Keine Revision des
StGB Paragraf 130-3
Am
24.Oktober sprach Jürgen König vom "Deutschlandradio Kultur"
mit dem Historiker Heinrich August Winkler (Foto). König hatte zum Auftakt des
Schillerjahres 2005
seine Sendung unter das Motto gestellt: "Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!"
Winkler
hat den kürzlich veröffentlichen "Appel de Blois" französischer Historiker
unterschrieben. Dieser Aufruf mahnt, in einem freien Staat könne es nicht Aufgabe irgendeiner politischen Autorität sein zu definieren, was historische Wahrheit sei.
- Winkler lehnt eine Revision des Paragrafen 130, Absatz 3 des deutschen Strafgesetzbuches
kategorisch ab, der besagt, dass mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden kann,
wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder
verharmlost.
König: Wenn [nach Vorschlag der deutschen Regierung für alle EU-Staaten] über Wahrheitsfragen künftig von Parlamenten und Regierungen entschieden werden soll und darüber freier wissenschaftlicher Diskurs nicht oder nur begrenzt möglich ist, dann ist das in der Tat mit einer freiheitlichen, pluralistischen Demokratie nicht zu vereinbaren.
Winkler: Die freie Diskussion als Teil der Meinungsfreiheit und der Wissenschaftsfreiheit, das muss gefordert werden.
König: Gut, aber die Meinungsfreiheit ist auch bei uns eingeschränkt.
Sind solche Erinnerungsgesetze nicht nötig, um die Würde der Opfer zu
bewahren?
Winkler: Es gibt auch Interpretationen der Geschichte, die müssen in erster Linie gesellschaftlich geächtet werden, sie müssen moralisch und politisch und wissenschaftlich bekämpft werden. Und der wissenschaftliche Kampf gegen Irrmeinungen und gegen gefährliche Auffassungen, der kann der Wissenschaft, der kann der freien Diskussion nicht abgenommen werden.
König: Aber ist die Gefahr nicht noch größer, dass Vordenker wie Horst Mahler
Straffreiheit zu schamloser Agitation ausnutzen?
Winkler: Ich sehe diese Gefahren, deswegen habe ich keine Rückgängigmachung dieses Gesetzes gefordert. Ich denke nur, es gibt Anlass für das, was man Second Force nennt.
König: In diesem sogenannten Appell heißt es, dass die Freiheit des Historikers mittels der Androhung von Strafsanktionen nicht eingeschränkt werden darf. Erklären Sie uns das noch mal. Inwiefern schränkt oder würde ein solches
Gesetz die Freiheit der Forschung einschränken?
Winkler: Man ist in der Tat in der Gefahr, den Spielraum der wissenschaftlichen Diskussion gewaltig einzuschränken. Die Angelsachsen sind ja ohnehin sehr viel strikter als die Kontinentaleuropäer der Meinung, dass Gesetze allgemein sein müssen und Einzelfallgesetze rechtsstaatlich zumindest hoch problematisch sind.
König: Aber zum 'Holocaust' kann doch nach wie vor geforscht werden, was immer wer immer will?
Winkler: Ja.
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