Selbstverbrennung
von Pfarrer Oskar Brüsewitz
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am 18. August 1976
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vor der Michaeliskirche in
Zeitz
.
Vier Tage später starb Brüsewitz an seinen Verbrennungen.
ABCD Brüsewitz wurde am 30. Mai 1929 im Memelgebiet bei
Tilsit als drittes von
fünf Kindern geboren. Sein Vater war evangelischer, seine Mutter katholischer Konfession. 1935 zog die Familie nach Wischwill um,
wo Brüsewitz auf die Volksschule ging. Darüber hinaus besuchte er den Kindergottesdienst und die Konfirmandenstunde.
1943 schloss der 14-jährige Oskar seine Schulausbildung ab und wurde
konfirmiert. Im gleichen Jahr begann er in Kreuzingen
(Kreis Heinrichswalde) eine Ausbildung zum Kaufmann in einem
Gemischtwarenhandel. 1944 floh die Familie Brüsewitz aus Ostpreußen. In Burgstädt (Sachsen) erhielt Brüsewitz seine
Einberufung zum Reichsarbeitsdienst, später leistete er Dienst als Panzerfaustschütze.
Er geriet in Kriegsgefangenschaft aus der er, wie auch sein Bruder, 1945 entlassen
wurde.
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Von 1945 bis 1947 absolvierte er in Burgstädt bei Chemnitz, wo er mit seiner Mutter lebte, eine Lehre als Schuhmacher und siedelte nach der Gesellenprüfung nach Melle
bei Osnabrück über. Hier eröffnete er eine eigene Schuhmacherwerkstatt und legte 1951 die
Meisterprüfung ab. 1951 heiratete Brüsewitz und zog nach Hildesheim, 1952 wurde
eine Tochter geboren. Die Ehe wurde 1954 geschieden.
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1954 zog Brüsewitz nach Weißenfels
in die DDR und bekehrte sich dort durch den Einfluss seiner Gastfamilie
wieder zum Christentum. Kurz darauf bewarb er sich an der Predigerschule
Wittenberg , musste aber wegen einer schweren psychosomatischen Erkrankung die Ausbildung abbrechen. Nach einer Kur ging Brüsewitz nach Leipzig. Hier lernte er
seine zweite Frau kennen. Nachdem er in Markkleeberg
eine eigene Schuhmacherwerkstatt eröffnet hatte, heirateten sie Ende 1955. Im folgenden Jahr wurde
ein Sohn geboren, der 1969 starb. 1958 kam eine Tochter auf die Welt. In Leipzig nahm Brüsewitz rege am Gemeindeleben teil.
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Nach erneuter Krankheit zog die Familie 1960 nach Weißensee , wo
eine weitere Tochter geboren wurde und Brüsewitz weiter als selbstständiger Schuhmacher und nach der Überführung des Geschäfts in die PGH Sömmerda
als Zweigstellenleiter arbeitete. Auch in Weißensee nahm Brüsewitz aktiv am Gemeindeleben teil, beteiligte sich an der Jugendarbeit und organisierte die Evangelisationsarbeit im Kirchenkreis Sömmerda. Besonders seine ungewöhnlichen Werbeaktionen für die Evangelisationen verursachten Konflikte, nicht nur mit Staatsvertretern, sondern auch mit Mitgliedern des Gemeindekirchenrates, dem auch er angehörte.
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Von 1964 bis 1969 besuchte er die Predigerschule in Erfurt . Er wurde 1970 in Wernigerode
ordiniert und evangelisch-lutherischer Pfarrer in Rippicha
im Kreis Zeitz. Seine Jugendarbeit und symbolischen Protestaktionen – wie z. B. das Anbringen von Plakaten mit
christlichem Charakter neben kommunistischen Losungen oder das Installieren eines Kreuzes aus Neonröhren an seiner Kirche – machten ihn einerseits beliebt und führten zu beispiellosem Kirchenbesuch in seiner Gemeinde, sie beschworen andererseits aber auch zunehmend Konflikte mit
den staatlichen Organen. Zudem lehnten ihn einige der Amtsbrüder wegen seiner unkonventionellen Methoden ab. 1976 legte die Kirchenleitung Brüsewitz die Versetzung in eine andere Pfarrstelle bzw. Übersiedlung in den Westen
nahe.
Am Morgen des 18. August 1976 bat Brüsewitz seine Tochter Esther, für ihn das Kirchenlied
'So nimm denn meine Hände' (EG 376) zu spielen, danach verließ er das Haus und fuhr mit seinem Wartburg Camping in die Kreisstadt Zeitz, wo er vor der Michaelskirche
anhielt und ein zweiteiliges Plakat auf das Dach seines Autos stellte, das die Aufmerksamkeit der Menschen erregte.
Auf
den Plakaten klagte er den Kommunismus an („Funkspruch an alle: Die Kirche in der DDR klagt den Kommunismus an! Wegen Unterdrückung in Schulen an Kindern und Jugendlichen“). Aus einer großen Milchkanne übergoss er sich vor ihnen mit Benzin und zündete sich an. Drei bis vier Meter hoch schlugen Flammen empor, der Pfarrer in seinem Talar und das Auto brannten lichterloh. Vor Leuten, die ihm helfen wollten, rannte er weg und auf die Superintendentur zu, während die Glocken für eine Beerdigung zu läuten begannen. Etwa 300 Menschen wurden Zeugen des Fanals. Im Abschiedsbrief an seine Tochter drückte er seine Kritik an der Inkonsequenz seiner Kirche aus.
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Die Aktion dauerte nur kurz; die Plakate wurden rasch von Staatssicherheitsmitarbeitern weggerissen und der schwerverletzte Brüsewitz
in ein Krankenhaus abtransportiert. Am 22. August 1976 erlag Brüsewitz seinen Verbrennungen im Bezirkskrankenhaus
Halle-Dölau, ohne dass ihn seine Familie besuchen durfte.
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In seinem Abschiedsbrief betonte er, nicht Selbstmord begangen zu haben, sondern als berufener Zeuge einen Sendungsauftrag erfüllt zu haben. Er klagte über den
scheinbar tiefen Frieden, der auch in die Christenheit eingedrungen sei, während
zwischen Licht und Finsternis ein mächtiger Krieg tobe. Die DDR-Stellen versuchten zunächst, die Geschehnisse in Zeitz zu verschweigen. Als jedoch am 20. August 1976 Rundfunk und Fernsehen der
BDR über die Selbstverbrennung berichteten, erschien einen Tag später auch in den Zeitungen der DDR eine Mitteilung. Sie stellte Brüsewitz’ Signal als Tat eines Psychopathen dar.
Die Kirchenleitung der DDR erarbeitete ein Wort an die Gemeinden, das am 22. August 1976 in vielen Gottesdiensten verlesen wurde.
Sie distanzierte sich darin von Versuchen,
das Geschehen in Zeitz zur Propaganda gegen die Deutsche Demokratische Republik zu
benutzen.
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