Uraufführung des
musikalischen Schauspiels 'Der Evangelimann'
von Wilhelm Kienzl
am 4. Mai 1895 in Berlin.
Der Evangelimann
war ursprünglich eine Gestalt der
Wiener Hinterhöfe, die dort an Samstagen oder Sonn- und Feiertagen erschien
und aus der Bibel zitierte und dafür einige Kreuzer erhielt. Kienzl benannte
sein musikalisches Schauspiel in 2 Akten nach dieser Gestalt.
Erster Akt: Als nach dem Nachmittagsgottesdienst in St. Othmar das heimliche Paar Martha und Mathias glücklich die Kirche verlässt, wird es neidvoll von Mathias' Bruder Johannes beobachtet. Dieser wartet, bis Marthas Vormund Friedrich Engel erscheint, und verrät das Liebesglück der beiden. Friedrich Engel stellt daraufhin Mathias, der als armer Schreiber keinesfalls standesgemäß ist, zur Rede. Trotz dessen Beteuerungen jagt er Mathias aus seinem Amt und nimmt ihm seinen Lebensunterhalt. Johannes versucht die Gelegenheit zu nutzen, um sich Martha zu nähern, wird jedoch abgewiesen. Der Abend kommt und die Bürger zieht es zur Klosterschänke.
Mathias bittet Magdalena, Martha eine Stunde vor Mitternacht in den Wirtsgarten zu bestellen. Währenddessen kegeln die Bürger um die Wette. Nun treffen sich Martha und Mathias und geloben sich ewige Treue. Aber Johannes hat sie wieder belauert und stürzt betroffen davon. Bald steigt Rauch auf. Der Nachtwächter gibt Feueralarm. Mathias will zum Löschen, da nimmt ihn der Pfleger als mutmaßlichen Brandstifter fest. Martha bricht zusammen.
Zweiter Akt: Dreißig Jahre später in einem Wiener Hinterhof mit spielenden Kindern, Leierkastenklängen und einer Lumpensammlerin. Magdalena erinnert sich wehmütig an ihre schönen Jugendtage. Es erscheint der Evangelimann und trägt aus der Bibel vor. Die Kinder bemühen sich, ihm nachzusingen. Als er Magdalena um Wasser bittet, wird er von ihr als Mathias Freudhofer erkannt. Er berichtet von seinen unschuldigen Leiden, der zwanzigjährigen Kerkerhaft und der Verzweiflung von Martha, welche sie den Tod in der Donau suchen ließ. Magdalena fordert ihn auf zu baldiger Wiederkehr, um einen Kranken zu trösten.
Der Kranke ist Johannes. Sein Körper und sein Geist werden von Schmerzen gepeinigt. Aber er will sein Geheimnis mit ins Grab nehmen. Da hört er draußen den Gesang des
Evangelimann. Er bittet Magdalena, ihn heraufzuholen. Als dieser erscheint, fasst Johannes Vertrauen zu dem Fremden und beichtet ihm seine Tat. Die Brüder erkennen sich und der sterbende Johannes erbittet Vergebung. Nach schwerem inneren Kampf verzeiht ihm Mathias. Johannes stirbt. Draußen singen die Kinder „Selig sind, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das Himmelreich“.
Der
Pianist und Dirigent Wilhelm Kienzl (* am 17. Januar 1857 in Waizenkirchen, Oberösterreich,
+ 3. Oktober 1941 in Wien) reiste ab 1879 durch ganz Europa. 1883 wurde er Direktor der Deutschen Oper in Amsterdam, kehrte aber bald nach Graz zurück, wo er 1886 die Leitung des Steiermärkischen Musikvereins und Aufgaben am Konservatorium übernahm. Für die Spielzeit 1890-91 war er als Kapellmeister am Stadt-Theater in Hamburg
verpflichtet; aber bereits in Januar 1891 wurde er entlassen, weil die Kritiken über ihn sehr schlecht waren, und bald darauf auch in München. 1894 schrieb er seine dritte und berühmteste Oper
'Der Evangelimann', deren Erfolg er nicht wiederholen konnte. Lediglich Der Kuhreigen - uraufgeführt am 23. November 1911 in der Wiener Volksoper - wurde vergleichsweise häufig nachgespielt.
1917 zog Kienzl nach Wien. 1920 komponierte er die Melodie zu einem von Dr. Karl Renner
geschriebenen Gedicht „Deutschösterreich, du herrliches Land“, welches bis 1929 als inoffizielle Nationalhymne der Ersten Österreichischen Republik galt.
Ab 1926 schrieb Kienzl keine großen Werke mehr und gab 1936 das Komponieren aus Krankheitsgründen ganz auf.
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