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Dienstag, 14. Januar 2014

Das erste Jahr NSU-Prozess  

Am 2. September 2013 erhob sich der Bundestag in seiner Sondersitzung und sprach Recht in der Sache NSU. 

Bundestagspräsident Lammert entschuldigt sich für eine Mordserie, die noch keine rechtsstaatliche Beweisprüfung vor einem unabhängigem Gericht erfahren hatte. Ein klarer Verfassungsverstoß, aber das sind Details, die ohnehin keinen interessieren. Dem Rechtsstaat soll im Fall NSU nun im Nachgang Genüge getan werden. Am OLG in München wurde Richter Götzl eine Bühne eingerichtet, um zu beweisen, was bereits beschlossen wurde. Zumindest hat man nach 71 Tagen Verhandlung den entsprechenden Eindruck. (Motto: Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf!).

Die Strategie der Verhandlungsführung besteht bisher darin, alles Belanglose zuerst zu behandeln. Erst wenn der Blick frei von diesem Kleinkram ist, will man sich wohl den Schwerpunkten widmen. Zum einen lautet die Anklage auf Beihilfe/Mittäterschaft zum Mord. Damit das greift, bedarf es zunächst grundsätzlich einer entsprechenden Mordtat mit entsprechenden Tätern. Wir haben natürlich zwei Tatverdächtige, bedauerlicher Weise sind sie schon tot, und Toten kann man Gott sei Dank keinen Prozess machen. Ist ja auch nicht nötig, Herr Lammert und Frau Merkel haben bereits das Urteil gesprochen.

Kommen wir zu Richter Götzl ! Haben wir die Tatwaffe ? Der Beweis, dass mit der von der Anklage präsentierten Waffe neun Menschen getötet wurden, gehört nach normalem Verständnis an den Anfang der Verhandlung. Nicht bei Richter Götzl ! Dieser zäumt das Pferd von hinten auf. Die vorgelegte angebliche Tatwaffe wird von Herrn Götzl als tatsächliche Tatwaffe behandelt. Beweisprüfung später oder nie!  

Die eigentliche Frage, ist die Fundwaffe überhaupt die Tatwaffe, wurde vom Gericht gar nicht erst aufgegriffen. Eine Waffe kann durch Zeugen niemals allein visuell identifiziert werden. Es kann sich immer um eine Waffe ähnlichen oder auch gleichen Typs handeln. Der Höhepunkt der richterlichen Beweiswürdigung war jedoch, dass die angebliche Tatwaffe in einem Gebäude übergeben worden sei, das zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht existierte. Klarer Fall von Erinnerung an die Zukunft !

Als Grundbeweis für eine Mordserie wird davon ausgegangen, dass immer dieselbe Waffe verwendet wurde. Und was wissen wir da nach 71 Verhandlungstagen? Nichts. Ein Gutachter wurde nur zu fünf von neun Mordfällen der angeblichen Serie herangezogen: Offensichtlich ist das Gericht dem Interpolationsverfahren zugetan. Für die wegen Beihilfe zum Mord Angeklagten fehlt auch nach 71 Verhandlungstagen der Tatbezug. Laut Anklage ist dieser in dem mitgelieferten Schalldämpfer begründet. Die Kausalität 'Schalldämpfer gleich Tötungsabsicht' gibt es aber nicht! Sie ist kein justiziables Argument, da Waffe und Schalldämpfer in der Schweiz frei verkäuflich waren. Ein Schalldämpfereinsatz dient zur geräuscharmen Übung im sportlichen Schussgebrauch der Waffe.   

Das Beschaffen der Waffe selber ist als Delikt längst verjährt. Richter Götzl hat daher diesen Tatbestand vorsichtshalber bisher nicht zum Thema einer Beweiswürdigung gemacht. Der Argumentation der Anklage glaubt er anscheinend selber nicht. Dumm nur, bei dem bisherigen Stand des Verfahrens läuft die Zeit für die U-Haft weg. Die Verteidigung könnte längst zuschlagen, wenn sie es denn wollte.

Und was wissen wir sonst davon, dass die behaupteten Täter auch in Frage kommen, als Basis für eine Unterstützungshandlung der Angeklagten laut Anklage? Spuren der Tatverdächtigen an den Tatorten, wie Fingerabdrücke oder DNA-Hinterlassenschaften oder ähnlich Triviales? Nichts. Das Gericht hat dafür Anderes ans Licht der Öffentlichkeit gebracht. Wir wissen jetzt beispielsweise, dass einer der mutmaßlichen Täter beim Verlassen einer Bäckerei ein Stück Torte auf eine Zigeunerin abgefeuert hat. Tortenschmeißer gleich Serienkiller ?  

Dem Gericht scheint auch zu entgehen, dass Untersuchungsausschüsse, besondere der Thüringer (TUA), Informationen produziert haben und produzieren, die immer mehr Fragezeichen bezüglich der Grundlagen der Anklage aufwerfen. So steht beispielsweise die ganze Geschichte einer Bombenbauergarage als Ausgangspunkt für das Abtauchen der mutmaßlichen Täter, in einem immer diffuseren Licht. Offensichtlich ist das TNT durch einen V-Mann beschafft worden, wenn es denn überhaupt TNT war. Auf die Frage an einen Zeugen im TUA, warum die Spürhunde zwar Schwarzpulver, aber kein TNT (immerhin 1,4 kg) in der Garage erschnüffelt haben, das später trotzdem gefunden wurde, kam nach kurzem Überlegen die Antwort, na dann hatten die Hunde vielleicht einen schlechten Tag. Tierfreunde können aufatmen ! Inzwischen gibt es Hinweise, dass das TNT gar keines war. Es war ein Pseudogemisch, damit ja nichts passiert. 

Es gibt angeblich auch keine Hinweise auf Verstrickungen staatlicher Stellen mit dem NSU. Diese abenteuerliche These wird (natürlich !) gestützt durch die bekannt gewordene Vernichtung von über 300 Akten zum NSU-Komplex, vornehmlich Akten über V-Leute. Das ging gleich nach dem Tod der zwei angeblich Mordverdächtigen los und lief parallel zur Arbeit des UA des Bundestags. Der Zufall wollte es, dass gleich mehrere Geheimdienste völlig unabhängig voneinander, aber gleichzeitig bemerkten, dass sie keinen Platz mehr im Archiv haben. Besonders groß war der Notstand in Köln, da wurde sogar zum Karneval geschreddert (Kölle Alaaf !). 

Doch wir wollen uns nicht verlieren, wir haben ja auch noch den Vorwurf der Brandstiftung. Die Angeklagte soll Beweismittel vernichtet haben. Was wissen wir da jetzt mehr? Richtig, auch nichts. Die Verhandlungsführung versteift sich in der Annahme, dass die Angeklagte am Brandtag ständig zwischen Beweisvernichtung und Beweislieferung, sozusagen schizophren hin und her schwankte. Sie rannte mit Kanistern durch die Wohnung, nur unterbrochen von der Absicht, doch lieber alles in die Welt zu schreien und dafür Umschläge mit Videos anzufertigen (natürlich wieder ohne DNA-Spuren oder Fingerabdrücke auf den Postsendungen zu lassen), raus aus den Klamotten, zurück zu den Kanistern, dann wieder Umschläge, immer im Zweifel fürs Richtige, um dann letztendlich beides zu tun. Beweise vernichten und gleichzeitig Beweise liefern. Na, das ist eine überzeugende Logik.

Nach der Benzinpanscherei hätte sie beim Verlassen der Wohnung entsprechende Ausdünstungen absondern müssen, kein Zeuge roch etwas Entsprechendes, kein Zeuge sah Briefumschläge. Der Brand-Sachverständige hat keine Erklärung, wie das Ganze überhaupt gezündet wurde. Sicher ist die Angeklagte auch noch Zündungsexperte für die Berechnung, wie das Benzin zu verteilen ist, damit die Bude in die Luft fliegt.

Und die Verteidigung? Deren Strategie ist noch nebulöser als die Verhandlungsführung durch Richter Götzl. Die Verteidiger hätten während der 71 Verhandlungstage genügend Ansatzpunkte gehabt, wirkungsvoll einzuhaken, um der ausweichenden Verhandlungsführung des Gerichts und den offensichtlichen Widersprüchen der Zeugen zu begegnen. Sie können es nicht oder sie wollen es nicht.
 ABCD

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