Friedrich Wilhelm Raiffeisen
* 30. März 1818 in Hamm (Sieg)
† 11. März 1888 in
Heddesdorf
, heute
Neuwied
Deutscher Sozialreformer. Mitgründer der genossenschaftlichen Bewegung.
Raiffeisen wurde
als Sohn eines Bürgermeisters im Siegerland geboren. Da sein Vater wegen einer schweren Krankheit die Familie kaum versorgen konnte, besuchte
er nur die Volksschule. Bei seinem Paten, einem Pastor, genoss er jedoch Privatunterricht in höherer Bildung und christlicher Erziehung. 1835 meldete sich Raiffeisen als Freiwilliger zum Militär und schlug eine Laufbahn zum Berufssoldaten ein, die er wegen einer Augenkrankheit jedoch 1843 aufgeben musste. Raiffeisen wandte sich in der Folge der Kommunalverwaltung als neuem Betätigungsfeld zu und wurde 1845 zum Bürgermeister der Westerwaldgemeinde Weyerbusch
berufen. Dort heiratete er noch im selben Jahr, aus der Ehe gingen neun Kinder
hervor, von denen aber fünf früh verstarben.
In der strukturschwachen, landwirtschaftlich geprägten Region entwickelte Raiffeisen unter dem Eindruck der Missernten von 1846/47 die Idee zur genossenschaftlichen Selbsthilfe, die nach dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe funktionieren sollte. Da die Bauern bei Missernten oft auf die Kredite von privaten Wucherern angewiesen waren, drohte ihnen durch den Ernteausfall der Verlust des Hofes, Verelendung und Hungersnot. 1847 gründete Raiffeisen in Weyerbusch den "Brodverein", der bei den reicheren Bürgern Lebensmittelspenden für die Hungernden sammelte. Als Raiffeisen 1848 in die Nachbargemeinde Flammersfeld
versetzt worden war, gründete er dort den "Hilfsverein zur Unterstützung unbemittelter Landwirte", der über eine eigene Sparkasse verfügte.
Raiffeisen entwickelte sein Hilfskonzept zur genossenschaftlichen Darlehenskasse weiter, die von den Mitgliedern des Kassenvereins eigenverantwortlich verwaltet wurden und den Fortbestand der landwirtschaftlichen Betriebe auch bei Krisen sicherten. Somit entwickelte Raiffeisen seine Idee der Selbsthilfe zu der der Selbstverwaltung fort, wodurch er die ideelle Grundlage für das moderne Genossenschaftswesen legte. 1852 wechselte Raiffeisen auf den Bürgermeisterposten des Amtes Heddesdorf bei Neuwied, den er bis 1865 innehatte. 1863 starb seine erste Frau, worauf er
ein zweites Mal heiratete. In Heddesdorf rief er 1864 die erste Darlehenskasse ins Leben, der bald weitere Kassen
folgten.
1865 wurde
Raiffeisen nachdem er fast erblindet war, frühpensioniert. Die geringe Pension zwang ihn zu weiterer Beschäftigung: Zunächst gründete er
zusammen mit seiner ältesten Tochter Amalie eine Zigarrenfabrik, später eine Weinhandlung.
Er widmete sich von nun an mit voller Kraft dem Aufbau seiner Genossenschaftsorganisation.
Jetzt konnte sich Raiffeisen frei entfalten und seine Ideen zur vollen Blüte bringen.
Mit Hilfe seiner Freunde und Förderer, vor allem aber mit der Fürsprache des
Fürsten zu Wied
, gelang es Raiffeisen
in den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts eine umfassende Genossenschaftsorganisation
zu gründen.
Nach der Gründung eines Regionalverbandes der Kassen schloss Raiffeisen 1877 alle deutschen Darlehenskassen in einem nationalen Dachverband zusammen. Dieser Dachverband bildete die Grundlage für die weitere Entwicklung und weltweite Ausbreitung des Genossenschaftswesens.
Raiffeisen stieß bei Schulze-Delitzsch , dem Verfechter einer konkurrierenden Genossenschaftsidee, auf Widerspruch, der u. a. die langfristigen Kredite, die fehlenden Geschäftsanteile, die ehrenamtliche Verwaltung und den Ausschluss von Gewinnanteilen kritisierte. Der „Systemstreit“ entzündete sich aber auch an grundsätzlichen Fragen: Während Schulze-Delitzsch wirtschaftsliberale Ideen verfolgte, vertrat
Raiffeisen einen christlich-ethischen Ansatz bei der Gestaltung der Genossenschaftsbewegung und betrachtete sich parteipolitisch als neutral. An der Gestaltung der Genossenschaftsgesetze in Preußen und im Reich war er, anders als Schulze-Delitzsch, der als Abgeordneter seinen politischen Einfluss einsetzte, nicht beteiligt.
Raiffeisen starb fast 70-jährig in Heddesdorf. Raiffeisen war überzeugter evangelischer Christ. Die Motivation für sein sozialpolitisches Handeln war sein in der Bibel gegründeter Glaube. Er schrieb: „Wir betonen […] ausdrücklich die christliche Nächstenliebe, welche in der Gottesliebe und in der Christenpflicht wurzelt, daraus ihre Nahrung zieht und, je mehr geübt, um so kräftiger, um so nachhaltiger wird.“ Erst 1972 fusionierten die aus dem Systemstreit hervorgegangenen beiden Spitzenverbände der Genossenschaftsbewegung zum
„Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband e. V. “
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Zitat
Was dem einzelnen nicht möglich
ist, das vermögen viele.
Wir betonen ausdrücklich die christliche Nächstenliebe, welche in der Gottesliebe und in der Christenpflicht wurzelt, daraus ihre Nahrung zieht und, je mehr geübt, um so kräftiger, um so nachhaltiger wird.
ABCD
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