Dresden - Mit einer Demonstration haben am Samstagnachmittag 2.700
Personen eines toten 20-jhrigen Asylbewerbers aus Eritrea gedacht. Die Demo versammelte sich gegen 15 Uhr und ging anschließend an der
Frauenkirche vorbei zum Landtag. Zu den Organisatoren zählten der Zentralrat der afrikanischen Gemeinde in Deutschland, der Sächsische Flüchtlingsrat, die RAA Opferberatung, das Netzwerk Asyl Migration und Flucht sowie AZ Conni. 180 Polizisten
begleiteten den Protestzug. Für den Mord an dem Asylbewerber macht man
Rechtsradikale wie etwa die Anhänger von Pegida verantwortlich. Gefordert wurden:
Bessere Unterstützung bei Verständigungsproblemen, rücksichtslose
Bestrafung der für den Totschlag verantwortlichen Rechtsradikalen, Ehrung des
Getöteten durch eine Sondersitzung des Bundestages in Berlin oder zumindest
durch Bennennung einer Dresdner Straße nach dem Ermordeten.
Die Polizei ermittelt seit Mittwoch mit 25 Beamten wegen Totschlags. Das Motiv für die Tat
und deren Ort sind noch unklar.
Der erstochene Migrantiner kam
als Kind mit seiner Mutter in den Sudan. Dort gab diese ihm 500 US-Dollar, um
sich in Richtung Libyen nach Europa hin abzusetzen. An der Mittelmeerküste angekommen,
bestieg er angeblich ein Schlauchboot, um nach Italien zu fahren. In Catania
betrat er europäischen Boden und fuhr mit dem Zug nach München. Hier beantragte er Asyl,
kam in die zentrale Anlaufstelle im sächsischen Schneeberg und wurde schließlich
mit sieben weiteren Männern aus Eritrea nach Dresden verteilt. Seiner Mutter schickte er jeden Tag
WhatsApp-Nachrichten. Am vergangenen Montagabend wollte der Jungmigrantiner noch mal aus dem Supermarkt auf der anderen Straßenseite Zigaretten holen.
Später wurde seine Leiche mit mehreren Stichwunden in Hals und Brust aufgefunden.
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1890 wurde Eritrea eine italienische Kolonie. Nach
der Annexion Äthiopiens durch Italien wurde das Gebiet 1936 in das neu gegründete Italienisch-Ostafrika eingegliedert. 1941
besetzten britische Streitkräfte Athiopien und Eritrea. Das Gebiet wurde 1947
unter britisches Mandat gestellt. Dann entschieden die Vereinten Nationen,
dass Eritrea als autonome Region dem Kaiserreich Abessinien zuzuschlagen
wäre. 1961 griffen eritreische Separatisten zu den Waffen. Der Unabhängigkeitskrieg endete 1991 mit
deren Sieg und der Entmachtung des äthiopischen Regimes. Im Mai 1993 stimmten
99.83 % der Wähler für die Unabhängigkeit Eritreas.
1998 brach ein Grenzkrieg der beiden Staaten aus, der in einer Patt-Situation endete.
Bis heute konnte daher die Umsetzung der Grenzdemarkierung nicht vollzogen werden.
Die UN-Truppen wurden von eritreischer Seite massiv in ihren Arbeiten
behindert. 2008 entschied der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, das UN-Mandat nicht weiter zu verlängern.
Staats- und Regierungschef Eritreas in einer Person ist Isayas Afewerki. Derzeit sollen 2.900 Christen, die verbotenen Religionsgemeinschaften angehören, unter unmenschlichen Bedingungen eingesperrt
sein.
Monat für Monat kehren
Tausende von Bürgern dem Land am Horn von Afrika den Rücken. «Afrikas Nord-Korea» wird Eritrea unter Fachleuten genannt.
Bei ihrer Abspaltung von Äthiopien wurde der nun gerade erst zwei Jahrzehnte alten Nation eine glorreiche Zukunft
vorausgesagt. Sechs Jahre später lag der Traum jedoch in Trümmern: Die an die Macht gekommene äthiopische und eritreische Befreiungsbewegungen, die sich noch gemeinsam des blutrünstigen Diktators Mengistu in Addis Abeba entledigt hatten, gerieten sich wegen ein paar Quadratkilometer unfruchtbaren Grenzgebiets in die Haare.
Ein dreijähriger, brutal geführter Krieg kostete Zigtausende von Menschen das Leben.
Danach versank Eritrea in einer aus Verbitterung und Verfolgungswahn genährten Starre. Was Eritrea mit Nordkorea verbindet, ist zum einen die aberwitzige Militarisierung: Der Staat hält sich ein stehendes Heer von
320.000 Soldaten; jeder zehnte Erwachsene, ob männlich oder weiblich, steht unter Waffen. Gleichzeitig hat Präsident Afewerki sein Land nach
außen abgeschottet. In den Gefängnissen des Landes sollen sich mehr als 10'000 politische Häftlinge befinden, unter ihnen auch viele Wehrdienstverweigerer.
Gegen den Exodus der Bevölkerung ist die Regierung machtlos. Ein Teil von ihnen sucht in Booten über das Rote Meer in Richtung Jemen das Weite. Andere fliehen auf dem Landweg in den Sudan, um von dort in Richtung Norden über Libyen einen Weg
nach Europa zu finden. Im Dezember 2014 kam fast die gesamte Fussballnationalmannschaft von einer Begegnung in Uganda nicht mehr nach Hause
zurück.
Eritrea zählt mit 308.000 Flüchtlingen weltweit zu den zehn
bedeutendsten Hauptherkunftsländern von Flüchtlingen. Die meisten davon lebten im Sudan (109.600), in Äthiopien (84.400) und in europäischen Staaten (65.300). Allein zwischen Juni 2013 und Juni 2014 stellten 25.345 Eritreer einen Asylantrag in der EU. Im zweiten Quartal 2014 war es EU-weit mit 11.185 Asylanträgen hinter Syrien (21.110 Anträge) das zweitwichtigste Flüchtlingsherkunftsland..
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