Luise Adelgunde Victorie Gottsched
* 11. April 1713 in
Danzig
† 26. Juni 1762 in Leipzig
Deutsche
Schriftstellerin.
ABCD Als Tochter eines Danziger Arztes erhielt sie schon früh Unterricht in fremden Sprachen und musischen Fächern. Im Alter von 16 Jahren lernte sie Johann Christoph Gottsched
,
Professor für Poesie in Leipzig, kennen und heiratete ihn sechs Jahre später.
Die Vorlesungen ihres Mannes musste sie der Konvention wegen hinter einer verschlossenen Tür lauschend verfolgen. Gottsched führte sie in seinen geistigen Kreis ein und ließ sie an allen Aktivitäten teilhaben. Luise war äußerst sprachbegabt, sie beherrschte Englisch und Französisch und eignete sich Latein und Griechisch an. In Leipzig wurde die
'Gottschedin' zu einer Figur des literarischen Lebens. Sie hatte erheblichen Anteil an den Arbeiten ihres Ehemanns, führte die Korrespondenz, baute die Bibliothek auf, schrieb Schriftstücke ab und beteiligte sich an Übersetzungen von Büchern und Zeitschriften aus verschiedenen europäischen Sprachen. Zu
Gottscheds Werken führte sie eigenständige Voruntersuchungen durch oder lieferte Beiträge dazu. Sie schrieb eine Reihe von eigenen Komödien
und Tragödien, die sie teilweise anonym herausgab. Ihre bekanntesten
Stücke sind:
'Die Pietisterey im Fischbein-Rocke' (1736)
,
'Das Testament' (1745)
und
'Der Witzling' (1745)
.
Im Juli und August 1742 machte Luise Gottsched eine Reise nach Danzig und Königsberg,
im August 1749 einen Kuraufenthalt in Karlsbad, anschließend eine Reise nach
Wien mit einer Audienz bei der Kaiserin Maria Theresia, und
schlie0lich im Sommer 1753 eine Reise über Naumburg, Erfurt, Gotha, Kassel,
Göttingen nach Hannover,
zurück über Braunschweig und Halberstadt wieder nach Leipzig. Sie starb in Leipzig im Alter von 49 Jahren
nach einem Schlaganfall. Im folgenden Jahr
gab ihr Ehemann postum ihre »Sämmtlichen kleineren Gedichte« heraus.
ABCD
Weitere
Infos:
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Brief von Luise Gottsched an eine Freundin vom 28. Sept. 1749, einen Tag nach der Audienz bei der Kaiserin Maria Theresia in Schloss Schönbrunn:
Des Morgens um 10 Uhr waren wir in Schönbrunn, wohin uns der Graf Esterhasi (der uns diese Audienz veranlasset) bestellet hatte. Er glaubte indessen noch, daß wir nur in der großen Antichambre der Kai-
erinn, mit 100 andern Personen zugleich die Hand küssen wür-
den, wenn Sie nach der Kirche gienge. Wir hielten uns also
daselbst mit ihm zugleich auf, und hatten in einer halben Stunde
die Gnade, die drey Durchl. Erzherzoginnen vorbey gehen zu se-
hen; die aber, auf des Hrn. Grafen Bericht an die Fürstinn
Trautson, (ihre Oberhofmeisterinn) wer wir wären, wieder
umkehreten, und uns die Hand zum Küssen reicheten: wobey ich die
Ehre genoß, von der ältesten Durchl. Prinzeßinn (Sie ist 10
Jahre alt) ein überaus gnädiges Compliment, wegen des vielen
Guten was Sie von mir gehöret hätte, zu vernehmen, und da-
bey Ihren Verstand und Ihre Leutseligkeit zu bewundern. Ver-
zeihen Sie mir, mein Engel, daß dieser Absatz ein wenig ruhm-
redig klingt. Es wird noch viel ärger kommen: allein ich kann
Ihnen keinen Begriff von der fast unglaublichen Gnade dieser
höchsten Personen zu machen; ohne viel Gutes von mir herzu-
schreiben: davon Sie am Besten wissen, daß es nicht halb wahr ist.
Gegen eilf Uhr kam ein Kaiserl. Kammerfourier und sagte uns,
wir sollten ihm folgen. Er führte uns durch viel prächtige
Gemächer, in ein klein Gemach, welches durch eine spanische
Wand noch um die Hälfte kleiner gemacht war, die Kaiserinn zu
erwarten. In wenigen Secunden, kam die Fürstinn von Traut-
son, machte uns abermals ein sehr gnädig Compliment, und
versprach uns die baldige Ankunft Ihrer Majestät. Die er-
folgte in wenigen Minuten, in Begleitung obiger drey Erzherzo-
ginnen. Wir setzten uns auf das linke Knie und küßten die al-
lerhöchste und schönste Hand, die jemals den Zepter geführet
hat. Die Kaiserinn hieß uns mit einem Gesichte, welches auch
in der furchtsamsten Seele, alle die Scheu vor einer so hohen
Gegenwart und wunderschönen Gestalt, hätte in Liebe und Zu-
trauen verwandeln können, aufstehen: wir thaten es, und Sie
hub gegen meinen Mann an: Ich sollte mich scheuen mit dem
Meister der deutschen Sprache, deutsch zu reden. Wir Oester-
reicher haben eine sehr schlechte Sprache. Auf meines Mannes
Versicherung: daß er schon vor 14 Tagen, das reine und voll-
kommene Deutsch bewundert hätte, als Ihre Majestät, bey Er-
öffnung des Landtages, ihre Stände, gleich der Göttinn der Be-
redsamkeit angeredet. Hier erwiederte Sie: So? haben Sie mich
belauscht? und setzte mit hellem Lachen hinzu: Es ist gut, daß
ich das nicht gewußt habe; sonst wäre ich stecken geblieben!
Sie wandte sich darauf zu mir, und fragte: wie ich es gemacht
hätte, daß ich so gelehrt geworden wäre? Ich erwiederte: ich
wünschte es zu seyn, um des Glückes, welches mir heute be-
gegnete, und wodurch ganz allein mein Leben merkwürdig wer-
den würde, nicht so gar unwerth zu seyn. Es hieß: sie sind
zu bescheiden: ich weis es gar wohl, daß die gelehrteste Frau
von Deutschland vor mir steht. Meine Antwort war: Meines
Wissens, ist die gelehrteste Frau, nicht nur von Deutschland,
sondern von ganz Europa, Beherrscherinn von mehr als einem
Königreiche. Die Kaiserinn erwiederte: Wofern ich sie kenne;
so irren sie sich. Sie wandte sich wieder zu meinem Manne,
und nach einigen Fragen, die Leipziger Akademie betreffend,
trat jemand in das Zimmer, den ich für den gnädigsten und
wohlgebildetsten Minister des Kaiserl. Hofes würde gehalten ha-
ben; wenn nicht die Kaiserinn gesagt hätte: das ist der Herr!
Hier legten wir uns beyde in die vorige spanische Reverenz und
Se. Majestät der Kaiser (denn der war es), gab meinem Manne
die Hand zu küssen; vor mir aber zog er sie zurück, und hieß uns
beyde aufstehen. Er fieng an mit meinem Manne zu reden,
und die Kaiserinn fragte mich: ob ich bereits viel in Wien gese-
hen hätte? Ich nannte Ihr die vornehmsten Sachen, und auf
Ihre Frage: was mir unter allen am Besten gefallen hätte?
konnte ich, meinem Herzen und Gewissen nach, unmöglich an-
ders antworten, als: Ich wünschte, daß außer Eurer Kaiserl.
Majestät mich irgend jemand in der Welt das fragen möchte.
Das allergnädigste Lächeln, so jemals von einer gekrönten
Schönheit gesehen werden kann, gab mir zu verstehen, daß die-
ser großen Frau auch ein so schlechter Beyfall nicht zuwider war.
Sie erzählte mir darauf, wie die Bibliothek vor einigen Jahren
ein Heumagazin abgeben müssen, worauf das Gespräch allge-
mein ward: und, nachdem die Kaiserinn mir gesaget, wie Sie
es wohl gehöret hätte, daß ich in Wien, sowohl auf der Kai-
serl. Bibliothek, als andertwärts, viel Kenntniß der griechischen
Sprache verrathen, fragte mich Se. Majestät der Kaiser: wie
viel Sprachen ich denn verstünde? Konnte ich Ihm wohl mit
Wahrheit anders antworten, als: Allerdurchlauchtigster Herr!
eigentlich keine recht! Beyde höchste Personen begehrten also mit
Lächeln die Antwort von meinem Manne, der denn ein Regi-
gister von meiner Sprachwissenschaft machte, das ich ihn ver-
antworten lasse.
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[Ergänzung durch Johann Christoph Gottsched nach dem Tode seiner Frau:] Noch eine Frage mit ihrer Beantwortung und Gegenantwort
muß ich hier ergänzen, so die Selige ausgelassen hat. „Haben Sie
denn auch Familie, fragte die gnädigste von allen Kai-
serinnen. Nein! allergnädigste Frau, erwiederte die Selige,
so glücklich bin ich nicht. Ach! sie meynen das sey ein Glück,
Kinder zu haben; versetzte die Kaiserinn: allein sie bringen einem
auch viel Sorgen. Die Selige: E. Kais. Majestät werden diese Last
am wenigsten empfinden, da die geschicktesten Personen von Dero
Königreichen Ihnen dieselbe erleichtern helfen. Der Kaiserinn
Majestät: Ey man hat doch auch seine Verdruß da-
von. Nun, ich wünsche, daß die Wiener Luft ihnen wohl
bekommen möge! die Selige: ich würde mir das größte
Gewissen machen, Eurer Kaiserl. Majestät einen Unterthan zu
entführen. Der Kaiserinn Majestät: Ey! ich schenke
ihnen denselben von ganzem Herzen: nehmen sie ihn in Gottes
Namen mit.
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Nach einigen fernern Reden und Gegenre-
den, fragte uns die Kaiserinn: ob wir den Erzherzog gesehen
hätten? Als wir mit Nein antworteten, befahl Sie ihn zu ho-
len. Er kam mit seinem Oberhofmeister, dem Grafen Bathiani,
und nach dem Handkusse, redten beyde Kaiserl. Majestäten mit
meinem Manne allerley, diesen jungen Herrn betreffend. Be-
sinnen Sie sich, mein Engel! was ich oben von dem engen
Raume gesagt; und daß wir nunmehro 10 Personen im Zimmer
waren, folglich einander so nahe stunden, daß nothwendig der
Kaiser beynahe meinen Mann, und ich die Kaiserinn berühren
mußte, so sehr ich mich auch an die Wand drängte. Das war
aber noch nicht genug: sondern es kam auch noch die Prinzeßinn
Charlotte (des Kaisers Schwester) hinein. Mein Mann gieng
zum Handkusse; und ich nahm Anstand weil ich mich bey der
Kaiserinn vorbey dringen mußte. Diese Frau aber, die in der
Gnade alle Hoffnung übertrifft, hieß mich mit der freundlichsten
Mine, Sie vorbey, und hinzutreten. Ich that es, und bald darauf
sagte die Kaiserinn: Nun, Sie müssen meine andern Kinder auch
sehen: worauf wir abermals zum Handkusse, wie das erste
mal, kamen, und die sämtl. Herrschaft uns verließ. Die Für-
stinn Trautson führete uns hierauf zu den drey übrigen kleinen
Engeln, die wir in zweyen Zimmern beym Frühstücken und un-
ter der Aufsicht der Gräfinn Sarrau, fanden. Wir küßten
die kleinen Durchl. Händchen allerseits, und wurden hernach in
alle Kaiserl. Zimmer geführet, welches eine außerordentliche
Gnade ist, die dem 1000ten Fremden nicht geschieht. Wir
kehreten zurück und speisten zu Mittage bey dem Fürsten Die-
trichstein, allwo wir die Gräfinn Harrach, Fürstinn von Lich-
tenstein, den Grafen Khevenhüller, und mehrere Excellenzen fan-
den, die alle uns gratulirten und bezeigten, daß wir mit ganz
außerordenlicher Gnade wären empfangen worden.
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