Montag, 19. Mai 2014

Berlin - Der 34-jährige Fallschirmsprung-Lehrer Lars Mährholz hat vor sieben Wochen die erste Demonstration am Brandenburger Tor angemeldet, die er 'Mahnwache für den Frieden' nannte. 100 Menschen folgten seinem 'Aufruf zum friedlichen Widerstand'. Inzwischen sind es mehrere Tausend. Die Mahnwachen haben sich als regelmäßige Veranstaltung etabliert. Die Organisatoren sehen sich selbst in der Tradition der Montagsdemonstrationen gegen das politische System der DDR. In Berlin fing es an, mittlerweile wird unter dem gleichen Motto in 42 deutschen Städten, in der Schweiz und Österreich demonstriert. Es ist eine Bewegung, die schnell gewachsen ist.

Mährholz hat die tödliche Politik der Fed als Hauptgegner ausgemacht. Die US-Notenbank sei für die Kriege der vergangenen hundert Jahre verantwortlich, so seine These. "Wenn euch jemand fragt, ob ihr links oder rechts seid, dann sagt einfach, ihr seid Menschen", rief Mährholz an einem dieser Montage von der Bühne am Brandenburger Tor. Das Publikum applaudierte. Manche waren direkt von der Arbeit gekommen, ein Mann mit Nadelstreifenanzug stand neben einem in Blaumann. Eine ältere Frau hatte einen Klappstuhl mitgebracht. "Stoppt die Täter: FED + NATO + EU + BILDERBERGER + MEDIEN + DEUTSCHE POLITIK. Venezuela/Ukraine/Syrien. Gegen US-Terror, für Frieden mit Russland", stand auf einem Schild. "Was wollen wir?" fragte Mährholz die Menge. "Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit!" rief das Publikum. Dann überließ er die Bühne den Rednern.

Das Brandenburger Tor ist zur 'Speakers' Corner' Berlins geworden, nach dem Vorbild in London. Jeder darf versuchen, das Publikum von seinen Ideen zu überzeugen. Kaum jemandem gelingt es allerdings, den Demonstranten so einzuheizen wie Ken Jebsen . Der RBB kündigte dem Radiomoderator 2011, nachdem dieser antiisraelische Positionen geäußert hatte. Seither verbreitet er seine Sendung "KenFM" auf Internetportalen . In seinen Hörstücken spricht Jebsen etwa über den zionistischen Rassismus: Die Propagandamaschinerie radikaler Zionisten heißt es da, sei eine mediale Massenvernichtungswaffe, die hilft, dass wir seit über 40 Jahren die Fresse halten, wenn im Auftrag des Staates Israel andere Menschen in Massen vernichtet werden – Araber im weitesten Sinne, Palästinenser im Speziellen.

Der 42-Jährige ist bereits an mehreren Montagen aufgetreten, die Zuhörer schätzen ihn – weil er das sagt, was sich andere nicht trauen. Das Spektrum reicht von Leuten, die an ein weltumspannendes Netz geheimer Strippenzieher glauben, bis zu Zuhörern, die es einfach gut finden, dass endlich etwas passiert. Auf das Ziel Weltfrieden können sich alle einigen. Es ist das Gefühl der eigenen Ohnmacht, das die Demonstranten jeden Montag vereint. Die diffuse Ahnung, dass etwas nicht richtig läuft. Dass die Regierung einen neuen Krieg will und deshalb Russland als Aggressor brandmarkt. Dabei, so die gängige Meinung, habe sich der Westen spätestens mit dem Irak-Krieg moralisch selbst demontiert.

Bis Anfang des Jahres, sagt Initiator Mährholz, habe auch er alles blind geglaubt, was ihm ARD und ZDF aufgetischt hätten. Doch dann habe ein Kumpel ihm ein Youtube-Video geschickt, das erkläre, wie die Fed die US-Regierung und das ganze Wirtschaftssystem kontrolliere. Er fing an zu googeln, stieß auf weitere Videos, immer mehr Theorien. Er gab seinen Job auf, widmete sich ganz dem Selbststudium in den Tiefen des Internets. "Ich hab' bestimmte Informationen bekommen", sagt er. "World Trade Center 7, John F. Kennedy, Fiat Money, Zentralbanken, Schuldgeldsystem, Zinseszins..." Plötzlich habe die ganze Welt einen Sinn ergeben. Und dann sei noch die Krise in der Ukraine dazugekommen. Das habe das Fass zum Überlaufen gebracht.

Die Deutsche Friedensgesellschaft , die die traditionellen Ostermärsche veranstaltet, sowie die Organisatoren der Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV. , distanzieren sich ausdrücklich von den Mahnwachen. In wenigen Wochen beginnt die Fußball-WM. Unter deren Deckmantel, prophezeit Mährholz, werde der Krieg in der Ukraine angezettelt. Das Volk sei dann abgelenkt. Am Brandenburger Tor beginnt bald das Public Viewing – gut möglich, dass sich das Forum in der Fanmeile auflöst.
ABCD

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