Wilhelm I.
* 22. März 1797 in Berlin
† 9. März 1888
ebenda
Seit 1861 König von Preußen sowie ab 1871 Deutscher Kaiser.
Friedrich Wilhelm Ludwig
wurde als zweiter Sohn König Friedrich Wilhelms III.
von Preußen und Luise
von Mecklenburg-Strelitz im Kronprinzenpalais in Berlin geboren. Seine Erziehung
von 1801 bis 1809 übernahm der preußische Theologe und Pädagoge Johann Gottlieb Delbrück
, der bereits für die Erziehung des Kronprinzen Friedrich Wilhelm
zuständig war. Mit der Ernennung zum Offizier 1807 durch seinen Vater begann
Wilhelm seine militärische Laufbahn in der preußischen Armee. Wilhelm
nahm 1813 an den Befreiungskriegen
gegen Napoleon
teil, die ihn zeitlebens prägten und seine Abneigung gegen Frankreich begründeten. Zum Hauptmann ernannt, begleitete er seinen Vater
1814 auf den Feldzug in Frankreich, erwarb das Eiserne Kreuz und zog mit in Paris ein.
Im Jahr darauf wurde er zum Major befördert. Im Jahr 1816 wurde Wilhelm Kommandant des Stettiner
Gardelandwehrbataillons, 1818 erfolgte die Beförderung zum Generalmajor. 1819
wurde er zum Inspekteur des VII. und VIII. Armeekorps ernannt, 1825
erfolgte seine Beförderung zum Kommandierenden General.
Dem Wunsch seines Vaters folgend, trennte sich Wilhelm 1826 von seiner Jugendliebe Elisa von Radziwill
, der Tochter eines
polnisch-litauischen Fürsten, da die Verbindung nicht den Standesansprüchen des preußischen Königshauses genügte.
Im Juni 1829 heiratete er Prinzessin Augusta
von Sachsen-Weimar-Eisenach. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor: Friedrich Wilhelm, der spätere Kaiser Friedrich III.
und Luise , spätere Großherzogin von Baden.
Die Ehe war eine reine Vernunftehe. Insbesondere die politischen Ansichten des Paares
waren konträr: Augusta war dem Liberalismus zugeneigt, Wilhelm hingegen machte keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen
diesen.
Da sein älterer Bruder Friedrich Wilhelm IV. kinderlos war, wurde Wilhelm nach dessen Regierungsantritt
1840 Thronfolger mit dem Titel "Prinz von Preußen". Aus Loyalität gegenüber seinem Bruder unterzeichnete Wilhelm
1847 entgegen seinen persönlichen Ansichten das Patent zur Berufung eines Vereinigten Landtages und
nahm seinen Platz in der 1. Kammer, dem preußischen Herrenhaus, ein. Sein Eintreten für eine gewaltsame Niederschlagung der Märzrevolution in Berlin
1848 brachte ihm den Beinamen "Kartätschenprinz" ein. Angesichts der ablehnenden Haltung
der Öffentlichkeit schickte Friedrich Wilhelm IV. seinen Bruder als Kaufmann getarnt
vorübergehend nach England.
Im Jahr 1849 stellte Wilhelm sich als Kommandierender Offizier der Operationsarmee gegen die Aufständischen in Baden und in der Pfalz an die Spitze der
Gegenrevolution .
Von 1849 bis 1858 fungierte Wilhelm als Generalgouverneur der preußischen Provinzen Westfalen und Rheinprovinz.
Wilhelm und Augusta residieren im Kurfürstlichen Schloss in Koblenz. Insbesondere auf Betreiben seiner Frau verkehren am Koblenzer Hof liberale Gelehrte wie der Historiker Maximilian Duncker
oder die Juristen August Moritz von Bethmann-Hollweg
und Klemens Theodor Perthes . Wilhelm
nahm nach und nach eine gemäßigtere Haltung gegenüber dem Liberalismus ein.
Wilhelm übernahm 1857 zunächst vorübergehend, ab Oktober 1858 dann dauerhaft die Regentschaft für seinen
erkrankten Bruder Friedrich Wilhelm IV. Trotz der gegenteiligen Empfehlung seines Bruders leistete er
1858 den Eid auf die preußische Verfassung und versprach, diese fest und unverbrüchlich zu
halten. Auch nach dem Tod Friedrich Wilhelms IV. 1861 widersetzte sich Wilhelm dessen testamentarischer Aufforderung, die Verfassung aufzuheben.
Mit der Berufung des liberalen Ministeriums von Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen
leitete Wilhelm die so genannte Neue Ära in Preußen ein.
Über Fragen der Heeresreform geriet Wilhelm in Konflikt mit der liberalen Mehrheit des preußischen Landtags.
Im Juli 1861 verübte ein Student in Baden-Baden ein Attentat auf Wilhelm I., bei dem dieser nur leicht verletzt
wurde. Der Attentäter wurde zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt, auf Fürsprache Wilhelms aber im Oktober 1866
begnadigt. Als das preußische Abgeordnetenhaus 1862 die Bewilligung der Mittel für die bereits durchgeführte Reorganisation des Heeres
ablehnte, weiteten sich die Auseinandersetzungen um die Heeresreform zu einem Verfassungskonflikt aus. Wilhelm überlegte zunächst, zugunsten seines Sohnes abzudanken, ließ sich dann aber von seinem Kriegsminister Albrecht von Roon
überreden, den preußischen Gesandten Otto von Bismarck
zum Ministerpräsidenten zu berufen. Wilhelm stimmte mit Bismarck in den politischen Überzeugungen weitgehend überein,
stand aber dessen Regierungsmethoden mit Skepsis gegenüber. Dennoch unterstützte er bis zu seinem Tod 26 Jahre lang die Außen- und Innenpolitik Bismarcks und lehnte jedes Rücktrittsgesuch von diesem ab.
1864 fand der für Preußen erfolgreiche Deutsch-Dänische Krieg
statt. Nach dem Deutschen Krieg von 1866
konnte Bismarck den König gemeinsam mit Kronprinz Friedrich davon überzeugen,
von Österreich keine Gebietsabtretungen zu fordern. 1867 übernahm Wilhelm I. den Vorsitz im neugegründeten Norddeutschen
Bund .
Während des Deutsch-Französischen Krieges
wurde Wilhelm am 18. Januar 1871 im Schloss von Versailles von den versammelten deutschen Fürsten und Repräsentanten der Freien Städte zum Kaiser des neu gegründeten Deutschen Reichs ausgerufen.
Die Regierungsgeschäfte überließ Wilhelm I. weitgehend seinem Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten Bismarck. Er selbst beschränkte sich ganz auf das Repräsentieren, die Verkörperung der staatlichen Würde und die Billigung der Bismarckschen Entscheidungen.
Mit seinem an Sparsamkeit und Einfachheit orientierten Lebensstil gewann der Kaiser zunehmend an Popularität in der Bevölkerung.
Im Jahr 1878 erfolgten zwei Attentate auf Kaiser Wilhelm ;
bei dem zweiten wurde er schwer verletzt. 1879 reiste Wilhelm entgegen den Empfehlungen
Bismarcks im September nach Russland, um im persönlichen Zwiegespräch
einen politischen Kompromiss mit seinem Neffen, den russischen Zaren
Alexander II. herbeizuführen. Nur widerstrebend stimmte er nach einer Rücktrittsdrohung Bismarcks im Oktober
einer engeren Bindung an Österreich-Ungarn im Zweibund zu.
Bei der Einweihung des Niederwalddenkmals in Rüdesheim im September 1883
bereitete eine Anarchistengruppe einen Dynamit-Anschlag vor, der wegen der feuchten Wetterlage fehlschlug. Nach kurzer Krankheit
starb Wilhelm I. in Berlin im Alter von fast 91 Jahren. Auf den Thron folgte ihm
zunächst sein todkranker Sohn Friedrich III. und nach 99 Tagen sein Enkel Wilhelm II.
Weitere
Infos:
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Attentate auf Wilhelm I.
Als Kaiser Wilhelm I. am Sonntag des 2. Juni 1878 eine Fahrt in offener Kutsche auf der Straße "Unter den Linden" in Berlin unternahm, fielen Schüsse aus dem Fenster des Hauses Nr. 18. Dieses bewohnte der junge Landwirt Dr. Karl Eduard Nobiling (1848 - 1878). Er schoss mit einer Doppelladung Schrot auf den Kaiser und verletzte ihn schwer an Kopf, Arm und Rücken. Wilhelm sank von 30 Schrotkugeln getroffen stark blutend
zusammen. Nur sein dicker Mantel und die Pickelhaube bewahrten ihn vor dem Tod. Der psychisch kranke Attentäter versuchte unmittelbar nach dem Anschlag, sich selbst zu erschießen. Noch bevor ihm der Prozess gemacht werden konnte, erlag er seinen Verletzungen. Nobiling ging es nach eigener Aussage um das Erlangen von Ruhm und die Überlieferung seines Namens für die Nachwelt.
Der Anschlag Nobilings war bereits das dritte Attentat auf Wilhelm I., doch war es das erste, bei dem der Kaiser ernsthaft verwundet wurde. Der 81-Jährige erlitt so schwere Verletzungen, dass er den Kronprinzen Friedrich zu seinem Stellvertreter ernennen musste.
Bereits am 14. Juli 1861 verübte der Leipziger Student Oskar Becker (1839-1868) ein Attentat auf Wilhelm I., der seinem verstorbenen Bruder Friedrich Wilhelm IV. im Januar 1861 auf den preußischen Thron gefolgt war. Bei einem der gewohnten Vormittagsspaziergänge Wilhelms I. während einer Kur in Baden-Baden schoss Becker im Vorbeigehen auf den König, der sich lediglich in Begeleitung des preußischen Gesandten befand. Wilhelm erlitt eine nur leichte Verletzung am Hals. Als Motiv für den Mordanschlag gab Becker die Unfähigkeit bzw. den Unwillen des Königs von Preußen an, die Einigung Deutschlands herbeizuführen. Becker wurde zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt, auf Fürsprache König Wilhelms aber im Oktober 1866 begnadigt.
Nur drei Wochen vor dem Attentat Nobilings war dem Klempnergesellen Max Hödel (1857-1878) aus Leipzig am 11. Mai 1878 ein Attentat auf den Kaiser missglückt. Auch Hödel nutzte eine offene Kutschfahrt Wilhelms I. "Unter den Linden", seine zwei Revolverschüsse verfehlten jedoch ihr Ziel. Max Hödel, der kurz vor dem Attentat aus der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) ausgeschlossen worden war, wurde zum Tode verurteilt und am 16. August 1878 enthauptet.
Der letzte Attentatsversuch auf Kaiser Wilhelm I. erfolgte bei der Einweihung des Niederwalddenkmals in Rüdesheim am 28. September
1883
. Eine Anarchistengruppe um August Reinsdorf (1849-1885) bereitete einen Anschlag mit Dynamit vor. Da bei der Enthüllung des Nationaldenkmals neben dem Kaiser auch der Kronprinz und viele Bundesfürsten anwesend sein würden, sah die antipreußisch gesinnte Gruppe eine passende Gelegenheit gekommen, gegen die führenden Repräsentanten des ihnen verhassten Staat vorzugehen. Trotz mehrfacher Versuche scheiterte das Attentat, denn der Zünder versagte aufgrund des feuchten
Wetters. Reinsdorf wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet.
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