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Sonntag,
15. Dezember 2013
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Gustave Le Bon
* 7. Mai 1841 in Nogent-le-Rotrou
† 15. Dezember 1931 in Paris
Begründer der Massenpsychologie.
Le
Bon war der Sohn eines Grundbuch-Beamten und ging in Tours auf das
Gymnasium. Nach seinem Medizinstudium in Paris arbeitete er ab 1866 als praktischer Arzt. Daneben bereiste er Europa, Asien sowie Nordafrika und verfasste eine Reihe von Reiseberichten sowie Werken zur Archäologie und Anthropologie, darunter "La Civilisation des Arabes" und "Les Civilisations de l'Inde" (beide 1884).
Berühmt
wurde Le Bon durch sein wichtiges Buch "Psychologie der Massen" ("Psychologie des foules", 1895).
Er vertrat darin die Meinung, dass der Einzelne in der Masse seine Kritikfähigkeit verliere und sich affektiv, teilweise sogar primitiv-barbarisch verhalte. Dies passiere sogar in hochzivilisierten Kulturgemeinschaften. In der Massensituation sei der Einzelne leichtgläubiger und unterliege der psychischen Ansteckung, wodurch eine Volksmasse von Führern leicht zu lenken sei.
Wegen dieses Buches gilt Le Bon als Begründer der Massenpsychologie.
Le Bon, der rege am intellektuellen Leben seiner Zeit teilnahm und Kontakt mit Persönlichkeiten wie den Philosophen Paul Valéry und Henri Bergson
pflegte, veröffentlichte auch zahlreiche Schriften zu Fragen der Hygiene, Physiologie, Politik und Soziologie.
Nach dem Ersten Weltkrieg sah er die durch das Versailler Friedensdiktat
heraufbeschworenen Umwälzungen in der Welt klar voraus.
Weitere
Infos:
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Auszüge
Um aber auf die Beobachtungen zurückzukommen, die
von den Massen gemacht werden, so können wir daraus schließen, daß die Kollektivbeobachtungen die verfehltesten
von allen sind, und daß sie meistens nur die einfache Täuschung eines einzelnen sind, die durch Übertragung alle
andern beeinflußt hat. Unzählige Fälle beweisen, daß man gegen die Zeugenschaft der Masse das größte Mißtrauen
hegen muß.
Die Ereignisse, die von der größten Anzahl von Personen beobachtet wurden, sind sicher
am zweifelhaftesten. Zu erklären, eine Tatsache sei von Tausenden von Zeugen gleichzeitig festgestellt worden,
heißt erklären, daß das wirkliche Ereignis von dem angenommenen Bericht im allgemeinen erheblich abweicht.
Aus dem Vorstehenden folgt klar, daß die Geschichtswerke als reine Phantasiegebilde zu betrachten sind. Es sind
Phantasieberichte schlecht beobachteter Ereignisse nebst nachträglich ersonnenen Erklärungen.
Wie viele Massen haben sich für Überzeugungen und Ideen, die sie kaum verstanden, heldenhaft hinschlachten lassen!
Es ist überflüssig zu bemerken, daß die Unfähigkeit der Massen, richtig zu urteilen, ihnen jede Möglichkeit kritischen Geistes raubt, das heißt, die Fähigkeit, Wahrheit und
Irrtum voneinander zu unterscheiden und ein scharfes Urteil abzugeben. Die Urteile, die die Massen annehmen,
sind nur aufgedrängte, niemals geprüfte Urteile.
Für die Massen, die weder zur Überlegung noch zum logischen Denken fähig sind, gibt es nichts Unwahrscheinliches. Vielmehr, die unwahrscheinlichsten Dinge sind in
der Regel die auffallendsten. Daher werden die Massen stets durch die wunderbaren
und legendären Seiten der Ereignisse am stärksten ergriffen.
Auch ist es eine überflüssige Banalität, zu wiederholen, die Massen bedürften einer Religion. Denn alle politischen, religiösen und sozialen Glaubenslehren finden bei ihnen
nur Aufnahme unter der Bedingung, daß sie eine religiöse Form angenommen haben, die sie jeder Auseinandersetzung
entzieht.
Meistens sind die Führer keine Denker, sondern Männer der Tat. Sie haben wenig Scharfblick und könnten auch
nicht anders sein, da der Scharfblick im allgemeinen zu Zweifel und Untätigkeit führt. Man findet sie namentlich
unter den Nervösen, Reizbaren, Halbverrückten, die sich an der Grenze des Irrsinns befinden. So abgeschmackt auch
die verfochtene Idee oder das verfolgte Ziel sein mag, gegen ihre Überzeugung wird alle Logik zunichte.
Verachtung und Verfolgung stört sie nicht oder erregt sie nur noch mehr.
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Zitate
Dem Menschen einen Glauben schenken, heißt seine Kraft verzehnfachen.
Die großen Führer aller Zeiten, die der Revolution hauptsächlich, waren sehr beschränkt und haben deshalb den größten Einfluß ausgeübt.
Die großen geschichtlichen Ereignisse wurden oft von unbekannten Gläubigen verwirklichst, die nichts als ihren Glauben besaßen.
Die Menge wird sich immer denen zuwenden, die ihr von absoluten Wahrheiten erzählen, und wird die anderen
verachten.
Die von einer Generation gesammelten Erfahrungen sind im
allgemeinen für die folgende nutzlos, darum hat es keinen Zweck, geschichtliche Beweise als Ereignisse anzuführen
Der Anteil des Unbewußten in unseren Handlungen ist ungeheuer und der Anteil der Vernunft sehr klein.
Das Wiederholte befestigt sich so sehr in den Köpfen, daß es schließlich als eine bewiesene Wahrheit angenommen wird.
In einem kleinen Vorrat an Redewendungen und Gemeinplätzen, die wir in der Jugend erlernten, besitzen wir alles Nötige, um ohne die ermüdende Notwendigkeit, denken zu müssen, durchs Leben zu gehen.
Nie haben die Massen nach Wahrheit gedürstet. Von den Tatsachen, die ihnen mißfallen, wenden sie sich ab und ziehen es vor, den Irrtum zu vergöttern, wenn er sie zu verführen vermag. Wer sie zu täuschen versteht, wird leicht ihr Herr, wer sie aufzuklären sucht, stets ihr Opfer.
Wer das Böse entschuldigt, vervielfältigt es.
ABCD
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