Aus einem zeitgenössischen Bericht:
"Die mehresten Häuser waren in den Gegenden, in welchen die Deiche niedergeworfen worden, eingerissen oder vertrieben, und die noch standen, wankten bey jedem Wellenschlag. So weit das Auge reichte, sahe man, gleich dem Schiffbruch, Dächer der Hauser, Balken, Bretter, Sparren, Schränke, Kisten, Betten, Menschen, Kühe, Pferde, Ochsen, Schweine, Hunde, Hasen, Korn und Haufen ungedroschener Fruchte Md Heues, durcheinander vermischt, umher treiben- Auf einigen dieser Haufen sahe man Bewegung und Leben; es waren Menschen, welche auf Heu- oder Kornschobern, auf Balken und Brettern ihre Errettung gesucht hatten. Dort erblickte man nackende Menschen, welche die Fluth in ihren Betten überrascht hatte; ganze Familien, Männer, Weiber, Väter, Mütter, Kinder, Säuglinge und Erwachsene trieben daher, festgeklammert an Balken und Dächern. Hier sah man andere Unglückliche an den Dächern der wankenden Häuser und an den Gipfeln überhangender Bäume schweben. Umsonst hallte ihr Klageton über die Gewässer, die Häuser sanken und die Bäume fielen; oder Hunger, Kälte, Entkräftung, Muthlosigkeit begrub sie unter, den Wellen.
Diejenigen, welche dem Tode entgangen waren, machten gleich nach dem Sturme Anstalten zur Bergung und Rettung der noch herumtreibenden und hängenden Menschen und Sachen. Das schöne Wetter am 28sten December war diesem Vorhaben günstig. Es waren der Unglücklichen noch genug, welche hie und da auf Heu - und Strohhaufen, zerrissenen Häusern und Baumgipfeln ihre von Hunger und Frost erschlaften Arme ausstreckten. Dürftig hatten sie sich mit vorbeytreibenden Wurzeln, Rüben, rohen Bohnen, ungedroschenem Getreide und Kohlstengeln gesättiget; vergeblich mit Salzwasser oder ihrem eigenen Urin den Durst gelöschet.
Das feindselige Meer hatte sich nun von dem verwüsteten Lande ganz zurückgezogen und jezt eine neue Scene des Jammers eröfnet. Hier erblickte man erstarrte Mütter mit ihren. Säuglingen in den Armen, Eheleute mit Stricken an einander gebunden. Dort an den Bäumen scheusliche Leichen hangend und auf den Aeckern von Hunden und Raubvögeln Angefressene liegend, welche zusammengesucht und in großen Löchern verscharrt wurden. Einige derselben zog man unter den Ruinen ihrer Häuser, andere unter dem Schlamm hervor.
Es gab der Bösewichter viele, welche, nachdem sie selbst kurz vorher, halb nackend und halb todt, erquickt, hergestellt und gerettet worden, sich aufs Rauben und Plündern legten, und sich beym allgemeinen Schiffbruch für ihren eigenen Verlust schadlos zu machen suchten.
Das größte Uebel, mit welchem die armen Schifbrüchigen zu kämpfen hatten, war der Mangel an frischem Wasser. Alle Kanäle, Brunnen und Regenkeller waren mit Schlamm und Seewasser angefüllt, und so geschwinde ließen sie sich nicht reinigen. Menschen und Vieh schmachteten vor Durst, den man nur kümmerlich mit Schnee löschte. Wer noch einen reinen Brunnen hatte, der verkaufte das Wasser zu einem so hohen Preise, daß es der Arme nicht bezalen konnte. Hin und wieder grub man Löcher in die Erde, um eine Quelle süßen Wassers zu finden; und fand man eine: so mußte man sie wegen der Diebe mit einer tüchtigen Wache besetzen. Dieser elende Zustand dauerte nicht blos einige Wochen, sondern den ganzen Winter hindurch; denn weil das Land offen lag: so trat die See mit jeder Fluth wieder ins Land, und zerstörte mit jedem Sturm, was mit vieler Mühe nothdürftig am Deiche hergestellet worden war."
Die Sturmflut vom 24. Dezember auf den 25. Dezember 1717 an der kontinentaleuropäischen Nordseeküste wurde von einem plötzlich einsetzendem Nordweststurm 5 Stunden vor der Flutzeit verursacht. Die Deiche brachen und das Wasser ergoss sich in die tiefliegenden Küstengebiete. Die Flutkatastrophe hatte schwerwiegende Folgen für die betroffenen Nordseeküstenmarschen. Bevölkerungsverluste, wirtschaftlicher Niedergang und Armut prägten die Nordseegemeinden nach dieser Katastrophe. Keine Küstenregion zwischen den Niederlanden und Dänemark blieb von dieser Sturmflut verschont; überall kam es zu zahlreichen Deichbrüchen und verheerenden Überschwemmungen. Zwischen Tondern im nördlichen Herzogtum Schleswig und dem ostfriesischen Emden ertranken etwa 9.000 Menschen; dazu kamen noch über 2.500 Tote in den Niederlanden.
Alle Küstenländer erlitten durch die Weihnachtsflut von 1717 große Verluste an Pferden, Rindern, Schweine und Schafen. In Ostfriesland gingen 2.300 Pferde, 9.500 Rinder, 2.800 Schafe und 1.800 Schweine ein. Außerdem wurden Tausende von Häusern von den Wellen weggerissen oder schwer beschädigt. Allein in Ostfriesland wurden 900 Häuser weggespült und 1.800 beschädigt.
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