Heidemarie Schwalbe
(Abb.) ist seit vielen Jahren in unterschiedlichsten Bereichen
engagiert. Sie beherrscht die kommunalpolitische Klaviatur hervorragend – als
ehemalige Suhler Stadträtin der Linken, als Vorsitzende des Frauenbeirates der Stadt Suhl. Darüber hinaus ist sie Mitinitiatorin des Suhler Bündnisses für Demokratie und Toleranz, gegen Rechtsextremismus „Suhl bekennt Farbe“. Sie betreut überdies das Projekt
„Stolpersteine“.
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Wie weit darf eine Redaktion gehen?
Ein offener Brief zur Richtigstellung der am 07.03.2014 in der Zeitung "Die Bild" falsch
dargestellten Bilder und Sachverhalte im Artikel "Skandal in der Schule - Abi-Klasse spielt DDR"
von Oliver Löhr und Henry Köhlert.
Sehr geehrte Leser, Leserinnen, Bürger und Mitbürger,
wir, der Abiturjahrgang 2013 des Staatlichen Gymnasiums Suhl, nehmen die falsche
Berichterstattung, der offensichtlich Recherchefehler seitens der Redaktion zu Grunde liegen und
den daraus entstandenen Artikel, zum Anlass, die Sachverhalte richtig zu stellen, um zu verhindern,
dass dem Ruf einer überaus guten Lehrkraft noch mehr geschadet wird, als es durch diesen Artikel
ohnehin der Fall ist.
In jenem Artikel sind - ohne unser Einverständnis - Erinnerungsfotos zu sehen in denen unsere
Lehrerin gemeinsam mit uns in DDR Outfits wie FDJ Blusen etc. abgebildet ist. Im dazugehörigen
Text werden diese Bilder fälschlicherweise als Unterrichtsaufnahmen deklariert und als DDR
verherrlichend eingestuft. Uns wird vorgeworfen, wir würden diesen ehemaligen Staat feiern und
uns lediglich unkritisch und affirmativ- bekenntnishaft mit der SED-Diktatur dieser Zeit
auseinandersetzen.
Durch die offensichtlich mangelhafte Recherche seitens der Autoren und der Redaktion, entstand so
ein völlig falsches Bild, von Erinnerungsfotos unserer letzten Schulwoche. Jedes Jahr führt der
jeweilige Abiturjahrgang in seinen letzten Schultagen die sogenannte "Mottowoche" durch. An
jedem Tag gilt es, sich dem jeweils vorher festgelegten und durch den Schulleiter genehmigten
Thema entsprechend zu kleiden. Dabei entstanden Mottos wie “Schlafanzug”, “Rockabilly” und
“Zombieapokalypse”.
Einer dieser Tage wurde von uns, dem Abiturjahrgang selbst, das heißt Jugendlichen im Alter von
17 und 18 Jahren, mit dem Motto der DDR bedacht. Verständlicherweise fragten wir auch für die
Umsetzung dieses Tages bei unseren Lehrkräften nach Hilfe, unter anderem bei unserer
Geschichtslehrerin, die in die Planung und Genehmigung der Mottos in keinster Weise involviert
war. Gemeinsam mit ihr nahmen wir auch Fotos auf, um uns an diese letzten gemeinsamen Tage mit
unseren liebgewonnenen Lehrkräften zu erinnern, die uns über 8 Jahre unserer Schullaufbahn
begleitet hatten.
Diese Bilder stehen definitiv in keinerlei Zusammenhang mit dem Inhalt unseres Unterrichts im
Fach Geschichte. Jeder Schüler des Abiturjahrgangs vollzog dieses Motto aus größtenteils
satirischen, spaßbehafteten Gründen, keiner wollte damit die ehemalige DDR feiern oder sie, die
Missstände und Probleme verklären. Unser Unterricht setzte sich mit allen Ereignissen der Geschichte stets kritisch auseinander, wir
hatten genügend Raum, um uns unsere eigene Meinung über die Geschehnisse zu bilden und ohne
Wertung alle Informationen zu erhalten, die wir brauchen. Eine Beeinflussung durch eine Lehrkraft
in eine politische Richtung fand zu keinem Zeitpunkt statt. Auch im Dialog mit Schülern, die im
gleichen Jahrgang eine andere Lehrkraft im gleichen Unterrichtsstoff hatten, fanden wir keine
Defizite im Informationsvermögen unseres Unterrichts.
Die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte wird im Staatlichen Gymnasium Suhl in jeder
Klassenstufe ernst genommen und von jeder Lehrkraft in ihrer individuellen Art ohne
Verschleierung oder Verklärung durchgesetzt. Zusätzlich zum Unterricht werden regelmäßig
Projektreisen an geschichtsträchtige Orte unternommen, in unserem Fall unter anderem Berlin, wo
wir auch im Mauermuseum noch andere, völlig unabhängige Quellen zur Informationsfindung
hatten, sowie andere Sichtweisen hörten. Zudem gab und gibt es für jeden von uns unzählige
Möglichkeiten, sich anderweitig zu informieren, ob über das Internet, öffentliche Einrichtungen
oder das Elternhaus. Wir wurden also stets und ständig neutral und gut informiert.
Alles in Allem ist der Artikel eine einzige Frechheit, sowohl der Lehrkraft, als auch den Schülern
gegenüber. Den Unterrichtsstil eines Lehrers anzuzweifeln, ihm Verherrlichung der Geschichte
vorzuwerfen, ohne klare Daten darüber gesammelt zu haben, ist unverzeihlich und grenzt an
Rufmord. Jugendlichen im Alter von 17 und 18 Jahren zu unterstellen, sie könnten nicht zwischen
Meinung und klaren Fakten differenzieren, ist ebenso beleidigend, wie anmaßend.
Wir als Abiturjahrgang und Initiatoren dieser Fotos, bitten darum, auch die einseitige, sehr
verklärende Berichterstattung der Zeitung "Die Bild" mit sehr kritischen Augen zu betrachten.
Unsere Lehrkraft - deren politische Einstellung und ehemaligen Positionen für den Sachverhalt
völlig irrelevant sind - trifft keine Schuld in jedem der in dem Artikel angesprochenen Punkte und
wir hoffen, dass ihr Ansehen durch diesen Brief wieder in das richtige Licht gerückt werden kann.
Für kommende Abiturjahrgänge hat die Bildzeitung damit eine Mottowoche noch mehr erschwert,
dafür möchten wir uns im Namen aller Schüler einmal herzlich ironisch bedanken. Dass solch
unseriöse Berichterstattung im täglichen Printmedium mit den höchsten Auflagen landet, zeugt nur
wieder einmal vom Niveau eben dieser Tageszeitung.
Mit freundlichen Grüßen,
Der Abiturjahrgang 2013 des Staatlichen Gymnasiums Suhl
ABCD
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