Dienstag, 21. Juni 2011

 

Unkoscheres aus Oberprex 


Oberprex - Das kleine Dorf nahe der böhmischen Grenze im Landkreis Hof gehört zur Gemeinde Regnitzlosau ist seit einem Jahr in vieler Munde. Die dortige seit Jahren leerstehende Gaststätte 'Restaurant zum Egerländer' wurde am 25. März 2010 von einer 52-jährigen Frau aus Töpen bei Hof gekauft. Der ursprünglich vom Vorbesitzer verlangte Kaufpreis von 30.000 Euro konnte von der Erwerberin auf 7.000 Euro gedrückt werden. Regionaldullis glauben herausgefunden zu haben, dass der fränkische Nationalist Tony Gentsch (dieser hat Anfang April 2011 eine längere Haftstrafe wegen §130 angetreten) für den Kauf verantwortlich sei und ärgern sich über dessen Schnäppchen. Der gelernte Metzger und Rock-Musiker - seine Band heißt 'Braune Brüder' - wohnt ebenfalls in Töpen und kam aus Sachsen nach Oberfranken. Gentsch betreibt die Internetseite von 'Freies Netz Süd'

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Nicht einmal 100 Menschen wohnen in Oberprex. Das Dorf ist so klein, dass es über keine Straßennamen verfügt. Die Gemeinde hat die Grundstücke durchnummeriert, das 'Restaurant zum Egerländer' hat die Nummer 47. Der ehemalige Gasthof besteht aus einem kleinen Saalanbau, der Gaststube, aus etwa acht ehemaligen Gasthofzimmern und Garagen. Außerdem verfügt das dicht eingewachsene Gebäude noch über einen kleinen, uneinsehbaren ehemaligen Biergarten. Gentsch koordinierte nach dem Erwerb der Immobilie deren Renovierung durch verschiedene Jugendliche. Der Garten wurde neu angelegt, die Zimmer tapeziert usw. Am Samstag, 12. Juni 2010 feierten etwa 45 Personen die Fertigstellung des neuerworbenen Eigentums. 
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Auf Veranlassung der zuständigen Regional-Dullis: SPD Landtagsabgeordnete Dr. Christoph Rabenstein aus Bayreuth und Inge Aures aus Kulmbach, SPD-Ortsvereins-Vorsitzende Anne Kiefer , Regina Scholz von der Initiative gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit , SPD-Landrat Bernd Hering und Bürgermeister Hans-Jürgen Kropf (Freie Wähler) fand auf dem Grundstück der Immobilie Nummer 47 ein Ortstermin statt. 

 

Um den Ehemann der 52-jährigen Frau aus Töpen, der Mutter von Tony Gentsch, einzuschüchtern, wurde dieser von den anwesenden Regionaldullis inquisitorisch befragt. Er räumte ein, dass sein Sohn mit Freunden bei der Renovierung geholfen, nach getaner Arbeit sich abends zum Grillen getroffen und auch im Hause eine Feier veranstaltet hätten. Bürgermeister Kropf bedauerte, dass die Gemeinde keinerlei rechtliche Möglichkeiten gehabt habe, den Kauf zu verzögern oder gar zu verhindern. Er hätte nicht gewusst, wer  dahinterstecke. Er habe jedoch einen 'Runden Tisch gegen Rechtsextremismus in Regnitzlosau' ins Leben gerufen. MdL Rabenstein bedauerte ebenfalls das Fehlen rechtlicher Möglichkeiten. MdL Aures erklärte, es müsse darüber nachgedacht werden, wie den Gemeinden wirksame rechtliche Handhaben gegen derartige Immobilienkäufe durch unerwünschte Personen gegeben werden könnten. Landrat Hering sagte, rein rechtlich sei der Verkauf des Objektes von privaten an privat nicht zu unterbinden gewesen. Als erste außerrechtliche Maßnahme habe er eine 'Task Force' gegründet mit Beteiligung des Landkreises, der Polizei, des Schulamtes und mehrerer Institutionen. Diese müsse die Kinder überwachen und dafür sorgen, dass sie nicht mit rechtem Gedankengut in Kontakt kommen. Zu den Beschwerden, dass in dem Anwesen nicht-koschere Treffen stattfänden, sagte die Polizei, dies sei ihr bekannt. Die Teilnehmer dieser Treffen ließen sich aber nach außen nichts zuschulden kommen, was ein Eingreifen möglich mache und den Verfassungsschutz auf den Plan rufen könnte. Die Polizei sei aber massiv präsent.
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Am 'Runden Tisch gegen Rechtsextremismus in Regnitzlosau' entstand sofort ein Streit. Die CSU-Dullis Michael Abraham und Werner Bucher hatten davor gewarnt, dass Gefahren nicht nur von Rechts-, sondern auch von Linksextremisten ausgingen. Neben der SPD-Dulli Anne Kiefer meldeten sich auch die Schmuddel-Dullis zu Worte: Freie Wähler Regnitzlosau, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten, DGB. Einvernehmlich kritisierten letztere Abraham und Bucher für deren Formulierung "Eifrig hocken nun die Sozialisten, die selbst ernannten Demokraten, Sozialverbände und auch Kirchenleute sowie Gewerkschafter beieinander und fordern den erbarmungslosen Kampf gegen Rechts" als Entgleisungen der übelsten Art, Verlassen des Bodens demokratischer Grundlagen, Beleidigung, Diffamierung. Der Hofer Dulli-Dekan Günter Saalfrank forderte, dass der Kampf gegen Rechts zu einem breiten Bündnis aller Parteien und Gruppierungen führen müsse. Bürgermeister Kropf und Landrat Hering sprachen von Haarspaltereien.

Als Ergänzung des 'Runden Tischs gegen Rechtsextremismus in Regnitzlosau' arbeitet Markus Müller im 'mobilen Beratungsteam der Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus'. Er sagte bei einer Bezirksversammlung der oberfränkischen Grünen in Hof: "In Nordbayern sind die rechtsextremen Strukturen vielfältig. Über die Musikszene versuchten sie, Jugendliche zu gewinnen. Die bekanntesten Bands seien die 'White Rebel Boys' aus dem Kreis Hof, die 'Untergrundwehr' aus Würzburg, die 'Brüder zur Freiheit' aus Hof und die 'Burning Hate' aus dem Kreis Lichtenfels. Regine Scholz von der 'Initiative gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit' in Hof warnte, die Strategie des Hauskaufs entspräche der neuen Taktik der 'Rechten' und beklagte das gute nachbarliche Einvernehmen mit den neuen Bewohnern. Dies entspräche durchaus der neuen Taktik. Diese trete nicht mehr in Springerstiefeln und Bomberjacken auf, sondern adrett gekleidet. Das Dorf entwickele sich zum Haupttreffpunkt der oberfränkischen Nationalen. Unter der Leitung der Evangelische Jugendsozialarbeit Hof wurde dann Ende 2010 auch in Hof ein 'Bündnis gegen Rechts' gegründet. 

Der Verfassungsschutz ermittelte, dass rund fünfzig Prozent aller in Oberfranken beobachteten Veranstaltungen in der ehemaligen Gaststätte 'Zum Egerländer' stattgefunden haben. Besonders auffällig sei, dass nicht nur Personen aus dem Vogtland und Oberfranken nach Oberprex kämen, sondern auch aus anderen Bundesländern. Auf der Homepage der 'Kameradschaft Hof' würden die Veranstaltungen als 'Solidaritätsveranstaltung für unsere inhaftierten Kameraden' aufgeführt: Gottfried Küssel , Wolfgang Fröhlich und Horst Mahler . Ordentlich parkten die Teilnehmer ihre Autos vor dem Haus mit der Hausnummer 47, schauten sich kurz um, um dann durch die Tür mit der Aufschrift Privat! Kein Zutritt! zu verschwinden. Die Nachbarn äußerten, der Tony lade halt gern ein, anständige Leute eigentlich.

 

Die US-Lizenzpostille 'Süddeutsche Zeitung' berichtete gestern vorwurfsvoll:

"Ein regelrechtes Public Viewing war das", ärgert sich einer der Nachbarn, der wie so ziemlich alle in Oberprex seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Er will "das gute nachbarschaftliche Verhältnis" nicht gefährden. Schließlich hätte es schlimmer kommen können: "Stellen Sie sich vor, eine ausländische Familie zieht da ein, die dann Halligalli macht. Ich weiß nicht, ob das besser ist." Der Herr Gentsch achte wenigstens auf Ordnung, und höflich sei er auch.

Als er Dutzende Neonazis zur Einweihungsparty in sein neues Haus geladen hatte und die wenigen Nebenstraßen von Oberprex mit Polizeibussen vollgestellt waren, informierte der Rechtsradikale seine Nachbarn per Postwurfsendung: Linkslastige Medien und "die Antifa-Journaille" würden "Halbwahrheiten und gezielte Lügen" verbreiten. Er plane in Oberprex kein braunes Zentrum, das Gebäude werde "rein zu Wohnzwecken genutzt, wo natürlich auch mal Geburtstage gefeiert werden".

Elf Monate sind seither vergangen, die Polizei ist verschwunden, die Politiker auch, die Neonazis jedoch sind geblieben. Gentsch sitzt zwar seit April wegen Körperverletzung und Beleidigung im Gefängnis, "revolutionäre nationale Personen" kümmern sich jetzt um das Haus, heißt es auf einer Neonazi-Homepage. Die Partys gehen weiter. Mindestens vier Veranstaltungen haben Beobachter seit dem Haftantritt von Gentsch im April gezählt. Am 28. Mai etwa referierte der verurteilte Münchner Rechtsterrorist Martin Wiese in Oberprex über "seine bisherigen Erlebnisse als nationaler Aktivist in diesem System". Wiese saß sieben Jahre im Gefängnis, weil er einen Sprengstoffanschlag auf die Grundsteinlegung des Jüdischen Zentrums in München geplant hatte.

Seit er auf freiem Fuß ist, wirbt er für ein kameradschaftsübergreifendes Bündnis. Zuletzt wohl auch in Oberprex. Am vergangenen Samstag trafen sich die Neonazis wieder. Als die Sonne unterging, standen acht Autos vor der ehemaligen Gaststätte. "Wenn dort Veranstaltungen sind, haben wir natürlich ein Auge drauf", heißt es dazu im Polizeipräsidium Hof. Und die Feier am Samstag? "Da ist nichts bekannt." Auch Bürgermeister Kropf wiegelt ab: "Da deutet nichts darauf hin."

Einige hundert Meter von Gentschs Haus entfernt, im Gasthaus "Zur Linde", wird die Nachricht mit einem Schulterzucken quittiert. Die Handvoll Gäste widmet sich lieber dem selbstgemachten Fichtengelee der Wirtin. Über die Neonazi-Nachbarn reden sie nicht gern.

"Warum auch? Solange sie uns nichts tun." Außerdem habe "der Gentsch" aus einem Schandfleck wieder "was Ansehnliches" gemacht. Geweißelt hat er und Gitter an die Fenster geschraubt - die sollen wohl vor Antifaschisten schützen. Gut so, sagen viele in der "Linde".

Gegen die Neonazis wollen sie lieber nicht demonstrieren. Das mache nur Schlagzeilen, womöglich komme gar die linke Antifa. "Heiligs Blech, dann wär' hier was los."

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