Samstag, 24. Mai 2014

Hoch lebe die Oldenburger Kultur!

OLDENBURG - Zehn Straßennamen, deren Namensgeber während der NS-Zeit lebten, sollen jetzt öffentlich von den Oldenburger Kulturträgern diskutiert werden, sagte der dortige Museumsleiter Dr. Andreas von Seggern. Auf neun Oldenburger Straßen – benannt nach Hedwig Heyl (vgl. unten), Paul von Hindenburg , August Hinrichs , Hinrich-Wilhelm Kopf , Theodor Pekol , Ernst Ferdinand Sauerbruch , Johann Heinrich Schütte , Richard Strauss und Felix Wankel – hatte sich die vom Rat eingesetzte Straßennamen-Kommission verständigt, einen Namenspaten – Ludwig Erhard – hatte im Februar die Kulturausschuss-Mehrheit aus SPD, Grünen und Linken/Piraten hinzugefügt.

Die zehn Namensgeber sind Gegenstand einer vom Stadtmuseum konzipierten Ausstellung, die ab Montag, 2. Juni, im Foyer des Kulturzentrums gezeigt wird. Jedem Namensgeber ist eine Schautafel gewidmet, auf der in komprimierter Form die Recherche-Ergebnisse der von Prof. Dietmar von Reeken am Institut für Geschichte der Oldenburger <<Universität>> erstellten Straßennamen-Studie wiedergegeben werden. Die Oldenburger <<Universität>>, eine 1973 gegründete Lehr-Anstalt, wurde sinniger Weise 1991 auf Wunsch ihrer Insassen vom damaligen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder nach Carl von Ossietzky benannt, einem im Jahr 1931 vom Leipziger Reichsgericht zu 18 Monaten Gefängnis verurteilten Landesverräter.

 

Im Kulturzentrum soll die Ausstellung bis zu den Sommerferien präsentiert werden. In den folgenden Monaten ist geplant, sie für jeweils drei Wochen auch in den Stadtteilbibliotheken zu zeigen. Oberbürgermeister Gerd Schwandner hat zunächst 10.000 Euro für diese Darstellung der Oldenburger Kultur bereitgestellt und erhofft sich von ihrer Resonanz eine bessere politische Orientierung. 

"Das ist mehr als wir uns gewünscht haben“, lobte SPD-Mann Christoph Sahm das Engagement der Stadtverwaltung. Auch Grüne und Linke/Piraten waren voll des Lobes. 
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Leben  

Hedwig Heyl entstammte der Bremer Reederfamilie Crüsemann. Der strengen Arbeitsforderung des Vaters nachstrebend, empfing die 16-
Jährige die ihr Leben bestimmenden Impulse in Neu-Watzum , der von Henriette Schrader-Breymann im Sinne der Pestalozzi-Fröbelschen Ideen neugegründeten Bildungsanstalt für junge Mädchen. 1869 heiratete sie den Berliner Chemiefabrikanten-Sohn Georg Heyl, der bald darauf die Leitung der väterlichen chemischen Fabrik Gebrüder Heyl in Charlottenburg übernahm.

Unterstützt von ihrem Mann und im Einklang mit ihrem Familienleben schuf die junge Frau soziale Einrichtungen in der Fabrik, Keimzellen für zukünftige Institutionen der Jugendpflege, der sozialen Fürsorge, der systematischen hauswirtschaftlichen Ausbildung (Wochen- und Säuglingspflege), einen Kindergarten im Fabrikantenhaus, in dem mit den eigenen die Arbeiterkinder im Fröbelschen Sinne erzogen wurden; aus diesem entwickelte Heyl zunächst für die Knaben, dann auch für die Mädchen Jugendhorte (handwerkliche, hauswirtschaftliche Grundausbildung), aus denen später das Jugendheim Charlottenburg unter der Leitung ihrer Schülerin Anna von Gierke hervorging.

In einer Speiseanstalt für Arbeiter wurden junge Arbeitermädchen hauswirtschaftlich ausgebildet; hier entstand das Kochbuch „ABC der Küche“ (1888), das wohl zum ersten Male wissenschaftliche Erkenntnisse der Ernährungslehre der Praxis des täglichen Kochens zugrunde legte. 1884/85 gründete Heyl mit Henriette Schrader-Breymann das Pestalozzi-Fröbel-Haus, unterstützt von der Kronprinzessin Friedrich : Kindergarten in Verbindung mit einer Koch- und Hauswirtschaftsschule, erste Ausbildung hauswirtschaftlicher Lehrerinnen. Nach dem Tod ihres Mannes (1889) – das jüngste der 5 Kinder war 2 Jahre alt – übernahm Heyl für 7 Jahre die Leitung der Fabrik, ohne in der Weiterentwicklung des Begonnenen innezuhalten: 1890 entstand, vorbereitet auf eigenem Gartenland, die erste private Gartenbauschule für Frauen.  

Ihr Aufgabengebiet in der Frauenbewegung der Jahrhundertwende war die Professionalisierung der Hauswirtschaft. Die hauswirtschaftliche Frauenbildung sollte über die Erfahrung und Weitergabe bewährter Kochrezepte hinausführen und Haushalts- und Ernährungsfragen sowie Kinderpflege und -erziehung mit einbeziehen. Heyl übernahm mit großem Geschick Repräsentationsaufgaben in der Frauenbewegung wie z. B. beim internationalen Frauenkongress 1904 in Berlin oder bei der Ausstellung “Die Frau in Haus und Beruf”, ebenfalls in Berlin. Der Erfolg dieser 1912 eröffneten Ausstellung ging im wesentlichen auf Heyls großes Organisationstalent zurück. Sie selbst empfand diese erste Frauenmesse in Deutschland als Höhepunkt ihres Lebens und Schaffens.  

Bei Kriegsausbruch im August 1914 übernahm Heyl im Rahmen des Nationalen Frauendienstes der Frauenbewegung die Ernährungsfürsorge. Sie hatte einen genialen Blick für das Konkrete und Praktische. So wurde bei Kriegsausbruch die reiche Obsternte vieler Privatkleingärten in Berlin gerettet, weil Heyl sie in einer Marmeladenfabrik verwerten ließ. Als im Verlauf des Krieges die Ernährungslage zunehmend prekärer wurde, organisierte Heyl Massenspeisungen. Diese außergewöhnliche Leistung trug ihr den Ruf ein, der “Hindenburg der Küche” zu sein. Ihr Kochbuch “Das ABC der Küche” wurde als Standardwerk kostenlos verteilt.

Heyl war Mitglied zahlreicher Vereine und Clubs, u. a. auch des Deutsch-Kolonialen Frauenbundes, der 1907 in Berlin gegründet wurde und sich 1908 der Deutschen Kolonialen Gesellschaft anschloss, die Heyl ein Jahrzehnt lang leitete. In der Zeit der Weimarer Republik trat Heyl der Deutschen Volkspartei Gustav Stresemanns bei. 
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