Mittwoch, 14. Januar 2015

Auschwitzer Lagerfotograf Wilhelm Brasse

Brasse wurde 1917 als Sohn eines Österreichers und einer Polin in Saybusch (heute Żywiec), Galizien, geboren und starb dort im Oktober 2012. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde seine Geburtsstadt Teil des nun unabhängigen Polen. Als Jugendlicher begann er eine Lehre als Fotograf in Kattowitz. Zum Zeitpunkt des deutschen Angriffs auf Polen 1939 war er polnischer Soldat. 1940 wurde er beim Versuch, sich über die Grenze nach Ungarn abzusetzen, gefangen genommen und am 31. August 1940 ins KL Auschwitz gebracht, das damals ein Lager für polnische Gefangene war. Wegen seiner fotografischen Fähigkeiten und seiner Deutschkenntnisse wurde er als Lagerfotograf beim Erkennungsdienst eingesetzt. Dort war es seine Hauptaufgabe, die ankommenden Häftlinge für die Lagerkartei zu fotografieren. Jeweils drei Fotografien muss Brasse von den Gefangenen machen: Im Profil, von vorne, mit Kopfbedeckung. Die deutsche Bürokratie verlangte eine exakte Dokumentation. 

Brasse lieferte seinen Service zur Zufriedenheit des Leiters des Erkennungsdienstes Bernhard Walter. Insgesamt fotografierte er 40.000 bis 50.000 Personen. Im Juli 1943 wurden die erkennungsdienstlichen Aufnahmen der Häftlinge im Lager weitgehend eingestellt; Grund war der Mangel an Fotomaterial. Bis Januar 1945 wurden nur noch deutsche Gefangene fotografiert. Die Negative von 38.969 Häftlingsportraits waren in einem Schrank in Auschwitz verblieben und überdauerten den Krieg. Brasse selbst behauptete später, er hätte die Negative persönlich entgegen dem Befehl seines Chefs Walter für die Nachwelt gerettet. Als die Rote Armee auf das Lager vorrückte, hätte Walter vom Motorrad aus gebrüllt: "Brasse, der Iwan kommt, verbrenne die Bilder." Brasse hätte die Fotografien zwar angezündet, jedoch als Walter mit dem Motorrad geflüchtet war, wieder gelöscht. Nur an den Ecken seien sie angekokelt gewesen. Daraufhin hätte Brasse das Studio verriegelt und gedacht: "Diese Dokumente, die bleiben. Mein Tun soll einen Sinn gehabt haben."  

Brasse verfügte in Auschwitz über eine eigene Toilette und Waschwasser und empfing zusätzliche Lebensmittel. Die Auschwitzer SS-Leuten ließen sich auch gerne privat von ihm fotografieren, schickten Fotos und Postkarten an die Liebsten in der Heimat und fertigten für den Privatgebrauch Alben mit Bildern des Auschwitzalltags an, versehen mit akkuraten Bildunterschriften. Brasse berichtete später, dass er 1943 in Auschwitz die zum Gerben aufgespannte und für einen Bucheinband des Lagerarztes Dr. Entress vorgesehene, tätowierte Rückenhaut eines kurz davor von ihm porträtierten Matrosen gesehen habe.

Brasse verließ Auschwitz am 21. Januar 1945 mit dem letzten Gefangenentransport und kam ins KL Mauthausen in Oberösterreich, später ins Außenlager Melk. Dort wurde Brasse am 6. Mai von den US-Amerikanern befreit. Nach dem Krieg heiratete Brasse und wurde Vater von zwei Töchtern. Bis zu seinem Tod lebte er in Saybusch, etwa 50 Kilometer von Auschwitz entfernt. 

Für den Dokumentarfilm 'Der Porträtist' von Irek Dobrowolski gab Brasse 2005 seine Geschichte zur Veröffentlichung frei. Danach betätigte er sich bis zu seinem Tod im Jahre 2012 als Zeitzeuge. Luca Crippa und Maurizio Onnis publizierten 2007 den Text 'Der Fotograf von Auschwitz' .
ABCD

Register:  
Email:   Quelle: Internet

Weitere Infos:  

nach oben