Sonntag, 14. September 2014

Schlacht an den Masurischen Seen

vom 6. bis 14. September 1914. 
ABCD

Vorgeschichte: Mit der Vernichtung der 2. Armee unter General Samsonow in der Schlacht von Tannenberg war der russische Plan einer Eroberung Ostpreußens durch einen beiderseitigen Angriff aus dem Süden und Nordosten gescheitert. Damit war die Bedrohung der östlichsten deutschen Provinz aber noch nicht beseitigt. Schon am 20. August hatte der vorherige Befehlshaber der deutschen 8. Armee, Maximilian von Prittwitz und Gaffron dringend Verstärkungen von der Westfront angefordert. General Prittwitz war zwar wegen seiner defensiven Operationsführung durch Generaloberst von Hindenburg ersetzt worden, der Antransport der Verstärkungen aus Frankreich wurde allerdings fortgeführt. So war die 8. Armee bis Ende August durch das XI. Armee-Korps und das Garde-Reserve-Korps um vier Infanteriedivisionen und eine Kavalleriedivision erheblich verstärkt worden. Damit konnten die deutschen Kräfte kurzfristig eine Überlegenheit der Kräfte gegenüber ihren russischen Gegnern erreichen.

Die russische 1. Armee (Njemen-Armee) unter Paul von Rennenkampff hatte sich im Raum Insterburg–Gumbinnen auf deutschem Territorium in Verteidigungsstellungen zurückgezogen. Das zaristische Oberkommando war trotz der Niederlage von Tannenberg noch nicht vom Plan abgekommen, den Krieg abermals auf deutsches Territorium zu tragen. Dieses Vorhaben wurde noch durch diplomatischen Druck des verbündeten Frankreich geschürt. Gleichzeitig ließ der Frontstab der Heeresgruppe Nord unter General Schilinski südöstlich von Ostpreußen eine neue Armee – die 10. Armee unter General der Infanterie Wassili Pflug – aufstellen, um sich die Möglichkeit einer neuerlichen Offensive zu erhalten.

General Rennenkampff, der bereitwillig die Befehle seines Vorgesetzten Schilinskis befolgte, die es ihm schon bei Tannenberg unmöglich machten, der 2. Armee beizustehen, hatte seine Truppen jetzt auf die Defensive eingestellt und wartete weitere Kräfte ab, um neuerlich in Ostpreußen einzubrechen. Er erhielt Verstärkungen, durch die seine Armee auf insgesamt 14 Infanterie- und 5 Kavallerie-Divisionen aufgestockt wurde. Zudem hoffte er auf weitere Verstärkungen durch die neu aufgestellte 10. Armee, die südlich der Njemen-Armee für Flankendeckung sorgen sollte.

Planung und Aufmarsch

Nach dem Sieg von Tannenberg hatte General von Hindenburg gegenüber der russischen Njemenarmee zeitweilig eine Überlegenheit an Truppenzahl. Nur für kurze Zeit bestand die Möglichkeit, auch Rennenkampfs Armee zurückzudrängen, bevor sich die russischen Kräfte an der jetzt unbedrohten Südflanke der 8. Armee im Raum Lyck wieder verstärken konnten. Die Lösung des Problems lag darin, an der schwächsten Stelle des Gegners eine zahlenmäßige Überlegenheit anzusetzen, um die feindliche Front aufzubrechen. Diesen Ansatz verfolgte General Ludendorff als Generalstabschef der 8. Armee, ganz nach dem Vorbild des Vorgehens bei Tannenberg. Die Truppen wurden mit Hilfe des Eisenbahnnetzes nach Norden umgruppiert und gegenüber der 1. russische Armee in Stellung gebracht.

Die Nordflanke bei Labiau deckte die Festungsreserve von Königsberg unter Generalleutnant von Pappritz , bei Wehlau standen ostpreußische Landwehreinheiten. Der Aufmarsch im Zentrum erfolgte an der Linie Allenburg–Gerdauen–Nordenburg – hin zu den Masurischen Seen bei Angerburg. Hier standen von Nord nach Süd der Masse der russischen 10. Armee gegenüber:

- das Garde-Reserve-Korps von Gallwitz mit der 1. Garde-Reserve-Division und der 3. Garde-Division bei Allenburg
- das I. Reserve-Korps von Below mit der 1. und 36. Reserve-Division bei Gerdauen
- das XI. Armee-Korps von Plüskow mit der 38. und 22. Division lag gegenüber Nordenburg
- und das XX. Armee-Korps (Friedrich von Scholtz) mit der 37. und 41. Division im nordwestlichen Vorfeld von Angerburg.

Den südlichen Hauptangriff in Richtung auf Goldap sollte das XVII. Armee-Korps (August von Mackensen) führen, gedeckt durch die Festung Lötzen. Das I. Armee-Korps (Hermann von François) sollte mit der 1. und 2. Division  im Raum Arys den Angriff eröffnen. Als Verstärkung war hier die 1. Kavallerie-Division unter General Brecht sofort verfügbar, während die 8. Kavallerie-Division in zweiter Linie durch die Seenenge nachgezogen werden sollte.


An der südlichen Front zwischen Neidenburg und Mława verblieben derweil Landwehrtruppen unter General von Zastrow in Defensive. Bei Johannisburg deckte das sich schon bei Tannenberg bewährte Höhere Landwehr-Kommando Goltz, sowie im Seengebiet von Lyck, die sich ebenfalls dem Angriff anschließende 3. Reserve-Division unter General von Morgen. Diese Verbände deckten die Südflanke der 8. Armee gegenüber der nur mäßig in die Schlacht eingreifenden russischen 10. Armee.

Verlauf: Wie bei der Schlacht von Tannenberg sollte ein Verband aus zwei Divisionen unter General von François die entscheidende Umfassungsoperation gegen die linke Flanke der Russen durchführen. Damit hatte das deutsche Kommando die Schwachstelle am Südflügel der Njemen-Armee richtig erkannt. General Rennenkampff rechnete immer noch mit einer Attacke aus dem von Truppen entblößten Königsberg und konzentrierte seine Verbände nordwestlich gegen die Hauptstadt Ostpreußens. Seine linke Flanke bestand ausschließlich aus Reservedivisionen, unterstützt durch starke Kavallerie. Diese war im Gebiet der Masurischen Seen positioniert, und Rennenkampff rechnete damit, dass das durch Wasserflächen zerklüftete Terrain für einen deutschen Angriff nicht in Fragen kommen würde. Entgegen Rennenkampfs Ansicht setzten die Deutschen aber ihren Hauptstoß am 6. September gerade hier an der masurischen Seenenge an.

Das I. Armee-Korps unter General von François begann seinen Angriff in Richtung auf Goldap mit einer dreifacher Überlegenheit, seine Verbände – die 1. und 2. Division – fügten dem russischen II. Korps schnell schwere Verluste zu. Links davon begleitete das XVI. Armee-Korps unter General von Mackensen durch das eigene Vorgehen an der Seenenge bei Lötzen auf Possessern. Die Zerklüftung des Terrains wirkte sich bei den russischen Reservedivisionen in diesem Abschnitt zusätzlich negativ aus, weil die einzelnen Bataillone durch die Unwegsamkeit des Geländes kaum Verbindung zueinander halten oder gar gegenseitig koordiniert Hilfe leisten konnten. Im Zentrum drängten das deutsche Garde-Reserve-Korps bei Gerdauen, das 1. Reserve-Korps südlich Wehlau ebenfalls kräftig vor. Das deutsche I. und XVII. Korps verstärkte den Druck gegen den russischen Südflügel derart, das die russischen Korps im Zentrum bis zum 11. September schrittweise auf die Angerapp zurückgehen mussten. Die deutsche Angriffsspitze konnte 30.000 Gefangene machen und die gesamte Artillerie der angegriffenen Divisionen erbeuten.

Nach dem Plan der deutschen Führung sollte nun der Stoßverband eine Einkreisung der feindlichen Truppen nach dem Muster von Tannenberg unternehmen. Zwei Faktoren verhinderten dies allerdings. François setzte bei seinem Versuch, die feindlichen Truppen abzuschneiden, vorwiegend auf Kavallerie, die sich schon bei Tannenberg bewährt hatte. Allerdings war sie in der vorhergehenden Schlacht nie auf wirklich organisierten Widerstand gestoßen und hatte den Gegner eher umgangen. Die Gegenwehr russischer Infanterie setzte seinem schnellen Vorstoß ein Ende, und auch Nachschubprobleme durch die unzureichenden Wege der Seenplatte taten ein übriges, um den Vorstoß der Deutschen zum Stehen zu bringen.

Rennenkampff entschied sich angesichts des Schicksals Samsonows zum generellen Rückzug aus deutschem Gebiet, womit ein weiterer Versuch der Einkreisung nicht mehr möglich war. Seine Njemen-Armee überquerte am 13. September die russische Grenze. Deutsche Truppen folgten der Armee und betraten tags darauf zum ersten Mal im Krieg russisches Territorium.

Ergebnis: Der Ausgang der Schlacht hat den auf die Umfassung gesetzten Hoffnungen nicht ganz entsprochen. Der deutschen Führung standen keine Mittel zur Verfügung, den russischen Befehlshaber am Rückzug zu hindern. Das Zögern mit dem Frontalangriff hatte seinen Grund in der Schwäche der deutschen Angriffsfront und ihrer Kampfmittel. Russische Gegenmaßnahmen und eine Reihe unglücklicher Zufälle haben das Ergebnis der Verfolgung weiter beeinträchtigt. Alles in allem kann die Schlacht an den Masurischen Seen aus deutscher Sicht doch als erfolgreich bezeichnet werden. 45.000 Gefangene und 150 Geschütze zählte die Beute. Russische Quellen geben die Verluste mit 100.000 Mann an (70.000 Tote und Verwundete, 30.000 Gefangene). Die Reste der 1.(Njemen)-Armee gelangten in Unordnung und Auflösung über die Grenze und mussten bis hinter den Njemen zurück geführt werden. Auf deutscher Seite steht ein Gesamtverlust von etwa 9.000 Mann gegenüber.

Die russische Heeresgruppe der Nordwestfront war nach diesen beiden Schlachten (Tannenberg und Masurische Seen) in allen ihren Teilen entscheidend geschlagen: Die 1. Armee war für die nächsten Wochen nicht mehr einsatzfähig, die Versammlung der 10. Armee war in Verwirrung gebracht, die Reste der 2. hatten erneut einen Stoß erlitten. Selbstvertrauen und Siegeszuversicht der Russen waren erschüttert. Die Bedrohung für die deutsche Provinz konnte jedoch erst ganz in der Winterschlacht in Masuren
abgewendet werden.

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