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Montag, 9. September 2013

Lew Nikolajewitsch Graf Tolstoi

* 9. September 1828 in Jasnaja Poljana bei Tula
† 20. November 1910 in Astapowo

ABCD

Russischer Schriftsteller.

 

Tolstoi entstammte dem russischen Adelsgeschlecht der Tolstois . Er war das vierte von fünf Kindern. Nach dem frühen Tod seiner Eltern lebte er bei einer Verwandten. Seine glückliche Kindheit beschrieb er später im biographischen Roman "Die Kindheit". Von 1844 bis 1847 studierte Leo Tolstoi an der Universität in Kazan zuerst orientalische Sprachen und dann Jura. Doch das Studium interessierte Tolstoi wenig. Viel lieber vertrödelte der junge Graf seine Zeit. Schließlich brach er das Studium ab und kehrte auf sein Familiengut in Jasnaja Poljana zurück.

 
Nachdem sein Versuch, ein perfekter Gutsherr zu sein und das Leben seiner Leibeigenen zu verbessern, scheiterte, ging Tolstoi nach Moskau und St. Petersburg. Sein Leben hier war sehr chaotisch. Mal stürzte sich Tolstoi ins Vergnügen, mal wurde er religiös und asketisch, mal fing er an, fleißig für die Klausuren zu lernen, wollte dann ein Beamter werden oder interessierte sich plötzlich für Musik. Und er fing an, zu schreiben.


Tolstoi bemühte sich, die Welt und den Sinn des Lebens zu verstehen, moralische Werte zu finden, die ihm Halt bieten würden. Er wollte sogar eine eigene Religion gründen, die kein zukünftiges Leben im Paradies verspricht, sonder das Glück auf der Erde gewährt. Tolstoi analysierte vor allem sich selbst und hielt seine Gedanken in einem Tagebuch fest, das er bis zum seinem Tod führte. 

1851 meldete sich Tolstoi als Freiwilliger zum Krieg gegen die rebellischen Tschetschenen und ging nach Groznij. Der Kaukasus beeindruckte ihn mit seiner Natur und der Lebensweise der einfachen Leute, die in einem extremen Kontrast zum Zeitvertrieb der Adeligen und Intellektuellen in den Großstädten stand. Von hier aus schickte er seine ersten Erzählungen "Die Geschichte des gestrigen Tages", "Der Überfall" und den Roman "Die Kindheit" zur renommierten Zeitschrift "Der Zeitgenosse" (russ.: "Современник"). Nach der Veröffentlichung seiner Werke im Jahr 1852 wurde Tolstoi sofort als großes Talent anerkannt.


Nebenbei machte Tolstoi Karriere beim Militär, wurde auf eigenen Wunsch in die Krim versetzt und für seine Tapferkeit im schweren Kampf um die belagerte Festung Sewastopol mit einem Orden und Medaillen ausgezeichnet. Tolstoi verurteilte diejenigen, die Kriege führen, und hielt den Krieg für hässlich und ungerecht. Seine Kriegserfahrungen verarbeitete Tolstoi später in seinem Hauptwerk "Krieg und Frieden". Beim Kartenspiel verlor Tolstoi viel Geld und musste sein Familiengut in Jasnaja Poljana verkaufen. Später kaufte er im selben Ort ein anderes Haus.

1856 quittierte Tolstoi den Militärdienst als Leutnant und bereiste Deutschland, Frankreich, Italien und die Schweiz. Nach einem kurzen Zwischenstop in Moskau kehrte er nach Jasnaja Poljana zurück und eröffnete eine Schule für Bauernkinder. Es folgten weitere 20 Schulen. Begeistert von seinen Projekten, reiste Tolstoi erneut nach dem Westen, um sich unterschiedliche Schulsysteme und Erziehungsmethoden anzuschauen.

 
Nach vielen Affären mit Bauerntöchtern und Zigeunerfrauen träumte Tolstoi von einer richtigen Familie. 1862, also mit 37 Jahren, heiratete er endlich die 18-jährige Tochter eines Nachbarn, die deutschstämmige Sofja Andrejewna Behrs (russ.: София Андреевна Берс)
und widmete sich zunächst dem Familienleben. 1863 fing Tolstoi an, seinen Roman "Krieg und Frieden" zu schreiben. Erste Teile des Romans wurden 1865 mit großem Erfolg veröffentlicht. Der komplette Roman erschien 1869. In den 70er Jahren entstand der Roman "Anna Karenina" . "Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich", schrieb Tolstoi. Er schilderte die Tragödie einer verheirateten adeligen Frau, die sich in einen jüngeren Grafen verliebt und sich schließlich das Leben nimmt. 

 

Mit seiner Frau hatte Tolstoi insgesamt 13 Kinder, fünf starben im frühen Kindesalter. Das Zusammenleben mit ihm war nicht einfach. Immer wieder verlor er die Kontrolle über sich selbst und wurde hysterisch. In den 80er Jahren erlebte Tolstoi eine geistige und schöpferische Krise. So verzichtete er auf Rauchen, Alkohol und die Jagd, ernährte sich vegetarisch und erklärte, der Mensch müsse die Fleischnahrung aufgeben, wenn er sich moralisch weiterentwickeln wolle, Er setzte sich verstärkt mit der Religion und dem Glauben auseinander. Immer mehr kritisierte er die Kirche als Institution sowie die enge Verzahnung von Kirche und Staat. Die Verbreitung seiner Anschauungen zog den Widerstand politischer und kirchlicher Einrichtungen nach sich. Der Achtung im Ausland folgte eine Ächtung im Inland. Seit 1882 unterstand er polizeilicher Überwachung. Über Tolstoi wurde das Gerücht verbreitet, er sei geistesgestört. Im Februar 1901 exkommunizierte ihn der Heilige Synod , da er 

- den als Dreieinigkeit gepriesenen Gott leugne;
- den von den Toten auferstandenen Gottmenschen Christus leugne;
- die Jungfräulichkeit Marias leugne;
- das Geheimnis des Abendmahls lästere.

 
Tolstoi zeigt sich wenig reuig. Die Lehre der Kirche sei eine theoretisch widersprüchliche und schädliche Lüge, fast alles sei eine Sammlung von grobem Aberglauben und Magie.  

Wegen der Einschulung seiner Kinder war Tolstoi 1882 wieder nach Moskau gezogen und ließ sich in einem Arbeiterviertel nieder. Das Leben der Arbeiter im Elend und Armut erschütterte ihn. Er verurteilte die soziale Ungerechtigkeit und setzte sich für die Armen ein. Er kleidete sich wie sie, erledigte schwere körperliche Arbeit und erhoffte dadurch, inneren Frieden zu finden. In seiner Familie kriselte es immer mehr. Seiner Frau gefiel es nicht, dass Tolstoi auf seinen Privatbesitz und die Rechte an seinen Werken zu Gunsten der Allgemeinheit verzichten wollte. Im Herbst 1910 floh der 82-jährige Tolstoi aus seinem Haus in Jasnaja Poljana. Er überlebte die Strapazen der Reise nicht und starb im Bahnwärterhäuschen von Astapowo an einer Lungenentzündung, umlagert von der Weltpresse. Tolstoi wurde auf seinem Gut in Jasnaja Poljana begraben.

 

Nach Tolstois Tod gab seine Frau, die Tolstois Werke seit 1885 als Herausgeberin publizierte, eine letzte von ihr betreute Gesamtausgabe der Werke Tolstois heraus. Die Tochter Alexandra, die von Tolstoi formal als Alleinerbin des literarischen Nachlasses eingesetzt worden war, kaufte der Mutter im Jahr 1913 das Landgut Jasnaja Poljana ab. Sie hatte zusammen mit Wladimir Tschertkow mit der Herausgabe der unveröffentlichten Schriften Tolstois sowie mit dem Verkauf der Rechte an einer Werkausgabe eine stattliche Summe verdient, und erfüllte damit den Wunsch des Vaters, die Ländereien an die Bauern zu übergeben. Nachdem das Testament rechtskräftig geworden war, versuchte die Tochter Alexandra, ihre Eigentumsrechte auch an jenen Manuskripten durchzusetzen, die von der Ehefrau des Schriftstellers mit dessen Einverständnis seit Ende der 1880er Jahre ins Archiv übergeben worden waren. Es folgte eine langwierige Auseinandersetzung vor Gericht. 1914 wurden die Eigentumsrechte der Witwe schließlich vom Gericht bestätigt.  

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