Mittwoch, 17. Dezember 2014

Sendlinger Mordweihnacht

In der Nacht zum 25. Dezember 1705 in Sendling bei München: Bayerische Aufständische werden von kaiserlichen Truppen des Habsburgers Joseph I. besiegt und völlig aufgerieben. Etwa 1100 Oberländer kommen ums Leben.

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Geschichtliche Hintergrund: Im Spanischen Erbfolgekrieg war der bayerische Kurfürst Max Emanuel Verbündeter des französischen Königs Ludwig XIV. in dessen Kampf gegen das von den österreichischen Habsburgern geführte Heilige Römische Reich Deutscher Nation und dessen Bündnispartner England.

Bei Höchstädt, auf dem nördlichen Donauufer zwischen Blindheim und Lutzingen, kam es am 13. August 1704 zur ersten großen Entscheidungsschlacht des Spanischen Erbfolgekriegs, der Schlacht von Höchstädt
. Ein alliiertes Heer aus Kaiserlichen unter Befehl von Prinz Eugen von Savoyen sowie Engländern unter dem Befehl des Herzogs von Marlborough schlug die französischen und bayerischen Truppen unter dem Befehl von Marschall Tallard und Kurfürst Max Emanuel. Max Emanuel musste Bayern verlassen und die Reichstruppen unter Prinz Eugen von Savoyen besetzten das Herzogtum Bayern.

Kaiser Leopold I.
gewährte der bayerischen Kurfürstin Therese Kunigunde , die in Abwesenheit ihres Mannes die Regentschaft über Bayern übernommen hatte, großzügige Bedingungen. Im Frühjahr 1705 verstarb jedoch Leopold I., und sein Sohn und Nachfolger Joseph I. ließ das bayerische Oberland und die Residenzstadt München besetzen. Er ließ außerdem die Steuern drastisch erhöhen und quartierte Truppen ein. Im Herbst 1705 wurde eine Zwangsaushebung im ganzen Kurfürstentum angeordnet. Die Soldaten der kaiserlichen Administrationen gingen bei der Rekrutierung und dem Eintreiben von Versorgungsleistungen äußerst brutal vor, worunter vor allem die Landbevölkerung zu leiden hatte.

Als Konsequenz kam es zu ersten Aufständen und Gewalttätigkeiten der von der Zwangsaushebung betroffenen Männer in der Oberpfalz, in Niederbayern und in der Gegend um Tölz, die bereits die Losung für die folgenden Revolten prägten: "Lieber bairisch stea'm, als kaiserlich verdea'm". Anfang Oktober wurden achtzehn Rekruten, die zur Armee abgeführt werden sollten, auf offener Straße befreit. Trotz des Einschreitens der kaiserlichen Truppen breiteten sich die Aufstände in Niederbayern und der Oberpfalz – im sogenannten Unterland – schnell aus.

Mit der Ausbreitung der Revolten übernahmen verstärkt Offiziere, Adlige, Beamte und Handwerker die Führung der Aufständischen. Zunächst wurde Burghausen
belagert, das sich am 16. Dezember 1705 den Aufständischen ergab, genauso wie kurz darauf Braunau . Diese beiden Städte wurden damit zu den militärischen und politischen Zentren der Aufstandsbewegung.  

Nach diesen beiden Niederlagen versuchten die kaiserlichen Besatzer in Waffenstillstandsverhandlungen mit den Aufständischen zu treten, die eine Delegation nach München entsandten. Währenddessen eroberten die Aufständischen die Städte Schärding
und Kelheim . Die Verhandlungen führten zu einem zehntägigen Waffenstillstand.

Plan der Aufständischen: Die Zeit des Waffenstillstands nutzten die Aufständischen zur Ausarbeitung eines Plans, wie die kaiserliche Besatzungsmacht aus München vertrieben werden könnte. Die kaiserlichen Soldaten sollten im Norden Bayerns durch Aufstände gebunden werden, um sie so im Südosten umgehen zu können und in einem Sternmarsch auf München zu marschieren. Zeitgleich sollte die ehemalige Münchener Bürgerwehr die Revolutionäre innerhalb der Stadtmauer unterstützen. Man beschloss, sich nicht an den Waffenstillstand zu halten und mit der Aktion so schnell wie möglich zu beginnen.

Die Münchener Verschwörer begannen umgehend mit den Vorbereitungen, während die Aufständischen im Oberland mobilisiert wurden. Man gab vor, dass die kurfürstlichen Prinzen, die noch in München lebten, nach Österreich entführt werden sollten, und dass der Kurfürst Max Emmanuel den Aufstand mittragen würde. Im gesamten Land wurden die Bauern vor die schwere Wahl gestellt, entweder ihre Söhne und Knechte mit den aufständischen Truppen ziehen oder ihre Höfe in Schutt und Asche legen zu lassen.

Am 21. Dezember 1705 fanden sich insgesamt 2.769 Mann Fußvolk und etwa 300 Reiter mit völlig unzureichender Ausrüstung und Bewaffnung im Kloster Schäftlarn
ein. Auch in München liefen letzte Vorbereitungen; Raketensignale sollten den Aufständischen außerhalb der Stadtmauern die Bereitschaft der Münchener anzeigen.

  
Mordweihnacht: Am Heiligen Abend gegen Mittag begannen die Aufständischen ihren Marsch auf München. In Solln erhielten sie die nächste schlechte Nachricht: Die Münchener Verbündeten würden die geplanten Aktionen nicht mehr wie besprochen durchführen können. Die kaiserlichen Besatzer hatten die Truppen verstärkt und Soldaten patrouillierten in der Stadt. Gegen Mitternacht erreichte der Tross der Oberländer Sendling, wo das Kommando im örtlichen Wirtshaus Stellung bezog, während das gemeine Volk in eisiger Winternacht im Freien kampierte. Die Unterländer standen währenddessen mit etwa 16.000 Mann bei Zorneding
, wo sie von kaiserlichen Truppen am Weitermarsch gehindert wurden. Die kaiserlichen Besatzer waren inzwischen längst über die geplante Aktion der Revolutionäre im Bilde.

Die Oberländer teilten ihren Tross nun in drei Gruppen: Leicht- und Unbewaffnete sollten in Sendling bleiben, während die anderen beiden Gruppen sich vor Angertor
und Rotem Turm postierten. Die Münchener Verbündeten sollten die Stadttore um ein Uhr früh des 25. Dezembers öffnen, was aber nicht geschah. Dennoch konnte zunächst der Rote Turm fast kampflos erobert werden, die Besatzer zogen sich auf das dahinterliegende, stärker befestigte und leichter zu verteidigende Isartor zurück, an dem die Revolutionäre dann auch scheiterten. Sie wurden in der Folge sogar wieder hinter den Roten Turm zurückgedrängt, wo sie sich verbarrikadierten. Im Morgengrauen wurden die Volkstruppen aus Osten, von der stadtabgewandten Seite her, durch kaiserliche Truppen angegriffen und aufgerieben.

Einige Aufständische konnten sich nach Sendling durchschlagen, wo sie sich erneut verschanzten. Kurz darauf nahmen auch hier die kaiserlichen Truppen Aufstellung. Die aufständischen Oberländer ergaben sich und legten ihre Waffen nieder. Die kaiserlichen Offiziere gewährten zwar scheinbar Pardon, ließen die entwaffneten Revolutionäre dann aber noch an Ort und Stelle niedermetzeln. Einige letzte Überlebende flüchteten auf den Friedhof der alten Pfarrkirche in Sendling in der Hoffnung, die kaiserlichen Truppen würden zumindest am Weihnachtstag den heiligen Bezirk achten und dort nicht angreifen. Doch auch hier kannten die Besatzer kein Pardon und töteten jeden, auch die Kirche wurde mehr oder weniger vollständig zerstört und Sendling geplündert. Als einer der letzten Verteidiger soll der sagenhafte „Schmied von Kochel“
gefallen sein. Den wenigsten der Aufständischen gelang die Flucht. Die Zahl der auf bayerischer Seite Getöteten kann heute recht genau auf etwa 1.100 beziffert werden, die der „kaiserlichen“ Toten dagegen wird auf etwa 40 geschätzt.

Nach diesem Massaker sammelten die kaiserlichen Soldaten die etwa 500 noch lebenden Verwundeten ein und brachten sie nach München, wo man sie vor dem Jesuitenkolleg, der heutigen Michaelskirche, gefangen hielt. Um die Verwundeten durfte sich auf Befehl der Administration drei Tage niemand kümmern.

Weiterer Ablauf der Ereignisse: Die Unterländer Aufständischen hatten noch am Abend des 25. Dezember in ihrem Hauptquartier in Steinhöring
Nachricht von der Niederlage der Oberländer vor München erhalten. Da der Plan einer Zangenoperation damit gescheitert war, wurde umgehend der Rückzug gegen Braunau eingeleitet.

Unterdessen hatte die kaiserliche Administration in München Untersuchungen über die Entstehung des Aufstandes durchgeführt. Als Ergebnis wurde am 28. Dezember eine Generalamnestie für einfache Aufstandsteilnehmer verkündet, zugleich suchte man intensiv nach noch flüchtigen Rädelsführern und verhängte empfindliche Geldbußen gegen die beteiligten Grundherrschaften und Marktgemeinden. Aussagen von Gefangenen führten zu einer breiten Verhaftungswelle. 

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Kurz darauf wurden die ersten Urteile verkündet und vollstreckt: Zwei Leutnants und zwei Münchner Bürger wurden am 29. Januar 1706 auf dem Münchner Schrannenplatz (heute Marienplatz) enthauptet, die beiden letzteren zusätzlich gevierteilt. Gleiches widerfuhr am 17. März einem Gastwirt. Die beteiligten Beamten wurden ihrer Ämter enthoben, und eine große Zahl von Personen mit Geldstrafen belegt. Einigen wenigen Revolutionären gelang die Flucht. 

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Parallel dazu machte sich die kaiserliche Administration in München an die endgültige Niederwerfung des Aufstandes. Am 1. Januar 1706 begann Generalwachtmeister von Kriechbaum einen Vorstoß in Richtung Vilshofen . Am 8. Januar traf er bei Aidenbach auf ein etwa 4.000 Mann starkes Bauernheer, das unter hohen eigenen Verlusten mit geschätzt etwa 2.000 Gefallenen vollständig zerrieben wurde. Mit dieser Niederlage war die Widerstandskraft der Revolutionäre endgültig gebrochen. Am 13. Januar wurde Schärding, am 16. Cham , am 17. Braunau den Kaiserlichen übergeben, und am 18. Januar 1706 kapitulierte Burghausen als letzte Stadt, die sich noch in der Hand der Aufständischen befand. Innerhalb von nur drei Wochen waren auf bayerischer Seite insgesamt knapp 10.000 Opfer zu verzeichnen. 

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Trotz des vollständigen Zusammenbruchs des Aufstandes wählte die kaiserliche Verwaltung in der Folge einen moderateren Kurs, die Zwangsrekrutierungen wurden eingestellt und die Steuerforderungen gesenkt, so dass sich Bayern in den noch folgenden neun Jahren unter kaiserlicher Herrschaft zumindest in bescheidenem Maße wieder erholen konnte. Über den bayerischen Kurfürsten Max Emanuel und seinen Bruder Joseph Clemens, den Kurfürsten von Köln, wurde die Reichsacht verhängt und beide gingen ihrer Reichslehen verlustig. Während die Oberpfalz wieder der Pfalz zugeschlagen werden sollte, wollte Kaiser Joseph I. die Herrschaft über Bayern übernehmen. Dieses Vorhaben scheiterte am Einspruch Preußens.  

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