Freitag, 26. Dezember 2014

Meißen - Exakt 160 PS, 4,8 Tonnen Gewicht, 3,56 Meter Gesamthöhe: Das sind die Eckdaten der neuen Meißner Kirche. Mit der ist seit wenigen Tagen Gerry Dueck (unten) unterwegs. „Fährt sich schwerfällig wie ein Boot – und man muss mit der Breite etwas aufpassen“, sagt der Fieldsergeant der Heilsarmee. Aber die „Kirche auf Rädern“, so der offizielle Name des Unikats, hat es auch in sich. Es gibt einen Andachtsraum mit Holzstühlen und Bänken, eine Küchenzeile, eine Toilettenkabine. Oben ragen ein hölzernes Kreuz und ein kleiner Turm über den Aufbau, unten bieten stählerne Fächer reichlich Stauraum.

Und den braucht der Umbau eines VW-Crafter: Denn an Bord sind im Regelfall 40 Portionen warmes Essen. „Beliebt sind Soljanka, Gulasch, Linsensuppe oder Makkaroni“, sagt ein 29-Jähriger mit Sonnenbrille, den alle nur Opti nennen. Der Restaurantfachmann packt mit an, wenn es die Zeit erlaubt. In der Küche an der Bahnhofstraße weiß der Helfer schon aus dem Effeff, wie viel Fleisch, Bohnen, Kartoffeln man für die Tag braucht. „Kalkulieren kann ich das mittlerweile schon ganz gut.“ Gleichzeitig geht Opti auch gern mit auf Tour – unter anderem an die Ausgabestelle am Meißner Beyerleinplatz. „Ich will doch sehen, wie mein Essen ankommt und mir neue Ideen holen.“

Bislang war die Heilsarmee in Meißen mit ihrem typischen Ausgabewagen unterwegs – einer Art Bäckerwagen mit Tresen. „Davon hat die Heilsarmee weltweit Tausende“, sagt Gerry Dueck, der Kanadier, der von der Freikirche vor 13 Jahren nach Meißen entsandt wurde. Jetzt konnte er sich endlich einen Wunsch erfüllen: „Ich wollte mit der Kirche zu den Menschen kommen – auf eine Ebene, nicht nur über den Tresen hinweg.“ Und so steht der Theologe mitten unter den Leuten, die sich schnell am Beyerleinplatz versammelt haben. Eine Frau mit Rollator ist darunter, ein Lebenskünstler mit abgegriffenem Lederhut, ein Mann mit Vollbart und Lidl-Tüte. Jeder bekommt einen Teller mit dampfendem Gulasch gereicht, der in den Warmhaltefächern neben der Hinterachse mitgereist ist. „Dort drin sollte das Essen schon acht Stunden warm bleiben“, sagt 65-Jährige mit deutlichem englischen Akzent.

Immerhin geht der Heilsarmee-Offizier mit seiner Frau Blanca gleich noch weiter auf Tour: Heute steht auch noch Großenhain auf dem Programm, an anderen Wochentagen Coswig, Freiberg, Freital, Oschatz. Überall wird die rollende Kirche schon erwartet. In Freital etwa von Leuten, die so mancher längst aufgegeben hat. „Denen geben wir gern auch etwas Suppe in ihren mitgebrachten Litergefäßen mit“, sagt Gerry Dueck. „Alkoholiker vergessen sonst manchmal ganz einfach das Essen.“ In Freiberg dagegen freuen sich 50 Asylbewerber auf das Kirchenmobil – können sich doch die meisten gut in Englisch verständigen, der Muttersprache des Heilsarmisten. Mit Rücksicht auf muslimische Bräuche wird die Soljanka ohne Schweinefleisch zubereitet. Sonst macht der Theologe aber kein Hehl daraus, dass er einer Missionskirche angehört. „Wir wollen das Wort Jesu zu den Menschen bringen.“

Predigt mit Flachbildfernseher

Deshalb gibt es nach dem Essen, das die meisten Leute auf Campingbänken vor dem Auto einnehmen, auch noch die Möglichkeit einer Andacht im Inneren des Wagens. Die macht der Theologe gern anschaulich – und hat darum Wert auf eine Ausstattung des Wagens mit Flachbildfernseher und Tablet gelegt. Gern unterlegt er seine Bibelworte mit Fotos oder Bildschirm-Präsentationen. Drei leistungsstarke Batterien und eine umfangreiche Elektronikausrüstung sorgen dafür, dass dabei nicht der Strom ausgeht. Zwei Spezialfirmen in Niedersachsen waren nötig, damit sich die Meißner den Traum von der rollenden Kirche erfüllen konnten: eine Fachfirma für Zirkuswagen und ein Kfz-Betrieb, der alle Anforderungen auch noch TÜV-sicher unter ein Dach bringen konnte. Möglich machte das eine Spende eines Meißner Unternehmers, der ohne Gegenleistung mehrere 10 000 Euro für die Anschaffung des einzigartigen Gefährts gab.

Bis jetzt stößt es fast ausschließlich auf Zustimmung. Allerdings kassierte Gerry Dueck mit dem überbreiten Gefährt in Meißen in den ersten Tagen auch schon ein Knöllchen. Doch davon lässt sich der Kanadier die Begeisterung nicht nehmen. „Wir wollen die Kirche nicht im Dorf lassen, sondern zu den Menschen bringen!“ Betrieben wird die „Kirche auf Rädern“ von der Heilsarmee und dem Meißner Verein „Lebensfahrten“ . Die Macher suchen noch Mitstreiter, die kochen können, einen Fünftonner steuern oder wenigstens pflegen und sauber halten. Schließlich warten im Schnitt 120 Leute pro Woche auf Essen, Gemeinschaft, Gespräche. „Mit mehr Helfern könnten wir mit der Kirche noch mehr Orte ansteuern!“, sagt der Heilsarmist.

Kontakt: Kirche auf Rädern, Bahnhofstraße 2, 01662 Meißen  

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