Herrnhut - Pakete packen im Akkord: Die Frauen im Versand der Herrnhuter Sternefabrik
wirbeln umher. Sie packen und beschriften Kisten, ziehen quietschende Klebebandrollen über die Pappe. Es geht hektisch zu in den Wochen vor Weihnachten. Auf einem Tisch liegen bereits neue Sterne mit Bestellzetteln, die auf einen Karton warten.
Der schlichte Stern aus dem Oberlausitzer Herrnhut , einst vor allem in christlichen Kreisen verbreitet, ist mittlerweile eine gefragte Weihnachtsdekoration für jedermann. Der Klassiker in rot, gelb oder weiß findet sich in Wohnungen und Kirchen, an Bratwurstbuden, Rathäusern oder als Dekoration in Kaufhäusern.
Ende der 90er Jahre stellte die Sternefabrik etwa 100.000 Exemplare im Jahr her, mittlerweile sind es rund 250.000 in mehr als 60 Varianten. Die Bestellungen kommen aus der ganzen Welt, von Australien bis Grönland. Es ist ein
Saisongeschäft. Zum Teil wird im Dezember im Drei-Schicht-System gearbeitet. Für
viele ist die Adventszeit ohne den Stern mit seinen markanten, langen Zacken kaum vorstellbar. Er sorgt mit seinem warmen Licht für Besinnlichkeit und steht als Symbol für die Geburt Jesu.
Die Herrnhuter Sterne Manufaktur mit ihren mehr als 60 Mitarbeitern gehört zur Herrnhuter Brüderunität
. Die evangelische Freikirche hat ihre Ursprünge in der böhmischen Reformation. Von dort kamen Glaubensflüchtlinge in die Oberlausitz und gründen 1722 auf dem Land des Grafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf
den Ort Herrnhut. Wenige Jahre später begannen sie mit ihrer weltweiten Mission. Bis in die Gegenwart gibt es verschiedene Unternehmen der Brüderunität. Der Weihnachtsstern dürfte neben den Losungen, dem kleinen Andachtsbüchlein in Millionenauflage, der bekannteste Exportartikel der Freikirche sein.
In den Internatsschulen der Brüderunität wurden im 19. Jahrhundert Sterne gebastelt, die als Vorgänger des heutigen Typs gelten. Dies sollte auch das räumliche Denken schulen. Doch erst der Buch- und Musikalienhändler Pieter Hendrik Verbeek erkannte das Potenzial der Idee. Ab 1897 bot er in seinem Herrnhuter Geschäft einen zusammensetzbaren Stern an. Mit seinen 17 viereckigen und acht dreieckigen Zacken entsprach er in wesentlichen Teilen bereits den heutigen Exemplaren.
Seitdem wurden Sterne in Herrnhut produziert, trotz kriegsbedingter Unterbrechungen oder der Mangelwirtschaft in der DDR. Auch der Neubeginn nach der Wiedervereinigung glückte, obwohl die Oberlausitz von wirtschaftlichen Erfolgsmeldungen nicht gerade verwöhnt ist.
Eine Rolle spielt dabei das Etikett "Handarbeit", das zumindest die Sterne in Papierversion ziert. Verkauft werden für außen auch wetterfeste Exemplare aus Kunststoff.
In dem 2011 übergebenen und 2,75 Millionen Euro teuren Fabrikneubau steht Besuchern eine Schauwerkstatt offen. Mitarbeiter zeigen dort, wie aus einem Papierbogen die typischen Zacken per Hand geformt und geklebt werden. Nicht selten herrscht dichtes Gedränge, wenn gerade wieder ein Reisebus angehalten hat. Mit 30.000 Besuchern rechnet das Unternehmen 2011.
Zur jahrzehntelangen Nachfrage dürfte das schlichte, zeitlose Aussehen der Sterne beigetragen haben. Vielen gelten sie als angenehmer Kontrast zum oft überbordenden Weihnachtskitsch, und von Kindheit an kennen viele das Ritual des Zusammenbauens. Allerdings erfordert der Umgang mit den empfindlichen Papierzacken Geschicklichkeit und bewegliche Finger, damit die langen Spitzen keinen Schaden erleiden.
Das Unternehmen lässt sich auf Messen blicken und wird in die Dekoration von Städten und Weihnachtsmärkten einbezogen. Hinzu kommen besonders publikumswirksame Sonderanfertigungen: Seit Jahren leuchtet im Advent von der Kuppel der Dresdner Frauenkirche ein knapp zwei Meter großer Stern. Es geht aber noch größer: 2010 übergab die Sternefabrik für den Berliner Amtssitz von
BDR-Kanzlerin Angela Merkel ein 2,50 Meter großes Exemplar.
|