Das erste Jahr NSU-Prozess
Am 2. September 2013 erhob sich der Bundestag in seiner Sondersitzung und sprach Recht in der Sache NSU.
Bundestagspräsident Lammert entschuldigt sich für eine Mordserie, die noch
keine rechtsstaatliche Beweisprüfung vor einem unabhängigem Gericht erfahren hatte.
Ein klarer Verfassungsverstoß, aber das sind Details, die ohnehin keinen interessieren.
Dem Rechtsstaat soll im Fall NSU nun im Nachgang Genüge getan werden. Am OLG in München wurde Richter
Götzl eine Bühne eingerichtet, um zu beweisen, was bereits beschlossen wurde. Zumindest hat man nach 71 Tagen Verhandlung den entsprechenden Eindruck.
(Motto: Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf!).
Die Strategie der Verhandlungsführung besteht bisher darin, alles Belanglose zuerst zu behandeln. Erst wenn der Blick frei von
diesem Kleinkram ist, will man sich wohl den Schwerpunkten widmen.
Zum einen lautet die Anklage auf Beihilfe/Mittäterschaft zum Mord. Damit das greift, bedarf es zunächst grundsätzlich einer entsprechenden
Mordtat mit
entsprechenden Tätern. Wir haben natürlich zwei Tatverdächtige, bedauerlicher Weise sind
sie schon tot, und Toten kann man Gott sei Dank keinen Prozess machen. Ist ja
auch nicht nötig, Herr Lammert und Frau Merkel haben bereits das Urteil
gesprochen.
Kommen wir zu Richter Götzl ! Haben wir die Tatwaffe ? Der Beweis, dass mit der
von der Anklage präsentierten Waffe neun Menschen getötet wurden, gehört nach
normalem Verständnis an den Anfang der Verhandlung. Nicht bei Richter
Götzl ! Dieser zäumt das Pferd von hinten auf. Die vorgelegte angebliche Tatwaffe wird
von Herrn Götzl als tatsächliche Tatwaffe behandelt.
Beweisprüfung später oder nie!
Die eigentliche Frage, ist die Fundwaffe überhaupt die Tatwaffe, wurde vom Gericht
gar nicht erst aufgegriffen. Eine Waffe kann durch Zeugen niemals allein visuell
identifiziert werden. Es kann sich immer um eine Waffe ähnlichen oder auch gleichen Typs
handeln. Der Höhepunkt der richterlichen Beweiswürdigung war jedoch, dass die
angebliche Tatwaffe in einem Gebäude übergeben worden sei, das zu diesem
Zeitpunkt noch gar nicht existierte. Klarer Fall von Erinnerung an die Zukunft !
Als Grundbeweis für eine Mordserie wird davon ausgegangen, dass immer dieselbe Waffe
verwendet wurde.
Und was wissen wir da nach 71 Verhandlungstagen? Nichts. Ein Gutachter wurde nur zu fünf von neun Mordfällen
der angeblichen Serie herangezogen: Offensichtlich ist das Gericht dem
Interpolationsverfahren zugetan. Für die wegen Beihilfe zum Mord Angeklagten fehlt
auch nach 71 Verhandlungstagen der Tatbezug. Laut Anklage ist dieser in dem mitgelieferten Schalldämpfer begründet. Die Kausalität 'Schalldämpfer gleich Tötungsabsicht' gibt es aber nicht! Sie ist
kein justiziables Argument, da Waffe und Schalldämpfer in der Schweiz frei verkäuflich waren.
Ein Schalldämpfereinsatz dient zur geräuscharmen Übung im sportlichen Schussgebrauch der Waffe.
Das Beschaffen der Waffe selber ist als Delikt längst verjährt. Richter Götzl hat daher
diesen Tatbestand vorsichtshalber bisher nicht zum Thema einer Beweiswürdigung gemacht.
Der Argumentation der Anklage glaubt er anscheinend selber nicht. Dumm nur, bei dem bisherigen Stand
des Verfahrens läuft die Zeit für die U-Haft weg. Die Verteidigung könnte längst zuschlagen, wenn sie
es denn wollte.
Und was wissen wir sonst davon, dass die behaupteten Täter auch in Frage kommen, als Basis für eine Unterstützungshandlung
der Angeklagten laut Anklage?
Spuren der Tatverdächtigen an den Tatorten, wie Fingerabdrücke oder DNA-Hinterlassenschaften oder ähnlich Triviales? Nichts.
Das Gericht hat dafür Anderes ans Licht der Öffentlichkeit gebracht. Wir wissen jetzt beispielsweise, dass einer
der mutmaßlichen Täter beim Verlassen einer Bäckerei ein Stück Torte auf eine Zigeunerin
abgefeuert hat. Tortenschmeißer gleich Serienkiller ?
Dem Gericht scheint auch zu entgehen, dass Untersuchungsausschüsse, besondere der Thüringer
(TUA), Informationen produziert haben und produzieren, die immer mehr Fragezeichen bezüglich der Grundlagen der Anklage aufwerfen.
So steht beispielsweise die ganze Geschichte einer Bombenbauergarage als Ausgangspunkt
für das Abtauchen der mutmaßlichen Täter, in einem immer diffuseren Licht. Offensichtlich ist das TNT durch einen V-Mann beschafft worden, wenn es denn überhaupt TNT war. Auf die Frage an einen Zeugen im TUA, warum die Spürhunde zwar Schwarzpulver, aber kein TNT (immerhin 1,4 kg) in der Garage erschnüffelt haben,
das später trotzdem gefunden wurde, kam nach kurzem Überlegen die Antwort, na dann hatten die Hunde vielleicht einen schlechten Tag.
Tierfreunde können aufatmen ! Inzwischen gibt es Hinweise, dass das TNT gar
keines war. Es war ein Pseudogemisch, damit ja nichts passiert.
Es gibt angeblich auch keine Hinweise auf Verstrickungen staatlicher Stellen mit dem NSU. Diese
abenteuerliche These wird (natürlich !) gestützt durch die bekannt gewordene
Vernichtung von über
300 Akten zum NSU-Komplex, vornehmlich Akten über V-Leute. Das ging gleich nach dem Tod der zwei
angeblich Mordverdächtigen los und lief parallel zur Arbeit des UA des Bundestags.
Der Zufall wollte es, dass gleich mehrere Geheimdienste völlig unabhängig voneinander,
aber gleichzeitig bemerkten, dass sie keinen Platz mehr im Archiv haben. Besonders groß war der Notstand in Köln, da wurde sogar zum
Karneval geschreddert (Kölle Alaaf !).
Doch wir wollen uns nicht verlieren, wir haben ja auch noch den Vorwurf der Brandstiftung.
Die Angeklagte soll Beweismittel vernichtet haben. Was wissen wir da jetzt mehr? Richtig, auch nichts.
Die Verhandlungsführung versteift sich in der Annahme, dass die Angeklagte am Brandtag ständig zwischen Beweisvernichtung und Beweislieferung,
sozusagen schizophren hin und her schwankte. Sie rannte mit Kanistern durch die Wohnung,
nur unterbrochen von der Absicht, doch lieber alles in die Welt zu schreien und dafür Umschläge mit Videos anzufertigen
(natürlich wieder ohne DNA-Spuren oder Fingerabdrücke auf den Postsendungen zu lassen), raus aus den Klamotten, zurück zu den Kanistern, dann wieder Umschläge, immer im Zweifel fürs Richtige, um dann letztendlich beides zu tun.
Beweise vernichten und gleichzeitig Beweise liefern. Na, das ist eine
überzeugende Logik.
Nach der Benzinpanscherei hätte sie beim Verlassen der Wohnung entsprechende
Ausdünstungen absondern müssen, kein Zeuge roch etwas Entsprechendes, kein Zeuge
sah Briefumschläge. Der Brand-Sachverständige hat keine Erklärung, wie das
Ganze überhaupt gezündet wurde. Sicher ist die Angeklagte auch noch Zündungsexperte
für die Berechnung, wie das Benzin zu verteilen ist, damit die Bude in die Luft
fliegt.
Und die Verteidigung? Deren Strategie ist noch nebulöser als die Verhandlungsführung durch Richter
Götzl. Die Verteidiger hätten während der 71 Verhandlungstage genügend Ansatzpunkte gehabt, wirkungsvoll einzuhaken, um der ausweichenden Verhandlungsführung des
Gerichts und den offensichtlichen Widersprüchen der Zeugen zu begegnen. Sie können es nicht oder sie wollen es nicht.
ABCD
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