Altenburger
Prinzenraub
in der Nacht vom 7. zum 8. Juli 1455
ABCD bezeichnet die
Entführung der 14- und 11-jährigen Prinzen Ernst
und Albrecht , Söhne des Kurfürsten Friedrich des Sanftmütigen von
Sachsen , durch Kunz von Kaufungen
aus dem Schlosse zu Altenburg .
Kunz von Kaufungen, geb. auf Kaufungen
bei Penig , war Schlosshauptmann u. Hofmarschall in Diensten des Kurfürsten Friedrich
des Sanftmütigen von Sachsen. 1446 hatten Kurfürst Friedrich und sein Bruder
Herzog Wilhelm
Krieg gegeneinander geführt
. Dabei unterstützte sie der Ritteradel. Immer mehr Dörfer und Landgüter wurden verwüstet. Die beteiligten Ritter hielten sich dafür an eroberten Gebieten schadlos.
Im Bruderkriege
vom Kurfürsten Friedrich
dem Sanftmütigen zum Entsatz von Gera
abgeschickt und dort von den böhmischen Hilfsvölkern des Herzogs Wilhelm
gefangen, musste er sich um 4.000 Goldgulden loskaufen. Nach dem Friedensvertrage
von 1451verweigerte Kurfürst Friedrich der Sanftmütige aber den Ersatz dieses Lösegeldes, da Kunz nicht sein Vasall
sei. Zudem sollte Kunz die ihm von dem Kurfürsten für seine in dem Bruderkrieg verwüsteten
und eingezogenen Güter in Thüringen überlassenen Besitzungen ohne Entschädigung wieder herausgeben.
Für Kunz bedeutete dies eine wirtschaftliche Katastrophe: Er musste eroberte, einträgliche Landgüter abtreten und erhielt seinen ursprünglichen, verwüsteten Besitz zurück. Umgehend verklagte der Ritter den
Landesherren Kurfürst Friedrich
den Sanftmütigen. Juristisch gesehen stand seine Sache gar nicht schlecht. Doch kaum ein Richter würde wohl ein Urteil gegen den Kurfürsten fällen! Zudem erhob Friedrich Gegenklage und bezichtigte Kunz jener Verbrechen, die ein Krieg so mit sich bringt: Friedensbruch, Raub, Mord. Darauf stand die Todesstrafe. Aus dem Kläger wurde der Beklagte. Am 25. Juni 1455 sollte das Urteil gefällt werden - in Friedrichs Residenz Altenburg. Über den Ausgang gab es keinen Zweifel. Ehe die Richter das Wort ergreifen konnten, erklärte Kunz sie für befangen und verließ den
Saal und ging nach Böhmen auf sein Schloss Isenburg. Dort entwarf er den Plan,
sich durch die Entführung der beiden Söhne des Kurfürsten Bürgschaft für die Erlangung der Entschädigung zu verschaffen,
und verband sich dazu mit Wilhelm von
Mosen, Wilhelm von Schönfels und anderen dem Kurfürsten feindlich gesinnten Edelleuten.
Nachdem er von dem Küchenjungen Hans Schwalbe auf dem Schloss
in Altenburg, mit welchem er in Einverständnis getreten war, Nachricht erhalten hatte, dass der Kurfürst am 7. Juli 1455 nach Leipzig gereist
und die Hofleute am Abend zu einem Bankett in der Stadt Altenburg abwesend wären, erschien er in der Nacht zum 8. Juli mit seinen Genossen vor dem Schlosse.
Mit Schwalbens Hilfe wurde eine Strickleiter an einem Fenster befestigt, u. Kunz, welcher in dem Schloss wohl bekannt war, gelangte so mit neun seiner Begleiter in das Schloss, verschloss die Frauengemächer von außen u. holte aus dem Schlafzimmer der Prinzen den Prinzen Ernst; Wilhelm von Mosen sollte Prinz Albrecht nehmen, dieser hatte sich aber unter das Bett versteckt, u. Mosen nahm daher
irrtümlich den jungen Grafen
Barby , welcher bei dem Prinzen schlief. Kunz bemerkte die Verwechselung, trug den kleinen Barby wieder zurück u. holte den Prinzen Albrecht. Vor der Stadt trennten sie sich; Kunz eilte mit dem Prinzen Albrecht durch das Erzgebirge auf dem kürzesten Wege nach Böhmen, Mosen u. Schönfels hingegen sollten den Prinzen Ernst durch Franken dahin bringen.
Der Raub wurde alsbald ruchbar u. die Nachricht davon durchflog das ganze
Land, überall ertönte die Sturmglocke. Kunz war bereits nahe an der Grenze in die Gegend zwischen Grünhain
und
Elterlein
, nachmals der Fürstenberg genannt, gekommen; hier klagte der Prinz über Durst,
und Kunz stieg ab, um ihn mit seinen Begleitern Beeren pflücken zu lassen. Ein Köhler, Namens Schmidt, fasste, durch das Sturmläuten aufmerksam gemacht, Verdacht
und fragte Kunz, wer er und der Knabe sei. Kunz antwortete, dass der Knabe entlaufen sei
und er ihn seinen Eltern wieder bringen wolle. Indem er dies sagte u. aufstehen wollte, verwickelte er sich mit den Sporen in das
Gestrüpp u. fiel wieder zur Erde. Der Prinz benutzte diesen Moment, um sich dem Köhler zu entdecken, worauf dieser mit seinem Schürbaum auf Kunzen u. beide Knechte eindrang
und sie niederschlug, Kunzen selbst aber mit Hülfe herbeigeeilter Köhler gefangen nahm
und zum Abt Liborius nach Kloster Grünhain
führte, welcher ihn dem Voigt von Zwickau, Veit von Schönburg, überantwortete.
Der Prinz wurde am folgenden Tage von Schmidt
und vielen Köhlern begleitet nach Altenburg zurückgebracht, wo die Kurfürstin
sogleich mit ihm und seinem Retter nach Chemnitz zum Kurfürsten eilte, welcher dem Köhler nicht allein seinen Wunsch in dem Walde, wo er den Prinzen gerettet hatte, frei Kohlen brennen zu dürfen gewährte, sondern ihm auch ein Freigut in Eckertsbach
bei Zwickau und jährlich vier Scheffel Korn gab und ihm und seinen Nachkommen den Familiennamen Triller beilegte, da der Köhler in seiner Erzählung oft den Ausdruck gebrauchte, er habe den Kunz wacker
getrillt.
Mosen
und Schönfels waren unterdessen in die Nähe von Hartenstein
gekommen, wo sie, durch das Sturmläuten erschreckt, an der Mulde den Prinzen zwei Tage in einer Höhle verbargen, welche seitdem Prinzenhöhle
heißt. Aus dem Gespräche einiger Holzhauer, welche sie in der Nähe ihres Verstecks behorchten, von Kunzens Gefangennehmung unterrichtet, gaben sie die weitere Ausführung ihrer Flucht auf
und schrieben an den Amtshauptmann Friedrich von Schönburg
nach Hartenstein, dass sie den Prinzen gegen Begnadigung ausliefern, sonst ihn ermorden wollten. Nach erhaltener Zusicherung übergaben sie am 11. Juli den Prinzen u. gingen dann nach Böhmen, Prinz Ernst aber wurde 12. Juli wieder zu seinen Eltern gebracht.
Kunz ward nach Freiberg geführt, von dem
dortigen Gericht zum Tode verurteilt und am 14. Juli enthauptet. Die Familie Kauffungen wurde enteignet und vertrieben.
Kunzens Bruder, Dietrich von Kaufungen, bekannt mit dem Entführungsplan, wurde am 31. Juli in Altenburg ebenfalls enthauptet; Schwalbe
und die drei Knechte
Kunzens wurden in Zwickau gevierteilt. In der Kirche zu Ebersdorf
werden die Kleider der Prinzen und des Köhlers zum Andenken aufbewahrt.
Weitere
Infos:
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Der Prinzenraub
1. Wir wolln ein Liedel heben an,
Was sich hat angespunnen,
Wie's im Pleißnerland gar schlecht war bestallt,
Als den jungen Fürst'n geschah Gewalt,
Durch Kuntzen von Kauffungen.
2. Der Adler hat auf'm Fels gebaut
Ein schönes Nest mit Jungen,
Und wie er einst geflogen aus,
Holt ein Geyer die Jungen heraus,
Drauf ward's Nest leer gefunden.
3. Wo der Geyer auf'm Dache sitzt,
Gedeihen die Küchlein selten,
Es war da ein seltsam Narrenspiel,
Welcher Fürst seinen Räthen traut zu viel,
Muß oft es selber entgelten.
4. Altenburg, du feine Stadt,
Dich thät er mit Untreu meinen,
Da in dir war'n all' Hofleut voll,
Kam Kunz mit Leitern und Buben toll,
Und holt die Fürsten so kleine.
5. Was blast dich, Kunz, für Unlust an,
Da du ins Schloß einsteigest?
Und stiehlst die zarten Herren heraus,
Als der Kurfürst eben nit war zu Haus,
Die zarten Fürsten-Zweige.
6. Es war wohl als ein Wunderding,
Wie sich das Land beweget,
Was da auf'n Straßen war'n für Leut',
Die den Räubern folgten nach in Zeit,
All's wibbelt, kribbelt, sich beweget.
7. Im Walde dort ward Kunz ertappt,
Da wollt er Beeren naschen;
Wär er in der Hast wacker fortgeritten,
Daß 'n die Köhler nit gefangen hätten,
Hätt er sie kunt verpaschen.
8. Ab'r sie wurden ihm wieder abgejagt,
Und Kunz mit seinen Gesellen
Auf Grünhain, in unsers Herrn Abts Gewalt
Gebracht, und auf die Zwika gestellt,
Und muste sich lassen prellen.
9. Dafür fiel ab gar mancher Kopf,
Und keiner der Gefangnen
Kam aus der Haft ganzbeinigt davon,
Schwerdt, Rad, Zang'n, Strick, die war'n ihr Lohn,
Man sah die Rümpfe hangen.
10. So geht's, wer wider die Obrigkeit
Sich unbesonnen empöret.
Wers nicht meint, schau an Kuntzen,
Sein Kopf thut z' Freiberg noch runterschmunzen,
Und jedermann davon lehret.
11. Gott thu den frommen Christen alles Guts,
Und laß die jungen Herren,
In kein Feindes Hand mehr also komm'n,
Geh auch der Frau Churfürstin viel Fromm'n,
Daß wir uns in Ruhe ernähren.
Achim von Arnim : Des Knaben Wunderhorn / I. Band - Kapitel 156
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