und
Religionsgeschichte. Er veröffentlichte über 50 Bücher
und mehr als 3.000 Aufsätze.
National-Zeitung:
Herr de
Benoist, handelt es sich in Syrien um einen Volksaufstand?
de
Benoist: Wie
wir alle bin ich auf die in der Presse und im Internet veröffentlichten
Informationen angewiesen. Und ich stelle fest, daß nur
die für das syrische Regime nachteiligen Informationen
von den westlichen Medien verbreitet werden. Die anderen
werden schlicht und einfach ignoriert. Wenn in Damaskus
oder in Aleppo Autobomben explodieren, verbreiten die
Massenmedien sofort die Anschuldigungen der Assad-Gegner,
wonach diese Attentate in Wirklichkeit das Werk der
Regierung seien, ohne jemals den geringsten Beweis
vorzulegen, der diese Behauptungen stützt.
Es
ist offensichtlich, daß es heute in Syrien eine
Opposition gegen das herrschende Regime gibt, daß diese
Opposition Reformen verlangt und daß der syrische Präsident
falsch beraten war, sie nicht früher vorzunehmen. Aber
diese Fraktion hat weder die zahlenmäßige Bedeutung, die
ihr die westlichen Medien zuschreiben, noch die große
Unterstützung im Volk, die man ihr nachsagt. Alles deutet
darauf hin, daß Assads Gegner ihre gewaltsamen Aktivitäten
ohne die Unterstützung aus dem
Ausland
nicht durchführen könnten.
„Was
Massenmedien schreiben”
National-Zeitung:
Folgt
man den großen internationalen Medien, handelt es sich
bei den Toten in Syrien ausschließlich um Oppositionelle
und die Sicherheitskräfte erscheinen nur als Täter.
Entspricht dieses Bild der wirklichen Situation?
de
Benoist: Die
Kluft zwischen dem, was die Massenmedien schreiben, und
den Berichten unabhängiger Quellen wird immer größer.
Man zitiert die von den Gegnern Assads bekanntgegebenen
Zahlen ziviler Opfer, ohne sich um die Glaubwürdigkeit zu
kümmern – und ohne in Erinnerung zu rufen, daß in
diesem Land der Großteil der „Zivilisten” bewaffnet
ist. Wenn man an die Lügen denkt, die in der
Vergangenheit in Bezug auf den Irak und auf Afghanistan
und erst kürzlich über Libyen verbreitet wurden, ist es
richtig, skeptisch zu sein.
National-Zeitung:
Jene
Intellektuellen und Journalisten, die von einem Komplott
oder einer Verschwörung gegen Syrien und von
Desinformation sprechen, sind in den Medien kaum präsent.
Haben sie dennoch recht?
de
Benoist: Präsident
Baschar al-Assad selbst hat von einem „Komplott“ gegen
Syrien gesprochen, insbesondere bei seiner Rede an der
Universität Damaskus im Januar. Jedenfalls kann man
feststellen, daß der „Syrische Nationalrat“, bei dem
total außer Acht gelassen wird, wie repräsentativ er
wirklich ist, sofort die Unterstützung sämtlicher
bedeutender Mächte des Westens, angefangen bei den USA,
Großbritannien und Frankreich, erhalten hat, aber auch
die der Arabischen Liga, der Türkei, der Ölmonarchien am
Golf, von Katar und Saudi-Arabien, der Muslimbrüder, der
salafistischen Islamisten und so weiter. Diese große
Koalition hilft ganz offensichtlich den Oppositionellen,
direkt oder indirekt. Sie liefert ihnen Waffen. Sie
infiltriert sie zum Teil, was die Situation verschlimmert.
Die
Ziele der Assad-Gegner
National-Zeitung:
Soll das
Regime in Syrien fallen, weil es mit Rußland und dem Iran
verbündet ist?
de
Benoist: Das
Ziel der Vereinigten Staaten, Englands und Frankreichs ist
es, sich einer Regierung zu entledigen, die sich ihren
Forderungen niemals beugen wollte und der man vorwirft,
die Hisbollah im Libanon und die Hamas in Palästina zu
unterstützen. Darüber hinaus ist es klar, daß die Weltmächte
heute einen „sunnitischen Halbmond“ dem proiranischen
„schiitischen Bogen“ entgegensetzen wollen. Über
Syrien will man offenbar den Iran erreichen, auf die
Gefahr hin, im Nahen Osten einen neuen Krieg auszulösen,
der die ganze Region entflammen und auf der ganzen Welt
Auswirkungen haben würde, die heute niemand vorhersehen
kann.
Den
Muslimbrüdern geht es darum, sich für die Unterdrückung
ihrer Bewegung durch Hafis al-Assad im Jahr 1982 zu rächen.
Die Salafisten verfolgen das Ziel, die „Ketzersekte”
der Alawiten als soziale und politische Macht in Syrien zu
zerstören. Weil sie den Dialog verweigerten, den ihnen Präsident
Baschar al-Assad vorgeschlagen hat, tragen die Muslimbrüder
– die auf die Angelsachsen setzen, um zur Macht zu
gelangen – eine große Verantwortung für die
Verschlimmerung der Situation.
Aber
die Rolle Katars muß auch hervorgehoben werden. Dieser
Mikrostaat verfügt, dank des Erdöls, über quasi unerschöpfliche
Finanzreserven, die er dem Westen zur Verfügung stellt,
wobei er die fanatischsten Islamisten unterstützt.
Scheich Hamad ibn Chalifa Al Thani, Katars
Staatsoberhaupt, ist heute der Vasall der Vereinigten
Staaten, so wie seine Familie im 19. Jahrhundert der
Vasall Englands war.
Gleichzeitig
ist Katar eine deutlich schärfere Diktatur als diejenige
von Baschar al-Assad: Politische Parteien sind dort
verboten, die Parlamentsmitglieder werden von der
Staatsgewalt ernannt, unabhängige Medien werden mundtot
gemacht und ausländische Arbeitnehmer, also achtzig
Prozent der Bevölkerung des Emirats, werden wie Sklaven
behandelt.
„Balkanisierung
des Nahen Ostens”
National-Zeitung:
Wie
beurteilen Sie den russischen und chinesischen Widerstand
gegen eine „internationale“, also eine
NATO-Intervention in Syrien?
de
Benoist: Syrien
besitzt in der Tat die Unterstützung nicht nur des Iran,
sondern auch Chinas und Rußlands, die sehr zu Recht im
Sicherheitsrat ihr Veto gegen die jüngsten vom Westen
unterstützten antisyrischen Resolutionen eingelegt haben,
nachdem sie sich bei der Abstimmung über die
„Resolution 1973“ narren ließen, die es Frankreich
und Großbritannien möglich machte, Oberst Gaddafi zu stürzen.
Russen
und Chinesen haben vollkommen verstanden, daß die
Ereignisse in Syrien Teil der weitreichenden politischen
und geopolitischen Umgestaltung der Region sind, die seit
dem „arabischen Frühling“ des vergangenen Jahres dazu
geführt hat, daß die Islamisten in Tunesien, Ägypten
und Marokko am Ruder sind. Sie wissen vor allem, daß die
Destabilisierung Syriens, nach der des
Irak und der Libyens, Teil des westlichen
Projekts ist, die arabische Welt
nach stammesmäßigen, ethnischen und
konfessionellen Kriterien zu
zerstückeln.
Dieses
Vorhaben ähnelt dem
Yinon-Plan von 1982. Oded Yinon, ein Mitarbeiter des
israelischen Außenministeriums, empfahl damals die
erzwungene Balkanisierung des Nahen Ostens – nach dem
Prinzip „Teile und herrsche“. In Syrien könnte das
Ziel sein, einen Staat von Aleppo, einen Staat von
Damaskus, einen Alawitenstaat und einen Drusenstaat
wiederherzustellen, wie sie zur Zeit des französischen
Mandats über Syrien in den 1920er-Jahren bestanden.
National-Zeitung:
Was
kann für die Wiederherstellung des Friedens in Syrien
getan werden?
de
Benoist: Statt
zu einer „Kanonenbootpolitik“ im Dienst der
geostrategischen Interessen des Westens zurückzukehren,
muß man Präsident Baschar al-Assad beim Wort nehmen und
ihm zugestehen, das Reformprogramm zu Ende zu führen, das
er auf den Weg gebracht hat. Im August 2011 wurde per
Verordnung das Mehrparteiensystem in Syrien eingeführt.
Artikel 8 der Verfassung, der den Baath zur führenden
Partei erklärte, wurde aufgehoben. Eine neue Verfassung
ist jetzt angekündigt. Eines ist sicher: Wenn das
Schlimmste vermieden werden soll, muß die Zukunft Syriens
allein von den Syrern abhängen.
National-Zeitung
17.
Februar 2012
„Dem
Dritten Weltkrieg entgegen" - Interview mit Alain
Soral
Alain
Soral, Jahrgang
1958, französischer Intellektueller, Essayist und
Filmemacher, besitzt auch die Schweizer Staatsangehörigkeit.
Er stuft sich als „linksnational“ ein und sieht sich
als Dissident und Avantgarde zugleich.
Assad,
sagt Alain Soral, soll gestürzt werden, weil er sich
nicht der neuen Weltordnung unterwirft
National-Zeitung:
Herr
Soral, was passiert Ihres Erachtens in Syrien?
Soral:
Ich bin zweimal dort gewesen und sage Ihnen, was alle unabhängigen
Beobachter antworten, die sich in Syrien selbst ein Bild
gemacht haben: Wir sind Zeugen des Versuchs, ein Regime zu
stürzen, das noch nicht der neuen Weltordnung unterworfen
ist. Eines Umsturzversuchs, der sich weit mehr auf ausländische
Akteure stützt – Al-Quaida-Söldner, bewaffnet und geführt
von türkischen, katarischen und sogar englischen und
französischen Elitekommandos – als auf inländische
Gegner, die es selbstverständlich gibt, vor allem die
sunnitischen Muslime im Norden des Landes. Eines
Umsturzversuchs, der einem Programm zur brutalen
Neuordnung der arabisch-muslimischen Welt nach dem
libyschen Muster folgt. Und der im Augenblick, anders als
in Libyen, nicht zum Ziel kommt – dank der
konsequenten
Unterstützung, die Rußland und China bis jetzt trotz des
Drucks leisten.
„Die offizielle westliche Version ist Propaganda”
National-Zeitung: Folgt
man den großen internationalen Medien, handelt es sich
bei den Toten in Syrien ausschließlich um Oppositionelle
und die Sicherheitskräfte erscheinen nur als Täter.
Soral: Diese offizielle westliche Version, die nichts als
Kriegspropaganda ist, korrespondiert absolut nicht mit der
Wirklichkeit, in der bewaffnete Gruppen vom Ausland
bezahlter Söldner eine Bevölkerung töten und
terrorisieren, die mehrheitlich pro Assad eingestellt ist,
um dieses einst ruhige und relativ florierende Land in
einen Bürgerkrieg zu stürzen und daraus einen neuen Irak
zu machen ...
National-Zeitung:
Haben
also jene Intellektuellen und Journalisten recht, die von
einer Verschwörung gegen Syrien sprechen, auch wenn sie
in den Massenmedien kaum präsent sind?
Soral: Stellen Sie sich lieber die Frage, warum diese ehrlichen
Zeugen und Beobachter in unseren Medien so wenig präsent
sind. Das wiederum führt zu der Frage, wem fast alle
westlichen Medien gehören oder gehorchen.
National-Zeitung:
Will
man das Regime in Syrien zu Fall bringen, weil es mit Rußland
und dem Iran verbündet ist?
Soral:
Der Sturz des syrischen Regimes und die militärische
Besetzung, die Bankenherrschaft nicht zu vergessen, dieses
der neuen Weltordnung nicht unterworfenen Landes sind in
der Tat eine Vorbedingung für den Angriff des Imperiums
auf den Iran. Den Iran zu Fall zu bringen, dient – außer
den unmittelbaren Interessen Israels – auch der
Einkreisung des von Putin wiederhergestellten Rußland und
dem amerikanischen Ziel, den Aufstieg Chinas zu bremsen,
indem man die weltweiten Ressourcen für die
Energieversorgung kontrolliert.
„Russen
und Chinesen setzen sich zur Wehr”
National-Zeitung: Warum
leisten Moskau und Peking diesmal Widerstand gegen eine
Intervention?
Soral: Russen und Chinesen sehen sehr klar, was die Vereinigten
Staaten mit der gewaltsamen Neuordnung des Nahen Ostens
erreichen wollen. Indem sie Syrien und konsequenterweise
den Iran beschützen, machen sie nichts anderes als sich
selbst gegen den Willen der USA zur ungeteilten Herrschaft
zur Wehr zu setzen.
National-Zeitung:
Was
kann zur Wiederherstellung des Friedens in Syrien
beitragen?
Soral:
Daß man die westlichen Bevölkerungen über die Realität
informiert, wie ich das versuche. Das Imperium der Lüge
und des Raubes steht am Rande des finanziellen,
wirtschaftlichen und moralischen Bankrotts. Bei dem
Versuch, trotzdem zu überleben und zu triumphieren,
treibt es uns jeden Tag ein Stück weiter dem Dritten
Weltkrieg entgegen.
Fragen:
Gerhard Frey jr.
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