* 22. Februar 1857 in Hamburg
†
1. Januar 1894 in Bonn
Deutscher Physiker. Entdeckte in Karlsruhe mit dem ersten hertzschen Oszillator die Existenz der elektromagnetischen
Wellen.
Hertz entstammte einer angesehenen hanseatischen Familie. Sein Vater Gustav Ferdinand Hertz
entstammte einer jüdischen Familie, konvertierte aber zum Christentum. Er war ein promovierter Rechtsanwalt, seit 1877 Richter und von 1887 bis 1904 Senator und Präses der Hamburger Justizverwaltung. Seine Mutter war
die Tochter eines Garnisonsarztes.
Hertz machte sein Abitur in Hamburg und bereitete sich danach in einem Konstruktionsbüro in Frankfurt am Main auf ein Ingenieurstudium vor. Das Studium in
Dresden brach er nach dem ersten Semester ab, weil ihn dort lediglich die Mathematikvorlesungen
begeisterten. Nach einem einjährigen Militärdienst begann er an der Technischen Hochschule München Mathematik und Physik zu studieren und wechselte kurz darauf, 1878, an die
Universität Berlin. Im Alter von 23 Jahren wurde er mit einer Arbeit über die Rotation von Metallkugeln in einem Magnetfeld promoviert und blieb für zwei Jahre als Forschungs- und Vorlesungsassistent bei Hermann von Helmholtz
in Berlin.
1883 wurde Hertz Privatdozent für Theoretische Physik an der
Universität zu Kiel. Von 1885 bis 1889 lehrte er als Professor für Physik an der Technischen Hochschule Karlsruhe. Ab 1889 war er Professor für Physik an der
Universität Bonn, nachdem er Berufungen nach Berlin, Gießen und Amerika abgelehnt hatte.
Hertz starb nach zweijährigem Leiden an der Wegener-Granulomatose
mit nur 36 Jahren. Er hinterließ eine Witwe mit zwei Töchtern und wurde auf dem Friedhof Ohlsdorf in Hamburg begraben.
Hertz war 1886 mit Elisabeth Doll, der Tochter eines Kollegen, eine glückliche
Ehe eingegangen. Seine ältere Tochter Johanna sammelte seine Briefe und Tagebuchnotizen und veröffentlichte sie
1927. Die jüngere Tochter Mathilde modellierte eine Büste ihres Vaters, die im Deutschen Museum in München aufbewahrt wird.
In der Inflation von 1923 verloren Elisabeth Hertz, die Witwe von Heinrich Hertz, und
die beiden Töchter Johanna und Mathilde ihr gesamtes Vermögen und waren
im wesentlichen auf die Unterstützung von mehreren Rundfunk-Gesellschaften angewiesen. Mathilde Hertz
arbeitete später als
Gestaltpsychologin und Privatdozentin am Kaiser-Wilhelm-Institut (KWI) für Biologie in
Berlin, emigrierte jedoch im Januar 1936 nach
England, wo sie mit Hilfe von Max von Laue
und Erwin Schrödinger
eine vorübergehende Anstellung in Oxford gefunden hatte. 1937 vermittelte ihr Professor
J. J. Thomson
in Cambridge eine Bleibe im Dorfe Girton in der Nähe von Cambridge. Mathilde überzeugte
im gleichen Jahr ihre Mutter und Schwester, zu sich nach Girton zu kommen. Die drei
Damen lebten dort ziemlich kümmerlich, im wesentlichen von Zuwendungen der 'Institution of Electrical Engineers'. Elisabeth Hertz starb 1941 in Girton im Alter von 77 Jahren.
Hertz' Hauptverdienst war die experimentellen Bestätigung der von James Clerk Maxwells
aufgestellten elektromagnetischer Theorie des Lichts mit dem 'Hertzschen
Oszillator' .
Er wies am 11. November 1886 in Karlsruhe nach, dass die
nicht sichtbaren elektromagnetische Wellen
(Radiowellen)
sich auf die gleiche Art und mit der gleichen Geschwindigkeit ausbreiten wie Lichtwellen. Hertz’ Ergebnisse lieferten die Grundlage für die Entwicklung der drahtlosen Telegrafie und des
Radios. Die Entdeckung der
tatsächlichen Existenz elektromagnetischen Wellen und der Nachweis, dass sie sich wie Licht verhalten und ausbreiten, brachte für Hertz weltweit große Anerkennung. Er wurde von der Royal Society nach London eingeladen und dort von der Königin empfangen und besonders geehrt. Die Gesellschaften und Akademien der Wissenschaften Italiens, Frankreichs und Österreichs verliehen Hertz hohe Auszeichnungen. Die preußische Regierung ehrte ihn mit dem Kronen-Orden.
Hertz konnte sich die Nutzung der elektromagnetischen Wellen, zum Beispiel für die Nachrichtenübermittlung, nicht vorstellen.
Nur wenige Jahre nach dem Tod von Hertz gelang es jedoch dem Italiener Guglielmo Marconi
und dem Russen Alexander Popow
, Entfernungen von einigen hundert Metern mit den elektromagnetischen Wellen zu überbrücken.
Ein Jahr später führte Adolf Slaby
mit seinem Assistenten Georg Graf von Arco
die ersten Versuche mit den Wellen in Deutschland durch. Sie sendeten im Beisein von Kaiser Wilhelm
vom Glockenturm der Heilandskirche in Sacrow
über 1,6 km zur Marinestation an der Glienicker Brücke
in Potsdam. 1930 schlug Deutschland in der "International Electrical Commission" (IEC) vor, als physikalische Einheit der Frequenz und damit für die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde die Bezeichnung "Hertz"
einzuführen. Im Jahre 1935 wurde der Vorschlag mit der Abkürzung "Hz" angenommen.
Weitere Infos:
ABCD
Exkurs: Die Familie Hertz steht für einen bedeutenden Teil des deutschen Bildungsbürgertums, dessen jüdische wie nichtjüdische Wurzeln in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zusammengefunden hatten. Vom Judentum als Religion blieb häufig kaum eine Erinnerung übrig. Die Gesetze der Nazis klassifizierten Menschen dann in einem „rassischen“ Sinn. Davon waren viele betroffen, die erst auf diese Weise
zu Juden oder „Teiljuden“ gemacht wurden.
Heinrich Hertz wurde als erstes Kind wohlhabender Eltern in Hamburg geboren. Sein Vater Heinrich Gustav betrieb eine der bedeutendsten Anwaltskanzleien und stieg als Senator und Leiter des Justizwesens in die Führungselite der Hansestadt auf. Im Alter von sieben Jahren war der Vater 1834 gemeinsam mit seinen Geschwistern und den Eltern Heinrich David Hertz und Betty Oppenheim, einer Tochter des berühmten
Bankiers , zum Protestantismus übergetreten. Heinrich Hertz
heiratete wie seine Brüder eine Christin, und so verschwand das Judentum aus dem gesamten engeren Familienkreis. Selbst der unter deutschen Juden häufige Name Hertz behinderte den jungen Physiker Heinrich Hertz nicht. Neben seiner wissenschaftlichen Karriere, die ihm Lehrstühle an der TH Karlsruhe und der Universität Bonn bescherte, erhielt er 1881 den Status des preußischen Reserveoffiziers.
In der NS-Zeit jedoch wurden die nach Hertz benannten Institutionen und Straßen zumeist umbenannt. Selbst die 1933 international eingeführte Einheit „Hertz“ stand zur Disposition. Einige Physiker schlugen 1939 ernsthaft vor, sie unter Beibehaltung der Abkürzung „Hz“ in „Helmholtz“ umzubenennen. Für Hertz’ Kinder und die seiner Geschwister hatte die NS-Politik konkrete berufliche Auswirkungen. Ein jüdischer Großelternteil reichte nach dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“
aus, um aus dem öffentlichen Dienst und damit auch aus dem Wissenschaftsbetrieb entfernt zu werden.
Mathilde Hertz , die jüngere Tochter von Heinrich Hertz, arbeitete 1933 als Gestaltpsychologin am Kaiser-Wilhelm-Institut (KWI) für Biologie. Ihre Privatdozentur an der Berliner Universität verlor sie recht bald, aber um ihre Anstellung am KWI gab es eine Diskussion. So wies sie in einem Schreiben an das zuständige Ministerium darauf hin, dass alle ihre acht Urgroßelternteile evangelisch getauft gewesen seien und es sich mütterlicherseits um Pastorenfamilien gehandelt habe. Der Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und die unbestrittene Autorität der deutschen Wissenschaft, Max
Planck
, setzte sich für sie ein. So erklärte er, Frau Hertz sei aufgrund ihrer Herkunft als „Arierin“ zu klassifizieren, nicht ohne zu erwähnen, dass die Entlassung der Tochter des berühmten Physikers im Ausland einen ungünstigen Eindruck machen würde. Aber im Herbst 1933 wurde Mathilde Hertz nach einem Gutachten eines „Sachverständigen für Rasseforschung“ dann doch als „Nichtarierin“ eingestuft. Trotzdem erreichte Planck in ihrem Fall eine
Ausnahmeregelung, die ihr zunächst ein Verbleiben am KWI ermöglichte. Mathilde Hertz betrachtete diese Situation aber nur als Provisorium und emigrierte im Januar 1936 ins englische Cambridge.
Anders erging es ihrem Cousin Gustav Hertz , Physiknobelpreisträger von 1925. Bei ihm kam 1933
die allgemeine Ausnahmeregelung zum Tragen, die ihn als Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs im Amt beließ. Drohende Einschränkungen seiner Prüfungsberechtigung brachten ihn jedoch 1935 dazu, seinen Lehrstuhl an der TH Berlin zugunsten der Leitung eines Forschungslabors bei Siemens aufzugeben. Um aber weiterhin Studenten promovieren zu können, erhielt er von der Hochschule den Status eines nichtbeamteten Honorarprofessors. Als das Erziehungsministerium 1938 auch alle „Vierteljuden“ von den Hoch- schulen entfernen wollte, trat es an die TH Berlin heran, um Hertz zu einer freiwilligen Niederlegung seiner Professur zu bewegen, denn mangels Beamtenstatus konnte es nicht direkt gegen ihn vorgehen. Hertz argumentierte, in allen wesentlichen Erbanlagen durch seine „arischen“ Vorfahren bestimmt zu sein, weshalb eine formale Behandlung der Abstammungsfrage seiner Person nicht gerecht würde. Angesichts des Rückhalts durch die TH und des Eindrucks, dass Hertz großes Verständnis für die Belange der Nazis habe, wurde er schließlich als Ausnahmefall akzeptiert. Nach dem Krieg ging er mit Kollegen in die Sowjetunion und kehrte 1954 in die DDR zurück, wo er fortan eine prominente Rolle spielte.
Die drei hier vorgestellten Mitglieder der Familie Hertz gehörten weder im halachischen
Sinne, noch nach ihrer Selbstdefinition zum Judentum. Sie wurden aber zu sogenannten Nichtariern deklariert, im Fall von Heinrich Hertz sogar noch lange nach seinem Tod.