Samstag, 27. September 2014

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Aaskäfer (Carrion Beetles, Silphidae):
Weltweit sind derzeit circa 180 Arten aus der Familie der Aaskäfer bekannt. Die Familie ist vor allem in den gemäßigten nördlichen Breiten verbreitet, in Deutschland sind einige Spezies heimisch. Ihren Namen verdanken sie ihrer Haupt-Nahrungsquelle, den Leichen. Am bekanntesten sind die Totengräber der Gattung Nicrophorus.
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Joachim Wolbergs kniet sich tatsächlich rein, als rastloser Herumwühler in der vermutlich nicht ganz koscheren Vergangenheit von Regensburgs verblichenen Honoratioren. Nach dem römisch-katholischen Priester Josef Engert ist jetzt einer von Wolbergs' direkten Vorgängern dran, und zwar OB Hans Hermann.

Aber der Zeitgeist ist bekanntlich ein wandelbares Ding (Zitat weiter unten): 1933 wehte er anders als 1955 oder 2014. Und sicherlich bald wird er wieder umschlagen und so manchem, der sich jetzt in ihm aufbläst, kräftig um die Ohren brausen.   

Im Frühjahr 2013 hatte das bayerische Kultusministerium einen Bericht über problematische Namenspatrone bayerischer Schulen veröffentlicht. Darunter fand sich auch der Name von Hans Herrmann, zweiter Bürgermeister in Regensburg und zeitweilig Mitglied der NSDAP. In den 1950er Jahren war Herrmann Oberbürgermeister von Regensburg und Landtagsabgeordneter. Nach dem Tod Herrmanns im Jahr 1959 zeichnete ihn die Stadt posthum mit der Ehrenbürgerwürde aus. Zudem wurden eine Schule und ein angrenzender Park nach ihm benannt.

Im Auftrag Wolbergs' haben Dr. Werner Chrobak, Heimatpfleger der Stadt Regensburg, und Prof. Dr. Bernhard Löffler vom Lehrstuhl für bayerische Landesgeschichte an der Universität Regensburg aus wissenschaftlicher Sicht nun eine Stellungnahme zur Einordnung der Person Hans Herrmann vorgelegt. Am 10. Oktober 2014 wird Wolbergs mit Vertretern der Schule zusammenkommen, um über Hans Herrmann zu sprechen. Über die Frage, wie er mit der Ehrenbürgerwürde von Hans Herrmann und mit der Benennung des Parks nach ihm umgehen wird, will er später entscheiden. 


               Dr. Werner Chrobak,                     Prof. Dr. Bernhard Löffler

Auszüge aus der Stellungnahme zu Hans Herrmann  

1) Vorbemerkung: ... Im Kontext dieser Entwicklungen und Veränderungen von Geschichtspolitik und Erinnerungskultur kam es auch zur Frage- und Problemstellung, die am Ausgang dieser Stellungnahme aufgeworfen und die auch in dem eingangs erwähnten Gespräch mit Hans Schaidinger
vom März 2014 angesprochen wurde. .... In der Uniform des Kreisstellenleiters des Grenzlandamtes war Herrmann wohl auch beim Empfang Hitlers anlässlich der Aufstellung der Bruckner-Büste in der Walhalla zu sehen. Ein Jahr später, 1938, wurde er Mitglied im Reichsluftschutzbund. Daneben war Herrmann als Zweiter Bürgermeister nach eigenen Angaben Mitglied in rund 40 Vereinen, so seit 1925 im Historischen
Verein für Oberpfalz und Regensburg und dem Kunst- und Gewerbeverein, seit 1928 im Reichskolonialbund und seit 1930 im Volksbund für das Deutschtum im Ausland (VDA). 

4) Resümee und Bewertung: Eine konzise und gerechte Bewertung zu Person und Wirken Hans Herrmanns fällt aus Sicht des Geschichtswissenschaftlers nicht ganz leicht. ... Was der Historiker sicher nicht macht, ist historische Phänomene einfach nach dem aktuell gültigen Zeitgeist zu beurteilen
oder auf das Brett der heutigen Formen erinnerungspolitischer Korrektheit zu spannen. Der Zeitgeist ist bekanntlich ein wandelbares Ding; 1933 wehte er anders als 1955 oder 2014. Es ist zu vermuten, dass auch Hans Herrmann in manchem vom wechselnden und wehenden Zeitgeist erfasst war. ... Zur persönlichen Kontamination Herrmanns mit dem Nationalsozialismus gehören dabei sicher auch seine institutionellen Mitgliedschaften, so 1935 der Eintritt in die NSDAP oder 1935/36 die Fördermitgliedschaft der SS. .... Das führt zu einem letzten Hinweis: Dass Herrmann in den 1950er Jahren vielfach geehrt
wurde, wirft in erster Linie ein Licht auf den Zeitgeist und die vergangenheitspolitische Kultur eben dieser 1950er Jahre und besagt nichts oder wenig über die historische „Realität“ davor. Das ist übrigens bei allen Ehrungen, Denkmälern und politischen Erinnerungsakten so; sie sind immer eine Aktionsvariable der jeweiligen Erinnerungszeit, nicht der erinnerten.

5) Schlussbemerkung: ...Denn es geht dabei nicht oder nicht nur um historische Realitäten, sondern vor allem um die heutige, tagesaktuelle erinnerungs- oder geschichtspolitische Einordnung Hans Herrmanns, seines „Lebenswerkes“ und insbesondere seiner Rolle im Dritten Reich... Die Frage wird vermutlich sein, ob sich eine pädagogische Erziehungsanstalt den Namen einer Persönlichkeit mit vielen Graustufen und auch Schattenseiten gibt und sich damit an der Normalität eines komplizierten Lebens orientiert, oder ob man sich programmatisch ein möglichst makelloses Vorbild schaffen und eine Lichtgestalt wählen will.
BCD

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