Erörterung
der
sogenannten Antisemitenpetition
am
25. April 1881 im Deutschen Reichstag.
Vorgeschichte:
Die sogenannte Antisemitenpetition war eine 1880/1881 von deutschen
Antijuden veranlasste Petition an den Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten Otto von
Bismarck ,
welche die Rücknahme wesentlicher Gleichstellungsgesetze für Juden verlangte.
Die Petition wurde u. a. vorbereitet vom Leipziger Physik- und Astronomieprofessor Karl Friedrich Zöllner
dem Politiker Max Liebermann von Sonnenberg
und dem Gymnasiallehrer Bernhard Förster
(oben, Schwager des Philosophen Friedrich Nietzsche ). Zu den Erstunterzeichnern gehörten der Berliner Hofprediger Adolf
Stoecker
und der Komponist und Dirigent Hans von Bülow (unten) .
Die Petition forderte die Einschränkung der 1869 für den Norddeutschen Bund und 1871 für das Deutsche Reich erfolgten verfassungsrechtlichen Gleichstellung der Juden. Begründet wurde dies durch die
wirtschaftliche Ausbeutung und soziale wie rassenmäßige Zersetzung des deutschen Volkskörpers durch die Juden. Daher müsse ihr Vordringen in gesellschaftliche Schlüsselpositionen verhindert werden.
Die Petition wurde erstmals im November 1880 im preußischen Abgeordnetenhaus debattiert. Dabei
führte die Mehrzahl der Abgeordneten die in der Petition zum Ausdruck
kommende antijüdische Haltung auf das Fehlverhalten der Juden zurück. Parallel
hierzu erfolgte eine Unterschriftensammlung für die Petition in ganz Deutschland,
um ihr den Charakter eines Plebiszits zu geben. Zwischen August 1880 und April 1881
wurden im gesamten Reichsgebiet 267.000 Unterschriften gesammelt. Seit Oktober 1880 bildeten sich an vielen Universitäten Ausschüsse zur Vorbereitung dieses Plebiszits.
Am 13. April 1881 wurde die Antisemitenpetition mit den in 26 Bänden zusammengefassten Unterschriftenlisten im Reichskanzleramt eingereicht.
Reichskanzler Bismarck überließ dem Vizepräsidenten des Preußischen Staatsministeriums, Graf Otto zu Stolberg-Wernigerode
,
eine Stellungnahme: Dieser erklärte am 25. April 1881 im Reichstag
lediglich, dass die Regierung an der Gleichberechtigung der religiösen Bekenntnisse in staatsbürgerlicher Hinsicht nichts zu ändern gedenke.
Preußen betrieb ab 1884 eine gezielte Ausweisungspolitik im Sinne der Petition: In den folgenden beiden Jahren wurden 10.000
polnische Juden ausgewiesen.
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Weitere
Infos:
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Wortlaut der Petition
In allen Gauen Deutschlands hat sich die Ueberzeugung
durchgerungen, daß das Ueberwuchern des jüdischen Elementes die ernstesten Gefahren für unser Volksthum in sich birgt, Allerwärts, wo Christ und Jude in soziale Beziehungen treten, sehen wir den Juden als Herrn, die eingestammte christliche Bevölkerung aber in dienstbarer Stellung. An der schweren
Arbeit der großen Masse unseres Volkes nimmt der Jude nur einen verschwindend kleinen Antheil; auf dem Acker und in der Werkstatt, in Bergwerken und auf Baugerüsten, in Sümpfen und Kanälen - allerwärts regt sich nur die schwielige Hand des Christen. Die Früchte seiner Arbeit aber erntet vor allem der Jude. Weitaus der größte Teil des Kapitals, welches die
nationale Arbeit erzeugt, konzentriert sich in jüdischer Hand; gleichzeitig mit dem beweglichen Kapital aber mehrt sich der jüdische Immobiliarbesitz. Nicht nur die stolzesten Paläste unserer Großstädte gehören jüdischen Herren, deren Väter oder Großväter schachernd die Grenzen unseres Vaterlandes überschritten haben, sondern auch der ländliche Grundbesitz, diese hochbedeutende conservative Basis unseres staatlichen Gefüges, gelangt mehr und mehr in die Hände der Juden.
Angesichts dieser Verhältnisse und des massenhaften Eindringens semitischer Elemente in alle Stellungen, welche Macht und Einfluß gewähren, erscheint vom ethischen, wie vom nationalen Standpunkte die Frage wahrlich nicht unberechtigt: welche Zukunft steht unserem Vaterlande bevor, wenn es dem semitischen Element noch auf ein Menschenalter hinaus möglich bleibt,
auf unserem heimischen Boden gleiche Eroberungen zu machen, wie in den beiden letzten Jahrzehnten? Wenn der Begriff „Vaterland“ seiner idealen Bedeutung entkleidet, wenn der Gedanke, daß es unsere Väter waren, die diesen Boden der Wildnis entrissen, die ihn in tausend Schlachten mit ihrem Blute gedüngt haben, unserem Volke nicht verloren gehen, wenn der innige Zusammenhang von deutschem Brauch und deutscher Sitte mit christlicher
Weltanschauung und christlicher Ueberlieferung erhalten bleiben soll, dann darf ein fremder Stamm, dem unsere humane Gesetzgebung das Gast- und Heimatrecht gewährt hat, der uns aber seinem Fühlen und Denken nach ferner steht, als irgend ein Volk der gesammten arischen Welt, auf deutschem Boden nie und nimmer zum herrschenden aufsteigen.
Die Gefahr für unser Volksthum muß sich naturgemäß in demselben Maße steigern, in welchem es den Juden gelingt, nicht nur das nationale und religiöse Bewußtsein durch die Presse zu verkümmern, sondern auch in Staatsämter zu gelangen, deren Trägern es obliegt, über die idealen Güter unseres Volkes zu wachen. Wir denken dabei vor allem an die Berufsstellungen der Lehrer und der Richter; beide waren den Juden bis in die jüngste Zeit hinein unzugänglich und müssen ihnen wiederum verschlossen werden, wenn nicht die Autoritätsbegriffe des Volkes verwirrt und sein Rechts- und Vaterlandsgefühl erschüttert werden sollen. Schon beginnt das germanische Ideal persönlicher Ehre, Mannestreue, echter Frömmigkeit sich zu verrücken, um einem kosmopolitischen Pseudo-Ideal Platz zu machen.
Soll unser Volk nicht der wirtschaftlichen Knechtschaft unter dem Druck jüdischer Geldmächte, soll es nicht dem nationalen Verfall unter dem Einfluß einer vorzugsweise von dem Judentum vertretenen materialistischen Weltanschauung überantwortet werden, dann sind Maßregeln, welche dem Ueberwuchern des Judentums Halt gebieten, unabweisbar geboten. Nichts liegt uns ferner, als irgend welche Bedrückung des jüdischen Volkes wieder herbeiführen zu wollen; das, was wir erstreben, ist lediglich die Emanzipation des deutschen Volkes von einer Art Fremdherrschaft, welche es auf die Dauer nicht zu ertragen vermag. Es ist Gefahr im Verzuge, deshalb gestatten wir uns, Ew. Durchlaucht mit der ehrfurchtsvollen Bitte zu nahen:
Hochdieselben mögen Ihren mächtigen Einfluß in Preußen und in Deutschland dahin geltend machen:
1. daß die Einwanderung ausländischer Juden, wenn nicht gänzlich
verhindert, so doch wenigstens eingeschränkt werde;
2. daß die Juden von allen obrigkeitlichen (autoritativen) Stellungen
ausgeschlossen werden und daß ihre Verwendung im Justizdienste -
namentlich als Einzelrichter - eine angemessene Beschränkung erfahre;
3. daß der christliche Charakter der Volksschule, auch wenn dieselbe von
jüdischen Schülern besucht wird, streng gewahrt bleibe und in derselben
nur christliche Lehrer zugelassen werden, daß in allen übrigen Schulen
aber jüdische Lehrer nur in besonders motivierten Ausnahmefällen
Anstellung erlangen;
4. daß die Wiederaufnahme der amtlichen Statistik über die jüdische
Bevölkerung angeordnet werde.
Mit dem Ausdruck größter Ehrerbietung und unerschütterlichen Vertrauens verharren wir als Euer Durchlaucht
aufrichtigst ergebene [folgen Unterschriften]
An den Reichskanzler, Fürsten v. Bismarck, Durchlaucht in Berlin
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