Nach der Predigt wird gesungen. Zur Melodie von „Danke für diesen guten Morgen” stimmen die 20- bis 30-jährigen Mitfahrer mit ein. „Danke für deine 50 Millionen / Danke für deine Wurstfabrik / Danke, dass jeder Neu-Ankömmling seine eigene Wurst abkriegt.” Klassenausflug trifft Kirchentrip. Mittendrin: dieser junge Mann mit angeblich ungarischem Akzent. Er sei Flüchtling. Ah, ja so ein Zufall! Von Hoeneß’ Wurstproduktion begeistert, kommentiert er die Aktionen des Kollektivs. Bewusster Störfaktor und eigens dafür engagierter Kommentator? Sehr wahrscheinlich. Denn der Ausflug ist komplett inszeniert. Von den Vorträgen zu den Liedern und einer Lesung aus dem „Evangelium der Scheiße”. Kalkulierter Streit, mit kalkulierter Versöhnung. Was passiert hier alles? Was macht man selbst hier? Vor der Ankunft werden Kutten und allerlei sakrale Accessoires verteilt. Die Prozession soll echt aussehen. Also marschiert man als Nonne oder Bischof los. Kreuze werden getragen und Tulpen mitgenommen. Schräge Blicke vorprogrammiert. Am Anwesen angekommen, begrüßt uns entgegen der Erwartungen nicht Uli persönlich, sondern die Polizei. Kurz erklärt, was das Ganze hier soll und die Prozession darf weiter vorschreiten. Hier gerät das Experiment zum ersten Mal ins Straucheln. Die Gesänge und „Danke Uli”-Rufe verstummen. Alles wirkt unkoordiniert. Schnell die Käsebrezen raus und Mittagspause machen.
Die Dankprozession gerät aber wieder auf den richtigen Weg. Der Jesusfigur Hoeneß wird gehuldigt. Mit Altar und Plakaten. Streng überwacht, dass kein Hausfriedensbruch durchgeführt wird. Um ein „Haus der Kulturen” zu gründen und „ein Zeichen für ein grunderneuertes Libertas
Bavariae” zu etablieren, wird der erste Spatenstich gesetzt. Die Behörden werden unruhig. Das Kunstprojekt scheint kurz zu kippen. Die Akteure fallen aus ihren Rollen. Versuchen zu erklären. Die Stacheldrahtgrenze zum Anwesen wurde mehrfach überschritten. Aus der Kunst könnte nun zu schnell ein politisches Statement werden. Die Grenze zu Hoeneß’ Grundstück als Anspielung zu EU-Grenzen und deren Überwachung.
Da eine Antwort, ein Zeichen oder sonstige Reaktion von Hoeneß ausbleibt, begibt sich die Gruppe auf den Rückweg. Und dann passiert es: Ein roter Audi fährt den kleinen Weg entlang, an dem man gerade noch die ganzen Danksagungen skandiert hat. Ein paar Nachzügler erhaschen einen Blick. Der Uli. Da hat ihn die Neugier doch noch gepackt. Man diskutiert, ob man nicht doch fünf Minuten länger hätte warten sollen. Aber die Auflösung der Blockade wurde ihm durchgesagt. Hoeneß stand und steht in engem Kontakt mit den Behörden.
Auf dem Heimweg folgt das Resumee. Die Ziele der Macher und die Erwartungen und Ergebnisse der Mitmacher. Die Erweiterung der Bühne, des Raums ist gelungen. Es war die Öffnung eines symbolischen Raums mit einer fiktiven Grenze, die für die Grenzen Europas steht, an denen Flüchtlinge abgewiesen und getötet werden. Es waren diese Metamomente, die eine weitere Grenze absteckten: zwischen Kunst und Politik. „Grenzüberschreitende Momente”, wie verhießen, gab es aber nicht. Dazu wurde nicht genug Druck aufgebaut, um Hoeneß durch die künstliche Behauptung der Flüchtlingslager, in eine Verantwortungsposition zu bringen: Er musste nicht auf die Prozession reagieren.
Um 15 Uhr kehren alle wieder ins Volkstheater zurück. Ein partizipatorisches Stück geht zu Ende. Wie schon bei “The
Lottery” und “Life & Strive” musste das Publikum mitmachen und die Inszenierung nach vorne bringen. Gescheitert ist man nicht, Zufriedenheit sieht jedoch anders aus. Übrig bleibt ein skurriler Ausflug und herrlich schräges Theater. Danke, Uli!
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