Erfurt - "Der Trend der letzten Jahre setzt sich fort", bestätigte Gerald Grusser, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt. Vor allem Betriebe, die nur Getränke anbieten, also typische Kneipen, litten unter der Entwicklung. Deren Anzahl ist allein in Mittel- und Westthüringen in den vergangenen fünf Jahren um 15 Prozent zurückgegangen.
"Es wird gegenwärtig kaum Geld verdient", fasst Grusser zusammen. Die Gründe dafür wären vielfältig. Trotz der niedrigen Arbeitslosenquote liege die Kaufkraft der Bürger noch immer zwischen 20 und 25 Prozent unter dem bundesweiten Durchschnitt. Allerdings mit erheblichen regionalen Unterschieden. "Während Städte wie Erfurt, Weimar und Jena eine verhältnismäßig hohe Kaufkraftdichte aufweisen, liegt diese insbesondere in einigen Nordthüringer Landkreisen teilweise noch fast ein Drittel unter dem bundesdeutschen Referenzwert", sagte der Erfurter IHK-Chef.
Dementsprechend präsentiere sich auch das Stimmungsbild in der Gastronomie: so erhöhe sich in den Städten die Vielfalt der gastronomischen Szene, wogegen das Kneipensterben in den Dörfern weiter anhalte.
Dirk Ellinger, Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga Thüringen, verweist auf die vielen kleinen Betriebe in Thüringen in seiner Branche. "87 Prozent der Unternehmen haben nur bis zu fünf Beschäftigte", sagte Ellinger. Da komme der Dorfwirt schnell auf eine Arbeitszeit von 80 Stunden in der Woche. Das macht den Beruf aus Sicht von Ellinger nicht attraktiv, weshalb viele Wirte keine Nachfolger finden.
Zumal man bei einem durchschnittlichen Jahresgewinn von um die 10.000 Euro auf einen Stundenlohn von nur noch drei Euro für den Gastwirt kommt, rechnet Ellinger vor.
Hinzu kommt die Konkurrenz von Feuerwehr- oder Kegelclubs in den Gemeinden, die in ihren Gebäuden oder in mit Steuergeldern errichteten Gemeinschaftshäusern ihre Feste veranstalten und Flaschenbier aus dem Supermarkt anbieten.
Auf den weiteren Rückgang der Umsätze im ersten Halbjahr reagierten viele Wirte mit einem Stellenabbau, um Kosten zu
senken. Demnach fiel der Umsatzrückgang mit einem Minus von über sechs Prozent in den Kneipen am stärksten aus.
Zusätzlich hinterlässt das schlechte Sommerwetter der letzten Wochen seine negativen Spuren in den Bilanzen der Gastronomie.
Besonders die Biergartensaison kam in diesem verregneten Sommer kaum in Gang. "Nachdem der Juni mit der Fußballweltmeisterschaft für die Branche noch gut lief, war die Umsatzentwicklung im Juli bereits rückläufig. Der August ist dann in weiten Teilen der Gastronomie sprichwörtlich ins Wasser gefallen", erklärte IHK-Chef
Grusser. Jetzt setzten die Gaststätten-Betreiber große Erwartungen in einen schönen Spätsommer und einen sonnigen Herbst.
Das Thüringer Gastgewerbe erzielte im ersten Halbjahr preisbereinigt einen Umsatzrückgang von 1,4 Prozent zum
Vorjahr, während sie bundesweit real um 1,6 Prozent stiegen . Die Zahl der Beschäftigten sank in den ersten sechs Monaten um 3,4 Prozent, bei Vollzeitbeschäftigten fiel der Rückgang mit - 6,3 Prozent deutlicher aus.
Entgegen dem Bundestrend setzten die Hotels und Gaststätten im Freistaat auch weniger um.
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