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Samstag, 13. April 2013

Geschichtliche Entwicklung des Promotionsverfahrens

Ursprünglich war der Erwerb des Doktorgrades an die Absolvierung eines 
'examen publicum' gebunden, einer Antrittsvorlesung mit anschließender Disputation, bei der der Kandidat seine Thesen auch gegen Einwände der Öffentlichkeit zu verteidigen hatte, und bei der jeder anwesende Student frageberechtigt war. Erst danach erfolgte die feierliche Inauguration und die Verleihung der Insignien, zu denen ein Buch, ein goldener Ring und der Doktorhut in Gestalt eines Baretts gehörte. Dies mittelalterliche Verfahren blieb mit vielen Varianten und Modifikationen auch in der frühen Neuzeit gültig. 

Bis ins 18. Jahrhundert hinein entwickelte sich die Promotion zu einem ritualisierten Verfahren. Zu den wichtigsten Neuerungen gehörte dann die allmähliche Einführung einer schriftlichen Inauguraldissertation, die jedoch nicht vom Kandidaten selbst verfasst werden musste, sondern von dem zuständigen Professor vorzulegen war. Die wissenschaftlichen Kenntnisse des Kandidaten spielten kaum eine Rolle. Das Promotionsverfahren bestand im Wesentlichen aus einer oder mehreren Disputationen oder Streitgesprächen, die auf Kosten des Kandidaten oft tagelang in festlicher Atmosphäre zelebriert wurden. Aufgrund der hohen Kosten promovierte deshalb auch nur ein geringer Anteil der sogenannten Baccalauren zum Doktor; der Baccalaureus stellte zu jener Zeit den niedrigsten akademischen Grad dar, der damals zur Promotion zum Doktor berechtigte.

Seit dem Mittelalter kursierte ein Spottvers über diese Promotionspraxis: "Sumimus pecuniam et mittimus asinum in patria" (nehmen wir das Geld und schicken den Esel nach Hause). Mit Beginn des 18. Jahrhunderts wurde an den meisten Universitäten die Naturalienleistung der Doktoren, die üblicherweise aus ganz erheblichen Bewirtungsaufwendungen für die Professoren bestand, in Examensgebühren für eine ordentliche Doktorurkunde umgewandelt. Diese Einnahmen stellten einen erheblichen Teil der Professorengehälter und der Fakultätseinnahmen dar. 

Die Praxis, die schriftliche Grundlage der Disputation durch die Professoren anfertigen zu lassen, war nicht unumstritten. Mitunter wurde verlangt, dass der Kandidat selbst eine Schrift anzufertigen habe oder zumindest nicht als Autor auf einer fremden Arbeit erscheinen solle. Derartige Argumente wurden aber unter Verweis auf die mangelnden Fertigkeiten (insbesondere fehlende Lateinkenntnisse) und Zeitmangel der Kandidaten von den Professoren zurückgewiesen, die um das einträgliche Geschäft mit den mehrfach verwertbaren Dissertationsschriften bangten.

Dies Verfahren, das sich seit Mitte des 17. Jahrhunderts entwickelt hatte, erhielt über die Gebühren eine neue Wettbewerbsdynamik. Die Konkurrenz der Universitäten um zahlungskräftige Kandidaten führte bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zu Schleuderpreisen für eine Promotion. Bezüglich der inhaltlichen Anforderungen bestand die Neuerung in der sogenannten "promotion in absentia", die bis ins späte 19. Jahrhundert an vielen Universitäten nicht nur möglich, sondern fast der Regelfall war. Bei dieser Art der Promotion wurde auf die Disputation verzichtet: Man konnte sich den Titel quasi kaufen. Angefeuert wurde dieser Wettbewerb durch die Titelsucht akademisch kaum gebildeter Bürger und durch den wachsenden Promotionszwang akademischer Berufe. Insbesondere die medizinischen Fakultäten profitierten seit dem 18. Jahrhundert von der Verankerung der Promotion in den Approbationsordnungen, ein Makel, der dem Dr. med. bis heute anhaftet.
In Göttingen konnte man sogar nach 1800 einen Antrag auf nachträgliches Einreichen der Dissertationsschrift stellen, wobei diese häufig überhaupt niemals geliefert wurde. Karl Marx wurde 1841 in absentia an der Universität Jena zum Doktor der Philosophie promoviert, und Friedrich Hebbel an der Universität Erlangen 1844 in absentia ebenfalls zum Dr. phil.

Erst mit der sich langsam durchsetzenden modernen Forschungsuniversität kam es zu einer Wende. Beispielsweise verlangten die 1838 erlassenen Statuten der Berliner Universität eine eigenhändig verfasste Dissertationsschrift. Auch wurden in den dreißiger Jahren überall in Deutschland die Promotionsgebühren abgeschafft. 

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